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Kriegsetat steigt

Analyse. Der militärisch-industrielle Komplex der USA zieht mit raffinierten Praktiken immer mehr Steuergelder für sich an Land. Rüstungslobbyisten wandern in die Obama-Administration

Von Dago Langhans *

Bezeichnend für die Entwicklung im US-amerikanischen Rüstungssektor in den vergangenen beiden Jahrzehnten ist eine unaufhaltsame Tendenz zur Konzentration. Deren Auswirkungen werden naturgemäß unterschiedlich interpretiert. Bei der den Demokraten nahestehen Denkfabrik Center for Strategic and Budgetary Assessments (CSBA), dem Zentrum für strategische und Haushaltsschätzung, widmen sich Experten schon seit längerem aufmerksam der Geschichte und den folgenreichen Auswirkungen der US-amerikanischen Militär- und Rüstungspolitik.

Bevor vom US-Kongreß die Etats der neuen Verteidigungshaushalte und der kontinuierlich bewilligten Zusatzetats für die aktuelle Kriegführung autorisiert bzw. akzeptiert werden, geben insbesondere die Analysen des CSBA wichtige Denkanstöße zur Bewertung militärpolitischer Entscheidungen der industriellen und politischen Elite des Landes.

Die letzte von Barry D. Watts vorgenommene Bestandsaufnahme der kriegswirtschaftlichen Anstrengungen fiel ernüchternd aus: »Die Politik der Regierung bestand im wesentlichen darin, die zukünftige Struktur der Rüstungsindustrie unangetastet zu belassen. Daraus resultierte die Entstehung von Versorgungsmonopolen bzw. -duopolen bei der Produktion von Rüstungsgütern. Zum Beispiel sind die sechs Marinewerften nun im Besitz der beiden großen Waffenkonzerne Northrop Grumman und General Dynamics. Lockheed Martin ist kurz davor, zum einzigen Kandidaten für Entwurf, Entwicklung und Produktion hochtechnologischer Kampfflugzeuge zu werden. Darüber hinaus ist Boeing inzwischen der einzige US-amerikanische Anbieter großer Transportflugzeuge, die umgebaut die veraltete Flotte von KC-135-Lufttankern ersetzen können. Diese Entwicklungen unterhöhlen einen gesunden Wettbewerb und engen die Auswahlmöglichkeiten des Militärs auf wenige Anbieter ein. Gründe genug, damit die Regierung ihre Laissez-faire-Haltung gegenüber der Verteidigungsindustrie aufgibt.«[1]

Die damit verbundene Kritik an »mangelndem Wettbewerb« kann die Tatsache allerdings nicht überdecken, daß sich die USA trotz internationaler Finanzkrise seit 2001 unter der ideologischen Vorgabe des »Krieges gegen den Terror« ihre globale militärpolitische Überlegenheit durch eine fortgesetzte, anhaltende Kriegsökonomie zu sichern versuchen. Bereits während des Vietnamkrieges war der marxistische Wirtschaftswissenschaftler Michael Kalecki als einer der ersten Analysten zu der Überzeugung gelangt, eine »imperiale Dreieckskonstellation« aus staatsfinanzierter Militärproduktion, Medienpropaganda und angenommenen, aber auch realen Beschäftigungseffekten sei zu einem tief verwurzelten, sich selbst reproduzierenden Muster der sozia­len Ordnung der Supermacht geworden. Das von ihm als Militär-Keynesianismus beschriebene Wirtschaftsmodell steht heute noch im Zentrum der Kritik durch herausragende Vertreter der US-amerikanischen Linken.[2]

Nach den vom US-Verteidigungsministerium im April veröffentlichten Details sieht der Pentagon-Haushalt 2010 ohne die Ergänzungskosten für die Kriegführung in Afghanistan und im Irak 534 Milliarden US-Dollar vor. Im Nachtragshaushalt werden für die Kampfeinsätze für 2009 75 Milliarden US-Dollar veranschlagt und für das nächste Jahr bereits 130 Milliarden für die Fortführung der Kriege am Tigris und am Hindukusch geltend gemacht. Auch wenn diesen sogenannten Basisberechnungen kaum zu trauen ist, ist damit der für 2010 vorgesehene Grundetat um vier Prozent höher ausgefallen als die zuletzt für das laufende Jahr festgesetzten Verteidigungsausgaben der abgewählten Bush-Administration. Allein mit dem für 2010 vorgeschlagenen Basisvolumen übertrifft der Pentagon-Haushalt der USA die zusammengerechneten Militäretats der nächstfolgenden 45 Staaten und macht erneut gut die Hälfte der globalen Rüstungsausgaben aus.

Unberücksichtigt bleiben bei dieser Arithmetik neben anderen Faktoren nach wie vor die Kosten zum Unterhalt des Nuklearwaffenkomplexes, die Aufwendungen für das »Heimatschutzministe­rium«, Kranken- und Unfallversicherung für das Militärpersonal und die gestiegene Zahl privater Auftragnehmer und - zentral, aber immer aus der Budgetdarstellung herausgehalten - die Kreditbelastung durch einen erhöhten Schuldendienst. In der Summe, kombiniert mit den Nachtragshaushalten, verdoppeln sich so die jährlichen Militärausgaben auf eine Billion Dollar. Das ist alles nicht neu und hat eine lange Tradition. Nach Bekanntgabe der Einzelheiten des Kriegshaushalts kletterten die Kurse der Rüstungsmonopole an der Wall-Street überdurchschnittlich nach oben.

Weil nur ein geringer Teil der annähernd 40 Einzelkomponenten des vorgeschlagenen Pentagon-Budgets aus Kürzungen besteht, seien die Befürchtungen, Kriegsminister Robert Gates unterminiere den gesamten Industriesektor, letztlich nichts anderes »als viel Lärm um nichts«, beteuerte Larry Korb, Militärspezialist des Center for American Progress.

Lobbyisten rühren Trommel

Bevor jedoch Anfang April von Gates, der von Präsident Barack Obama übernommene frühere Pentagonchef, der geplante Verteidigungshaushalt bekanntgemacht wurde, tobte im Vorfeld eine erbitterte Debatte. Anlaß dazu waren zahlreiche Spekulationen, welche der großen Rüstungsprojekte gekappt oder gestrichen werden. Im Gegensatz zum Wunschetat der Vereinten Stabschefs (Joint Chiefs of Staff), die im Herbst letzten Jahres 584 Milliarden US-Dollar verlangt haben, hatten die Haushaltsplaner des neuen Präsidenten vom Office of Management and Budget (OMB) den gewünschten Ausgaberahmen auf 527 Milliarden Dollar reduziert.

Die erzürnten Reaktionen der Rüstungslobby ließen nicht lange auf sich warten. Bereits im Januar zitierten die rechtsgewirkten FOX News einen »hochrangigen Pentagon-Beamten«, nach dessen Aussagen die US-Regierung Einsparungen in Höhe von 55 Milliarden Dollar im Verteidigungshaushalt einplane. Zeitgleich legte Max Boot, Militärexperte des einflußreichen Council on Foreign Relations nach: Gates habe die vom OMB geforderten Etatobergrenzen kritisiert und den Präsidenten gewarnt, wenn er diesen Haushaltsansatz nicht außer Kraft setze, »würde er nicht nur einen schrecklichen Schaden für unsere Streitkräfte anrichten, sondern ebenso sein sorgfältig kultiviertes Image als Moderator beschädigen«.

Parallel dazu forderte der neokonservative Chefideologe des Carnegie Endowment for International Peace, Robert Kagan, in seiner monatlichen Kolumne in der Washington Post, eine Kürzung der Verteidigungsausgaben um zehn Prozent habe katastrophale geopolitische Konsequenzen und signalisiere den Feinden der USA, daß »der amerikanische Rückzug begonnen hat«. Mit Hinweis auf die knapp eine Billion Dollar starken US-Konjunkturförderprogramme verlangte er eine Stärkung des Pentagon-Budgets. Ins gleiche Horn stieß der Militäranalyst Tom Donnelly von der neoliberalen Denkfabrik American Enterprise Institute. »Diese Form von Ausgaben machen nicht nur ökonomischen Sinn, sondern sie helfen auch, die seit langem auseinanderklaffende Schere zwischen den strategischen Aufgaben der USA und den Einsatzmitteln des Militärs zu schließen.« Der Militärkritiker Jim Lobe vermutet hinter diesen Initiativen eine abgestimmte Kampagne und verweist auf eine am 28. Januar im Wall Street Journal erschienene Analyse, nach der die wichtigsten US-Rüstungskonzerne bereits 2008 ihre Lobbyausgaben um bis zu 90 Prozent verstärkt haben.

Erwartungsgemäß werden neben dem Grund­etat für die Kriegführung in Afghanistan und Irak weitere Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt. Im sechsten Kriegsjahr behelfen sich nun Pentagon und Weißes Haus mit dem Trick des Nachtragshaushalts, der das ordnungsgemäße Verfahren der Haushaltsbewilligung aushebelt, wie die Wirtschaftswissenschaftler Joseph Stiglitz und Linda Bilmes in ihrem Standardwerk »Die wahren Kosten des Krieges« beschrieben haben (siehe jW-Thema vom 20.5.2008). »Die kriegsbedingten Nachtragsforderungen wurden oft bis zur letztmöglichen Minute geheimgehalten, so daß weder der Kongreß noch die Analytiker der Regierung im 'Office of Management and Budget' die Gelegenheit hatten, die Zahlen zu prüfen. In Anbetracht dieser mangelnden Transparenz ist es nicht weiter verwunderlich, daß es einerseits eine weitverbreitete Verschwendung von Haushaltsmitteln und überhöhte Zahlungen an private Auftragnehmer gab, gleichzeitig aber erhebliche Versäumnisse bei der Beschaffung grundlegender Ausrüstungsgüter und anhaltende Defizite in so wichtigen Bereichen wie der Gesundheitsversorgung der Kriegsveteranen.«

In seiner Ansprache an den US-Kongreß vom 24. Februar orientierte Präsident Obama auf neue Grundlinien der Rüstungsbeschaffung. Damals forderte er »eine Reform des Verteidigungshaushalts, weil wir nicht mehr für Waffensysteme aus der Zeit des Kalten Krieges zahlen müssen, die wir nicht brauchen.«

Teuerungsrate bis 127 Prozent

Einen radikalen Verriß der gesamten US-Militärpolitik liefert der emeritierte Politologie-Professor und frühere außenpolitische CIA- und Regierungsberater Chalmers Johnson: »Angesichts der ökonomischen Krise ist die geschätzte Billion Dollar, die wir jährlich für das Militär und seine Maschinerie ausgeben, schlichtweg nicht durchzuhalten. Selbst wenn die gegenwärtigen Finanzbeschränkungen nicht mehr existieren, hätten wir immer noch zuviel aus unseren Staatseinnahmen für zu wenige, zu teure, übermäßig komplexe Waffensysteme vergeudet, die bei einer tatsächlichen militärischen Bedrohung im Verteidigungsfall das Land einem miserablen Rüstungszustand überlassen. Wir sind mit einer doppelten Krise des Pentagon konfrontiert. Wir können uns nicht weiter den Anspruch leisten, die einzige Supermacht der Welt zu sein, und wir können es uns nicht leisten, ein System aufrechtzuerhalten, in dem der militärisch-industrielle Komplex fortgesetzt mit minderwertigen, schlecht entwickelten Waffensystemen im Geschäft bleibt.«[3]

Johnson macht zudem zwei zentrale Praktiken des aktuellen militärisch-industriellen Komplexes in den USA aus: »Front-Loading« und »Political Engineering«. Mit Front-Loading skizziert er die Vorausbewilligung von Geldern für Rüstungsprojekte, deren Einsatzfähigkeit einzig und allein auf den Zusicherungen der Firmenkoordinatoren, Pentagon-Beschaffer und Konzernlobbyisten beruht. Ohne direkten Nachweis wird dabei zugesagt, die notwendigen technischen Herausforderungen seien bereits erfüllt oder einfach zu bewältigen. Das geschieht, lange bevor Prototypen entwickelt bzw. getestet wurden. Ausnahmslos ist diese Methode mit einer systematischen, jedoch unrealistischen Angabe von niedrigen Einzelpreisen des Waffensystems verknüpft. Als weitere verbreitete Praxis beschreibt Johnson das Political Engineering. Trotz zunehmender Monopolisierung der Waffenindustrie wird die Produktion von Rüstungsgütern auf Standorte in möglichst vielen Wahlbezirken verteilt. Mit dem Hinweis auf Arbeitsplatzsicherung werden so Wähler, Kongreßabgeordnete und Senatoren auf vorausbewilligte Rüstungsprogramme verpflichtet, deren reale Kosten die Anfangskalkulation um ein Mehrfaches übersteigen.

Johnson stützt sich in seiner Kritik auf die regelmäßig vorgelegten Berichte der Innenrevision des Pentagon und vor allem auf die Veröffentlichungen des US-Rechnungshofes (GAO). Nicht zum ersten Mal wird mit dem neuen GAO-Report vom 30. März die US-Wehrbeschaffung gründlich bilanziert.[4] Seit 2003 ist demnach die Anzahl bedeutender US-Rüstungsvorhaben von 77 auf 96 angestiegen. Allerdings stünden erst bei 33 dieser Programme »vollständig konfigurierte, integrierte und produktionsreife Prototypen« vor der Testphase. Einen Abschluß der Tests und einen geplanten Produktionsbeginn hätte darüber hinaus nur von 17 Projekten gemeldet werden können. Entgegen dem anfänglich von der Industrie zugesagten Kostenrahmen monierten die Prüfer Kostensteigerungen im Gesamtwert von 296 Milliarden Dollar. Für das Haushaltsjahr 2008 entstanden so Verteuerungen von 40 Prozent, und für das Haushaltsjahr 2009 wird ein Preisanstieg von 42 Prozent berechnet. Ebenso arg sieht es mit Lieferverzögerungen aus. Im aktuellen Rechnungsjahr 2009 liegen Forschung, Entwicklung, Test und Auslieferung durchschnittlich 22 Monate hinter dem Plan. Auf den ersten Blick erscheint die Steigerung von Beschaffungskosten für die zehn teuersten Beschaffungsprojekte in Höhe von 13 Prozent noch als überschaubar. Der US-Militärexperte Winslow T. Wheeler vom Center for Defense Information verweist hingegen auf eine inzwischen durchschnittliche Verminderung des Bestellvolumens von 32 Prozent. »Das bedeutet, daß wir mehr zahlen für weniger Waffensysteme. Mit dem Anwachsen jährlicher Steigerungen von Zusatzkosten für weniger Programme ist der Teuerungseffekt für einen mittlerweile geschrumpften Militärapparat überwältigend. Dieser Trend bestätigt sich auch bei den von der GAO berechneten Teuerungsraten zwischen 38 und 127 Prozent pro einzelner Produktionseinheit.«[5]

Der noch amtierende Beschaffungschef des Pentagon, John Young, wies die Untersuchung der Rechnungsprüfer unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung zurück, denn dort würden die Programmkosten unnötig »zu einer Sensation aufgebauscht«.

Personenkarussell dreht sich

Wie bei jedem Regierungswechsel in den USA lohnt sich erneut der Blick auf die personellen Veränderungen. Nichts bestätigt präziser den sogenannten Drehtüreffekt, den Elitenaustausch zwischen Administration, Kriegsapparat, Wissenschaft und Militär- bzw. Sicherheitsindustrie, als die aktuellen personellen Umschichtungen nach der Wahl Obamas zum Präsidenten. Mit der Übernahme des Rumsfeld-Nachfolgers Robert Gates, der sich in der letzten Amtszeit von ­Bush als Organisator bewährt hat, setzte Obama ein erstes Zeichen in Richtung des militärisch-industriellen Komplexes der USA, daß es so schlimm schon nicht werde. Bemerkenswert ist in diesem Sinn die Berufung von William J. Lynn zum stellvertretenden Verteidigungsminister. Lynn stammt aus dem Topmanagement des Rüstungsgiganten Raytheon und kennt aus früheren Berufserfahrungen als Senatsmitarbeiter und Rechnungsprüfer beim Pentagon sein aktuelles Arbeitsfeld bestens. Lynn war offiziell als Lobbyist der Waffenindustrie von 2003 bis 2008 registriert. Nach Lynns Vorstellung beim Streitkräfteausschuß des US-Senats monierte die demokratische Senatorin Claire McCaskill aus Missouri: »Da läuft ein inzestuöses Geschäft nach den Vorgaben der Rüstungsfirmen, des Pentagon und der militärischen Elite.«

Von anderem Kaliber hingegen ist der Etatexperte Steven Kosiak vom bereits eingangs erwähnten Think-tank Center for Strategic and Budgetary Assessments (CSBA). Bereits im Januar hatte Gates angekündigt, daß der Haushaltsanalytiker des CSBA Kosiak in das OMB berufen wird. Dieser hatte sich mit vielfältigen Studien als Experte für Fragen des Militärbudgets erwiesen und war als Direktor zum CSBA gewechselt, nachdem er bereits wichtige Erfahrungen im Center for Defense Information gesammelt hat.

Zu den weiteren Neuzugängen der Obama-Truppe zählt Michele Flournoy. Die frühere Präsidentin des militärpolitischen Think-tank Center for a New American Security (CNAS) gehörte bereits während des Wahlkampfs zu den sicherheitspolitischen Beratern Obamas. Während der Amtszeit William Clintons arbeitete sie für das US-Verteidigungsministerium und bastelte dort gleich mehrmals an der strategischen Ausrichtung der US-amerikanischen Außenpolitik. Ihre Handschrift wird sich auch sicherlich bei dem aktuellen, vierjährig vorgelegten Quadrennial Defense Review erneut zeigen. Mit dieser Rahmenplanung werden die kurz-, mittel- und langfristigen Empireorientierungen im außenpolitischen und rüstungswirtschaftlichen Bereich festgelegt.

Die Karrierechancen der alten Garde aus der Bush-Administration sehen allerdings auch keineswegs schlecht aus. So berichtete David Hubler im Online-Branchendienst über einige interessante Entwicklungen. Zu den rasantesten Durchstartern der früheren Bush-Garde gehört sicherlich dessen früherer Heimatschutzminister Michael Chertoff. Nach dem Ende seiner Dienstzeit im Januar gründete er bereits im März in der US-Hauptstadt die Chertoff Group, die sowohl der Wirtschaft als auch Regierungsstellen ihre Beratungsdienste in Sachen Sicherheit und Risikomanagement anbietet. Als Direktoren des jungen Unternehmens wurden Chertoffs ehemaliger Vizeminister Paul Schneider und die früheren Staatssekretäre des Heimatschutzministeriums Charles Allen und Admiral Jay Cohen berufen.

Der neueste Coup der Chertoff Group besteht darin, den früheren Oberchef aller US-Geheimdienste, Michael Hayden, ebenfalls in die Managementspitze zu hieven. Hayden war unter Bush von 1999 bis 2005 Direktor der Security Agency. Dieser größte Nachrichtendienst der USA konzentriert sich auf Kontrolle, Überwachung, Ver- und Entschlüsselung globaler elektronischer Kommunikation. Die Nationale Sicherheitsbehörde ist organisatorisch dem Pentagon unterstellt, arbeitet aber ebenso direkt dem Geheimdienstzaren der US-Intelligence Community, dem Nationalen Sicherheitsberater, zu. Von 2006 bis 2009 avancierte Hayden zum Chef der CIA.

Einen ähnlichen Karriereweg wie Hayden, Chertoff und Co. schlug der seinerzeitige Vertraute von Kriegsminister Donald Rumsfeld, Stephen Cambone, ein. Cambone gilt als Hauptverantwortlicher für die Entwicklung eines Parallelgeheimdienstes zur CIA im Pentagon. Nach Rumsfelds unrühmlichem Abgang 2006 wechselte Cambone in den lukrativen Job als Vizepräsident zu einem Unternehmen namens QinetiQ North America. Diese Firma war mit Geldern der auf Finanzinvestitionen in Rüstungsfirmen spezialisierten Beteiligungsgesellschaft Carlyle aus dem Umfeld des britischen Verteidigungsministeriums teilprivatisiert worden.

Verwunderlich ist es nun nicht, wenn nach Angaben der US-Bürgerrechtsorganisation ACLU die supergeheime Rumsfeld-Truppe sich unter dem Deckmantel der Terrorabwehr der Überwachung von Friedensaktivisten, Menschenrechtsinitiativen und Wehrdienstverweigerern gewidmet hat. QinetiQ-Boß Cambone erhielt nun aus dem Pentagon einen Auftrag für nicht näher spezifizierte »Sicherheitsaufgaben« im Wert von 30 Millionen Dollar für die umstrittene Abwehrtruppe, die er als Pentagon-Mitarbeiter selbst mit ins Leben gerufen hat.

Die zehn teuersten Waffensysteme der USA

  • FCS Future Combat System, Prestigeprojekt der US-Army im Wert von 200 Milliarden USDollar, Entwicklung von 14 verschiedenen Fahrzeugtypen inklusive modernster Computervernetzung, u. a. sollen langfristig die schweren Panzersysteme M-2 Bradley und M-1 Abrams ersetzt werden; vorläufig eingestellt und grundlegende Neuüberprüfung, im März 2002 wurden Boeing und Science Applications International Corporation (SAIC) als Hauptentwickler beauftragt
  • SSN-774 Atom-U-Boot der Virginia-Klasse, Hersteller: u. a. General Electric, Northrop Grumman; Einzelpreis: 2,6 Milliarden US-Dollar
  • CVN-21 neu entwickelter Flugzeugträgertyp, soll ab 2015 in Dienst gestellt werden, Hersteller: u. a. Northrop Grumman, bisherige Kostenschätzung des Prototyps: 8,1 Milliarden US-Dollar
  • D-5 U-Boot gestützte Interkontinentalrakete des Typs Trident II, ausrüstbar mit bis zu 16 atomaren Mehrfachsprengköpfen, Generalvertragspartner: Lockheed Martin; ab 1990 in Betrieb auch bei der britischen Royal Navy, Einzelpreis: zirka 31 Millionen US-Dollar
  • P-8A Seefernaufklärungsflugzeug, geplante Produktion für die US-Navy 108 Stück, Generalvertragspartner: Boeing, Einzelpreis: zirka 200 Millionen US-Dollar
  • F-18E/F Jagd- und Angriffsflugzeug, seit 2002 im Einsatz bei der US-Navy, Hersteller: Boeing, Einzelpreis: 55 Millionen US-Dollar
  • F-22 Kampfflugzeug, Produktion eingefroren, Hersteller: Boeing und Lockheed Martin, bisher ausgeliefert 183 Stück, Einzelpreis: 350 Millionen US-Dollar
  • F-35 Mehrzweckkampfflugzeug mit drei Modelltypen für die Marine, Luftwaffe und die Marineinfanterie, Generalvertragspartner: Lockheed Martin, Einzelpreis: 230 Millionen US-Dollar
  • C-17 Langstreckentransporter, Produktion eingefroren; Hersteller: Boeing, bisher ausgeliefert 205 Stück, Einzelpreis: 220 Millionen US-Dollar
  • V-22 Osprey (Seeadler), Kipprotorflugzeug mit vertikaler Start- und Landefähigkeit, trotz zahlreicher Unfälle in Serienproduktion, Generalvertragspartner: Boeing, geplantes Produktionsziel 458 Flugzeuge, die erste Staffel von zehn V-22 befindet sich im Kampfeinsatz im Irak, Einzelpreis: 86 Millionen US-Dollar


Anmerkungen
  1. Barry D. Watts: The US Defense Industrial Base - Past, Present and Future, www.csbaonline.org/4Publications/PubLibrary/R.20081015._The_US_Defense_In/R.20081015._The_US_Defense_In.pdf
  2. John Bellamy Foster/Hannah Holleman/Robert W. Chesny: The U.S. Imperial Triangle and Military Spending, Monthly Review, Heft Oktober 2008
  3. Chalmers Johnson: The Looming Crisis at the Pentagon, Tom Dispatch vom 2.2.3009
  4. www.gao.gov/new.items/d09326sp.pdf
  5. Winslow T. Wheeler: GAO's New Cost Report and One Man's Legacy, Straus Military Reform Project vom 8.4.20
Aus: junge Welt, 26.05.2009


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