Recht auf Öffentlichkeit
Journalistengruppe um Julian Assange will vor US-Bundesgericht Zugang der Medien zu Dokumenten im Bradley-Manning-Prozeß einklagen
Von Jürgen Heiser *
Mitte vergangener Woche hat eine Gruppe Journalisten um den Wikileaks-Gründer Julian Assange im Fall des »Whistleblowers« Bradley Manning Klage gegen das US-Verteidigungsministerium erhoben. Ziel der Zivilklage vor einem US-Bundesgericht ist das Recht der Medien auf Zugang zu allen grundlegenden Dokumenten in Mannings Militärgerichtsverfahren, das am 3. Juni in Fort Meade, Maryland, beginnen soll. Vor einem Berufungsgericht der US-Militärjustiz war die dort schon seit letztem Jahr anhängige identische Klage vor einem Monat abgewiesen worden.
Julian Assange, der seit fast einem Jahr politisches Asyl in der Londoner Botschaft Ecuadors genießt, Glenn Greenwald vom britischen Guardian, Amy Goodman von »Democracy Now!« und das US-Magazin The Nation werden bei ihrer Klage vom »Center for Constitutional Rights« (CCR) unterstützt. Shayana Kadidal, Anwältin der US-Bürgerrechtsorganisation, erklärte gegenüber dem Nachrichtenportal Huffington Post, die Zivilkammern der Bundesgerichte seien für ihre Mandanten die letzte Möglichkeit, juristisch etwas zu erreichen. »Sollten wir mit dieser Klage scheitern, wird Mannings Prozeß unter Bedingungen stattfinden, die es anwesenden Journalisten und der Öffentlichkeit praktisch unmöglich machen wird, dem Verfahren inhaltlich zu folgen«, so die Juristin.
Das Militärgericht hatte den Medien, die in knapp anderthalb Jahren 14 Sitzungsperioden der vorgerichtlichen Anhörungen verfolgt hatten, nur 85 von insgesamt über 500 Anträgen von Verteidigung und Anklage und Gerichtsbeschlüssen im Wortlaut zur Verfügung gestellt. Zudem hatte die vorsitzende Richterin Denise Lind am 21. Mai in der letzten Anhörung vor Beginn des Hauptverfahrens angekündigt, daß der Prozeß aus Geheimhaltungsgründen zeitweise unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfinden wird (jW berichtete). Das »Bradley Manning Support Network« kritisierte in diesem Zusammenhang den »halbherzigen Versuch des Pentagon«, zwar extra einen »Leseraum« für die Verfahrensdokumente im Gerichtsgebäude einzurichten, aber nur rund 17 Prozent der Dokumente ausgelegt »und seit 15. März keine neuen hinzugefügt zu haben«.
Für das CCR erklärte Shayana Kadidal, die Klage beziehe sich auf Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs der USA, der zum Thema Prozeßöffentlichkeit immer wieder betont habe, daß damit nicht nur das »öffentliche Bewußtsein« über ein Gerichtsverfahren gemeint sei, sondern auch die »genaue Darstellung der Beweisaufnahme und endgültiger Entscheidungen«. Die US-Verfassung fordere deshalb »zeitnahen Zugang zu Dokumenten und Vorgängen in Militärgerichtsprozessen« während des laufenden Verfahrens. Selbst der »nur zeitweise Entzug« dieses Rechts stelle nach Auffassung des höchsten US-Gerichts »einen irreparablen Schaden« dar, so Kadidal.
Die Journalistengruppe kündigte unterdessen an, unmittelbar nach Beginn des Manning-Prozesses vor dem zuständigen Bezirksgericht des US-Bundesstaats Maryland einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung einzureichen. Jeremy Scahill, Korrespondent für nationale Sicherheit von The Nation, kritisierte die »Kultur extremer Geheimhaltung«, von der die Amtszeiten von US-Präsident Barack Obama und seines Vorgängers George W. Bush geprägt seien. Damit würden die »grundlegenden Prinzipien von Transparenz und Pressefreiheit unterminiert«, die wesentliche Bestandteile einer demokratischen Gesellschaft und rechtsstaatlicher Verfahren seien.
Der 25jährige Obergefreite Manning, Nachrichtenanalyst der US-Armee, wurde im Mai 2010 verhaftet und angeklagt, mehr als 700000 militärische Dokumente und Depeschen des US-Außenamts an die Enthüllungsplattform Wikileaks weitergereicht zu haben, um die Öffentlichkeit über die Kriege in Afghanistan und Iraks aufzuklären. Die Ankläger des Pentagon wollen ihn dafür lebenslang hinter Gitter bringen.
* Aus: junge Welt, Montag, 27. Mai 2013
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