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Aufruhr in Oakland

"Occupy"-Bewegung und Gewerkschaften blockieren viertgrößten Hafen der USA

Von André Scheer *

Zehntausende Menschen haben am Mittwoch (2. Nov.) und in der Nacht zum Donnerstag (3. Nov.) das Wirtschaftsleben der kalifornischen Hafenstadt Oakland weitgehend zum Erliegen gebracht. Aus Protest gegen die gewaltsamen Übergriffe der Polizei gegen ihr Protestcamp in den vergangenen Wochen hatte die örtliche »Occupy«-Bewegung zu einem Generalstreik aufgerufen. Unterstützt wurde sie dabei vom Gewerkschaftsbund AFL-CIO und zahlreichen Branchengewerkschaften, die ihre Mitglieder zur Beteiligung an dem Ausstand oder zumindest zu einem Aktionstag mobilisierten. Am 25. Oktober war der »Occupy«-Aktivist und frühere US-Soldat Scott Olsen bei einem Polizeieinsatz lebensgefährlich verletzt worden.

Mittelpunkt der Aktionen war eine Blockade des Seehafens der 420000 Einwohner zählenden Stadt. Der Betrieb im viertgrößten Hafen der USA mußte daraufhin den ganzen Tag über eingestellt werden. Er war auch am Donnerstag zunächst noch nicht wieder aufgenommen worden, wie die Verwaltung mitteilte. In einem »offenen Brief« äußerten Exekutivdirektor Omar R. Benjamin sowie Präsidentin Pamela S. Calloway Verständnis für »die Frustration und die Herzensangelegenheiten der Occupy-Bewegung«. Man sehe sich selbst als Opfer, weil man jährlich 100 Millionen US-Dollar für den Schuldendienst aufbringen müsse, statt dieses Geld in die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu investieren. In den vergangenen sieben Jahren wurden 40 Prozent der Arbeitsplätze im Hafen abgebaut.

Von einem mit schwarzem Transparent und der Losung »Bei uns wird gekürzt, sie werden reich« geschmückten Lastwagen wandte sich auch die Bürgerrechtlerin Angela Davis an die Demonstranten und rief ihnen zu: »Wir sind die, auf die wir gewartet haben!«

In einem halben Dutzend Zügen waren nach Veranstalterangaben insgesamt 20000 Menschen durch Oakland marschiert und hatten dadurch auch die Schließung zahlreicher Bankfilialen in der City erreicht. Vor der Hauptbücherei der Stadt forderten rund 800 Kinder, Eltern und Lehrer: »Rettet die Schulen, nicht die Banken«.

Als sich die Demonstranten bereits über ihren Erfolg freuen wollten, schlug die Lage am Mittwoch abend doch noch in Gewalt um. Gegen 19.30 Uhr fuhr ein Mercedes mitten in die Menge der Protestierenden und verletzte einen Mann und eine Frau schwer. Die Demonstranten umringten daraufhin das Fahrzeug. Polizeieinheiten in Bürgerkriegsmontur kamen dem Mann am Lenkrad zu Hilfe, befreiten den Wagen und ließen den Fahrer dann ungehindert seiner Wege ziehen. Einige Demonstranten schlugen daraufhin aus Wut Fensterscheiben umliegender Gebäude ein, was den Beamten als Vorwand für gewaltsames Vorgehen diente.

Einem Bericht der Reporterin des russischen Fernsehsenders RT in Oakland, Lucy Kafanov, zufolge, begannen rund 200 Polizisten am Donnerstag morgen, das Protestcamp der »Occupy«-Bewegung zu räumen. Die mit Masken und Schutzwesten ausgerüsteten Polizisten hätten sich ihre Namensschilder zugeklebt, um nicht identifiziert werden zu können, und feuerten Tränengas und Gummigeschosse auf das Lager ab, obwohl sich in den Zelten auch Kinder befanden. Mehr als 100 Menschen sollen festgenommen, mindestens ein Demonstrant schwer verletzt worden sein.

* Aus: junge Welt, 4. November 2011


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