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Anhörung im Fall Manning

US-Militärgericht will im Dezember zusammentreten. Proteste angekündigt

Von Jürgen Heiser *

In den Fall des »Whistleblowers« Bradley Manning kommt Bewegung. Wie der Kommandeur des Militärbezirks Washington D.C. kürzlich bekanntgab, wurde für den 16. Dezember eine erste gerichtliche Anhörung anberaumt. Das Militärgericht wird in Fort Meade im US-Bundesstaat Maryland unweit der US-Hauptstadt tagen. Das Solidaritätsnetzwerk für den Obergefreiten Bradley Manning kündigte daraufhin eine landesweite Mobilisierung an. Man werde vor den Toren von Fort Meade präsent sein, wenn Manning dort am 16. Dezember eintrifft. Auch am 17. Dezember, einem aus Anlaß des 24. Geburtstags des Obergefreiten schon länger geplanten Aktionstag, werde man vor dem Militärkomplex den Protesten Ausdruck verleihen.

Das Pentagon wirft Manning vor, auf seinem Posten als Nachrichtenanalyst der US-Armee in Irak Tausende interne Dokumente der US-Armee und des Außenministeriums an die Enthüllungsplattform Wikileaks weitergegeben zu haben. Damit habe er »den Feind unterstützt« und Hochverrat begangen. Nach seiner Verhaftung in Bagdad Ende Mai 2010 hielt das Pentagon Manning über neun Monate auf der Militärbasis Quantico in Virginia in Isolationshaft. Erst nach internationalen Protesten wurde er im April 2011 in das Militärgefängnis Fort Leavenworth in Kansas verlegt, wo seine Haftbedingungen gelockert wurden.

In der Anhörung wird Manning zum ersten Mal seinen Anklägern gegenüberstehen. Eine Presseerklärung der US-Armee dokumentiert deren Verurteilungswillen. Dort heißt es, bei einem Schuldspruch in allen Anklagepunkten erwarte Manning »als Höchststrafe seine Degradierung, Verlust aller Bezüge und Privilegien, lebenslange Haft und die unehrenhafte Entlassung aus der Armee«.

Die Anhörung nach Paragraph 32 des Uniform Code of Military Justice (Einheitliches Gesetzbuch der Militärgerichtsbarkeit) zielt darauf ab, vor der Hauptverhandlung festzustellen, ob die erhobenen Vorwürfe Bestand haben würden. Erst in Vorbereitung der Anhörung erhält die Verteidigung umfängliche Akteneinsicht. Sie kann eigene Zeugen benennen und die von der Anklage präsentierten Zeugen ins Kreuzverhör nehmen.

Mannings Anwalt David Coombs erklärte in einem Internetblog, die Anhörung sei auf fünf Tage angesetzt und öffentlich, ausgenommen während der Verlesung als geheim eingestufter Schriftstücke. Unterstützt von Sachverständigen, werde seine Sozietät den Mandanten »in der Anhörung bestmöglich vertreten«, so Coombs. Durch tägliche Pressemitteilungen werde man die Solidaritätsbewegung auf dem laufenden halten und den Medien dazu verhelfen, »korrekte Informationen über den Fall zu verbreiten«.

Daniel Ellsberg, der 1971 die Pentagon-Papiere über die gezielte Irreführung der US-amerikanischen Öffentlichkeit in bezug auf den Vietnamkrieg veröffentlicht hatte und heute gemeinsam mit Wissenschaftlern, Prominenten und weiten Teilen der »Occupy Wall Street«- Bewegung Bradley Manning unterstützt, erklärte zur Anhörung, Manning werde beschuldigt, illegales Handeln der US-Regierung enthüllt zu haben, »das dem amerikanischen Volk aber unbedingt zur Kenntnis gebracht werden mußte«. Der Regierung Barack Obamas fehle »der Mut, sich mit Verbrechen und Ungerechtigkeiten auseinanderzusetzen, die jetzt entlarvt sind«.

Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Juan Mendez, bemüht sich unterdessen weiter um einen unüberwachten Besuch bei Bradley Manning, der ihm vom Pentagon seit 2010 verwehrt wird. Hinter der Weigerung vermutet das »Bradley-Manning-Support-Network« die Befürchtung offizieller Stellen, das Verfahren gegen Manning einstellen zu müssen, wenn seine Haftbedingungen als Verstoß gegen UN-Konventionen und damit gegen die US-Verfassung gewertet würden.

* Aus: junge Welt, 28. November 2011


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