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Todesschütze von Florida angeklagt

Ermordung des afroamerikanischen Teenagers Trayvon Martin sorgt weiter für Debatten

Von Max Böhnel, New York *

Fast sieben Wochen nach dem Mord an dem afroamerikanischen Jugendlichen Trayvon Martin in Florida ist gegen den Täter George Zimmerman am Mittwoch (11. April) endlich Anklage erhoben worden.

Der Fall sorgte für nationales und internationales Aufsehen. In zahlreichen USA-Städten demonstrierten Jugendliche und Bürgerrechtler, unterstützt von der Familie Martin und antirassistischen Organisationen, wochenlang für die Festnahme von George Zimmerman. Der 28-jährige Schütze, der den unbewaffneten Teenager Trayvon Martin am 26. Februar unter Berufung auf ein ominöses Notwehrgesetz im Bundesstaat Florida tödlich getroffen hat, stellte sich jetzt nach der Anklageerhebung. Er muss sich wegen Mordes mit bedingtem Vorsatz verantworten. Die Höchststrafe dafür lautet lebenslange Haft.

Neben der Staatsanwaltschaft in Florida stellt das Washingtoner Justizministerium eigene Ermittlungen an. Zimmerman war nach der Tötung von Trayvon Martin von der örtlichen Polizei von Sanford, einem Vorort von Orlando, kurz in Gewahrsam genommen worden. Als er zugab, die Schüsse auf den 17-Jährigen abgegeben, dabei aber in seiner Funktion als Angehöriger einer freiwilligen Bürgerwehr aus Notwehr gehandelt zu haben, ließen ihn die Beamten wieder frei. Zimmerman berief sich offenbar auf ein Notwehrgesetz. Der Junge war in der Nacht während der Pause eines Basketballspiels losgezogen, um sich Süßigkeiten an einem Kiosk zu kaufen, und hatte dabei eine bewachte Wohnanlage passiert, wo er auf den bewaffneten Zimmerman stieß.

Das Gesetz namens »Stand your ground« besagt, dass, wer sich in irgendeiner Weise von einer anderen Person bedroht fühlt, nicht zu weichen brauche und sich mit Gewalt »wehren« dürfe. Es existiert in ähnlicher Form in 21 Bundesstaaten. Der Freifahrtsschein zum Ziehen der Waffe gilt dabei über den eigenen Grund und Boden hinaus. Das Gesetz war in Florida 2005 vom republikanischen Gouverneur Jeb Bush, dem Bruder von Ex-Präsident George W. Bush, unterzeichnet worden. Mitgeschrieben hatten es Anwälte der Waffenlobby »National Rifle Association« (NRA). Viele Angehörige von privaten Sicherheitsdiensten und Bürgerwehren, die auf dieser Grundlage operieren, seien »gefährlich und gewalttätig«, sagte Caroline Brewer von der »Brady Campaign to Prevent Gun Violence«, einer Lobbygruppe, die für striktere Waffengesetze eintritt.

»Endlich, 45 Tage nach der Tat, beginnen sich die Räder der Justiz zu drehen«, erklärte jetzt der Vorsitzende der Bürgerrechtsvereinigung NAACP, Benjamin Todd. Trayvon Martin sei zuerst wegen seines Aussehens erschossen und dann, als es um den Täter ging, von der Polizei mit Füßen getreten worden. Deutliche Systemkritik übte auch der Vorsitzende der Bürgerrechtsvereinigung ACLU von Florida, Howard Simon. Die Ermittlungen zur Festnahme Zimmermans seien »nur erfolgt, weil die Menschen demonstrierten, sich austauschten, beteten, auf die Straße gingen und das Strafrechtssystem zwangen, genau hinzusehen«. Die Sonderstaatsanwältin Angela Corey, die mit den Ermittlungen betraut ist, behauptete dagegen am Mittwochabend, die Festnahme sei keineswegs aufgrund des öffentlichen Drucks erfolgt.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 13. April 2012


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