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Obama nicht willkommen

Von Peter Strutynski *

Der Besuch des US-Präsidenten in Deutschland fällt in keine gute Zeit. Einmal befinden sich die Parteien bereits im Wahlkampf, sodass keine rechte Freude über den Gast aus Washington aufkommen kann: Bei der Regierungskoalition nicht, weil die einstmalige Lichtgestalt vieles von ihrem Charisma eingebüßt hat, bei der Opposition nicht, weil sie der Kanzlerin den hohen Besuch und dessen medienwirksamen Auftritt vor dem Brandenburger Tor gleichwohl neidet. Und die Friedensbewegung, die Linke, die Demokraten hier zu Lande haben erst recht keinen Grund, Barack Obama willkommen zu heißen.

Ein Friedensnobelpreisträger, der nach seinem Amtsantritt den Krieg in Afghanistan mit einer dramatischen Truppenaufstockung verschärfte, der in beispielloser Weise Kampfdrohnen zur physischen Vernichtung vermeintlicher Terroristen einsetzen ließ, was ihm in den USA den Namen „Drohnenpräsident“ einbrachte, der sein Versprechen, das Schandlager Guantánamo zu schließen, bis auf den heutigen Tag nicht einzulösen vermochte, der ohne jeden ersichtlichen Vorteil den Irakkrieg (immerhin) beendete, sich zugleich aber an einer neuen Aggression gegen Libyen beteiligte, der seine Geheimdienste weltweit schnüffeln lässt, der verdienstvolle „Whistleblower“ wie Bradley Manning mit einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe bedroht, der schließlich – wenn er sich nur traute – Syrien und Iran militärisch angreifen würde und – um das Sündenregister vorzeitig zu beenden – der das US-Atomwaffenarsenal modernisieren will, anstatt es abzuschaffen, wie er in seiner berühmten Prager Rede („nuclear zero“) noch prahlerisch verkündet hatte!

Einem solchen Präsidenten gebührt ein Empfang auf deutschem Boden, wie er seinen Vorgängern im Amt, George W. Bush oder weiland Ronald Reagan bereitet wurde. Zu erwarten ist allerdings, dass der Zorn über Obamas Kriegs- und Rüstungspolitik nur sehr schwach ausfallen wird. Das hat Gründe, die in zweierlei zu suchen sind: Viele Menschen haben inzwischen Mitleid mit dem vielfach gedemütigten US-Präsidenten, der weder im eigenen Land (siehe seine nur halbwegs zustande gekommene Gesundheitsreform) noch auf der Bühne der internationalen Politik eine besonders gute Figur abgibt. Weltpolitische „Akzente“ setzt Obama fast nur noch dadurch, dass er den schon unter Bush erreichten Hochrüstungsstand – 45 Prozent der weltweiten Militärausgaben entfallen auf die USA – aufrechterhalten hat und den Rest der Welt, insbesondere solche grausamen Diktaturen wie Saudi-Arabien mit Waffen Made in USA beglückt. Klimapolitik: Fehlanzeige, Einwanderungspolitik: Fehlanzeige, Nahostpolitik: Fehlanzeige.

Obama wird, vom G8-Gipfel in Irland kommend, ein paar Aufgaben für seine gelehrige Schülerin Merkel mitbringen. EU-Europa solle weiter mit harter Hand ihre Austeritätspolitik fortsetzen, die europäischen NATO-Partner sollen gefälligst ihre Militäretats erhöhen, die Bundesregierung und die Brüsseler Kommission mögen weiter an der Sanktionsschraube gegenüber Iran drehen und im syrischen Bürgerkrieg mehr für die bewaffneten Rebellen tun. Überhaupt sei nicht daran zu denken, im weltweiten Krieg gegen den Terror (den die US-Administration allerdings nicht mehr so nennt) nachzulassen. Die französische Intervention in Mali und ihre Unterstützung von Seiten der EU und der Bundesregierung seien wertvolle Beiträge in diesem Krieg in Regionen, welche die USA gern den Europäern überlassen. Die haben ja noch einschlägige Erfahrungen aus kolonialer Zeit. So könne sich Washington den Herausforderungen in Asien und der Pazifikregion widmen, die für den Wettlauf um die Hegemonie allemal entscheidender sein werden als die unappetitlichen Scharmützel in Afrika oder an der Südostflanke der NATO.

Von der deutschen Gastgeberin wird wenig Widerstand gegen die Agenda des Weltgendarmen zu erwarten sein. Die Kanzlerin ist im Gegenteil ein Herz und eine Seele mit Obama. Nichts wird also die Stimmung an einer so aufgeladenen historischen Stätte wie dem Brandenburger Tor beeinträchtigen. Außer vielleicht den unermüdlichen Friedensaktivisten, die schon am Vorabend des hohen Besuchs Obama die „rote Karte“ zeigen werden. Es sollten viele werden, damit die transatlantische Wertegemeinschaft wenigstens ein paar Kratzer erhält. Der an Frieden interessierte Teil der Welt, und das ist mit Sicherheit die große Mehrheit der Menschheit, wird es dankbar zur Kenntnis nehmen.

* Peter Strutynski ist Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag.

Dieser Gastkommentar erschien in gekürzter Form in: neues deutschland, Freitag, 14. Juni 2013



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