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Obama sieht "nationale Krise"

Plan des US-Präsidenten soll Wirtschaft beleben und Arbeitslosigkeit senken

Von Max Böhnel, New York *

Um die USA-Konjunktur anzukurbeln und die massive Arbeitslosigkeit zu dämpfen, hat Präsident Barack Obama in einer Rede vor dem Kongress, die von zahlreichen Fernsehsendern live übertragen wurde, ein Paket von 447 Milliarden Dollar vorgeschlagen.

Der »American Jobs Act« müsse »jetzt« und »sofort« verabschiedet werden, forderte US-Präsident Obama mehrmals von den versammelten Abgeordneten und Senatoren. Denn es handle sich um eine »nationale Krise«. Die Volksvertreter seien aufgefordert, »den politischen Zirkus zu stoppen und tatsächlich etwas zu tun, um der Wirtschaft zu helfen«.

Das vorgeschlagene Konjunkturpaket enthält Steuererleichterungen, darunter eine Lohnsteuersenkung für Arbeiter und Angestellte, Ausgaben für Infrastruktur, Finanzhilfen für Bundesstaaten und eine Verlängerung der Arbeitslosenhilfe.

Starker Applaus brandete sowohl von Demokraten wie von Republikanern auf, als Obama die Schaffung von Arbeitsplätzen für heimkehrende Kriegsveteranen und Mittel für ein »Verkehrsystem von Weltklasse« anmahnte. Bei der Mehrzahl der Forderungen Obamas beschränkte sich der Applaus allerdings auf die Demokraten, während die Republikaner wie versteinert wirkten.

Ob sich das Konjunkturprogramm in seiner Gesamtheit und ohne zusätzliche Bedingungen, die sich kontraproduktiv auswirken würden, im Kongress durchsetzen lässt, ist fraglich. Denn die Republikaner versuchen, 14 Monate vor den Präsidentschaftswahlen die Job- und Wirtschaftskrise Obama anzuhängen. Der Rechtsaußenflügel der Partei, der die Rolle des Staates auf das Militär begrenzen will, wie auch die Anti-Obama-Aktivisten der »Tea Party« gönnen Obama und den Demokraten keinerlei Erfolg. Die Rechten wissen, dass des Präsidenten Umfragewerte auf einem Tiefststand sind.

Ein Befreiungsschlag war die Rede trotzdem nicht. Das war schon zuvor deutlich geworden, als das Weiße Haus die ersten vorgeschlagenen Zahlen durchsickern ließ. Zum einen beträgt die Konjunkturspritze, die den Arbeitsmarkt wiederbeleben soll, nur etwas mehr als die Hälfte des sogenannten Stimulus-Programms vom Februar 2009.

Selbst wenn Obama die knapp 450 Milliarden Dollar durch den Kongress bringt, ist zweifelhaft, ob die Summe angesichts der offiziellen Arbeitslosigkeit von 9,1 Prozent überhaupt etwas bewegen kann. Das unabhängige »Economic Policy Project« hat beispielsweise errechnet, dass eine Spritze von 640 Milliarden Dollar das Minimum ist. Während das Weiße Haus glaubt, dass der Obama-Plan im nächsten Jahr ein bis zwei Prozent zum Bruttosozialprodukt hinzufügen wird, gab sich der Wirtschaftsprofessor an der Harvard-Universität Jeffrey Liebman, ein Ex-Obama-Berater, pessimistisch. Um die Arbeitslosenquote auf 7 Prozent zu drücken, sei ein Wachstum von 4,5 Prozent in zwei aufeinander folgenden Jahren nötig.

Bei manchen USA-Linken stieß Obama mit seiner Rede zum ersten Mal seit Monaten wieder auf Zustimmung. In der Wochenzeitschrift »The Nation« hieß es, trotz aller Unzulänglichkeiten habe sich ein Präsident gezeigt, der »sich direkt an die amerikanische Bevölkerung wendet und sich nicht scheut, Federn zu rupfen«. Darauf habe man seit Langem gewartet.

* Aus: Neues Deutschland, 10. September 2011


"Wir können sofort Maßnahmen ergreifen, um das Leben der Menschen zu verbessern"
US-Präsident Obama legt dem Kongress ein Gesetzespaket "American Jobs Act (AJA)" vor - Seine viel beachtete Rede vom 8. September im Wortlaut (deutsch)



Jobkrise

Von Olaf Standke **

Es gehe hier nicht um seinen Job, versicherte Barack Obama gleich am Anfang seines mit Spannung erwarteten Auftritts im Kongress, sondern um jene zig Tausende im Lande, die ohne Arbeit sind. Und der Präsident schwang kräftig den rhetorischen Hammer: Von »nationaler Krise« war angesichts der Wirtschaftslage die Rede, und an die Konservativen erging der Appell, den »politischen Zirkus« endlich zu beenden und mitzuziehen beim Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Und so tauchen in seinem »American Job Act« auch immer wieder republikanische Versatzstücke auf. 450 Mrd. Dollar (321 Mrd. Euro) schwer ist dieses Konjunkturpaket. Es soll durch die Senkung von Sozialabgaben, Investitionen in die Infrastruktur und Steuervergünstigungen für Unternehmen Arbeit schaffen für Bauarbeiter, Kriegsveteranen, Langzeitarbeitslose – und das alles ohne neue Schulden. Will der Präsident dieses Gesetz durch den Kongress bringen, braucht er die Stimmen des politischen Gegners. Der hat jenseits des ultrarechten Tea-Party-Flügels dieses Mal zwar nicht gleich alles in Bausch und Bogen verdammt, aber kräftig Skepsis gestreut. Denn auch für Obama ist die Initiative wohl die letzte Chance, bei diesem wahlentscheidenden Thema wieder aus dem Umfragetief zu kommen – und seinen Job im Weißen Haus zu retten. Noch nie wurde eine USA-Präsident bei über sieben Prozent Arbeitslosigkeit wiedergewählt. Derzeit liegt die Quote bei mehr als neun Prozent.

** Aus: Neues Deutschland, 10. September 2011 (Kommentar)


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