Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Hagel muß warten

USA: Republikaner blockieren den Einzug ihres Parteifreundes in das Pentagon

Von Knut Mellenthin *

Der von Präsident Barack Obama als nächster Verteidigungsminister der USA nominierte Republikaner Charles Timothy »Chuck« Hagel muß weiter auf seine Bestätigung durch den Senat warten. Ein Antrag des demokratischen Fraktionsführers Harry Reid, die Diskussion zu beenden und über Hagels Ernennung abzustimmen, erhielt am Donnerstag (Ortszeit) nur 58 Stimmen statt der hierfür benötigten 60. 40 republikanische Senatoren stimmten gegen einen Schluß der Debatte, da zuvor noch verschiedene offene Fragen beantwortet werden müßten. Diese beziehen sich unter anderem auf Einkünfte Hagels durch wirtschaftliche Tätigkeit und Nebeneinkünfte durch Vorträge und Reden.

Vier Republikaner hatten mit der demokratischen Mehrheit gestimmt, die über 55 Senatssitze verfügt. Reid selbst hatte aus verfahrenstechnischen Gründen gegen seinen eigenen Antrag votiert. Die nächste Abstimmung des Senats über Hagels Nominierung soll am 26. Februar stattfinden. Die Besetzung einer Reihe von Schlüsselpositionen durch den Präsidenten – dazu gehören neben dem Pentagonchef auch der Außenminister und der Leiter des Auslandsgeheimdienstes CIA – bedarf stets der Zustimmung durch das Oberhaus des US-Kongresses.

Obamas Kandidat für das Pentagon wird von Neokonservativen, Republikanern und Israel-Lobbyisten als »politisch unzuverlässig« betrachtet. Der 66jährige Vietnam-Veteran hatte den Irak-Krieg von Präsident George W. Bush zwar anfangs gutgeheißen, später aber scharf kritisiert. Er hat vor einseitigen, nicht vom gesamten UN-Sicherheitsrat getragenen Sanktionen gegen Iran gewarnt, sich sehr skeptisch über die Auswirkungen einer militärischen Konfrontation geäußert sowie sich für Verhandlungen ohne Vorbedingungen und Ultimaten ausgesprochen. Die USA sollten den Iran, so Hagel vor sechs Jahren in einem Vortrag, als einen strategisch wichtigen Faktor in der Region respektieren. Der Querdenker hat sich außerdem dadurch verdächtig gemacht, daß er etlichen von den Israel-Unterstützern lancierten Senatsresolutionen nicht zustimmte und in einem Interview sogar einmal bemerkte: »Die jüdische Lobby schüchtert eine Menge Leute ein.«

Die teilweise hysterischen Angriffe auf Hagel haben viele Kritiker Israels zu der fragwürdigen Annahme verleitet, er sei politisch mehr oder weniger »ihr Mann« und seine Nominierung durch Obama deute sogar eine entscheidende Wende der US-amerikanischen Außenpolitik an. Tatsächlich gibt es jedoch für eine Revision der Nahost-Politik Obamas oder für eine Abkehr vom Konfrontationskurs gegen Iran keine tragfähigen Indizien. In den stundenlangen Kreuzverhören durch mehrere Senatsausschüsse hat Hagel etlichen früheren Äußerungen abgeschworen und sich der herrschenden Linie und Sprachregelung unterworfen.

Die Senatsabstimmung vom Donnerstag wird von den meisten Medien als »Filibuster« bezeichnet. Führende republikanische Politiker wie Senator John McCain bestreiten das. Der Verfahrenstrick des Filibuster – ursprünglich die Verzögerung einer Abstimmung durch eine endlos lange Rede – wurde in der Vergangenheit nur sehr selten in Nominierungsdebatten und überhaupt noch nie in der Abstimmung über einen Verteidigungsminister angewandt. Die Republikaner erscheinen in dieser Frage gespalten zwischen einer Mehrheit, die aus unterschiedlichen taktischen Gründen lediglich eine kurze Verzögerung der Bestätigung Hagels und eine Demütigung Obamas anstrebt, und einer aggressiven Minderheit, die wirklich Hagels Weg in das Pentagon blockieren will. Wortführer dieser Gruppe ist der 42jährige Ted Cruz aus Texas, ein Neuling im Senat und erklärter Liebling der Tea-Party-Rechten. Als Sohn eines Kubaners steht er der antikommunistischen Exil-Lobby nahe, als Karrierist spielt er den kommenden Bannerträger Israels im Kongreß. Es scheint eine neuentdeckte, noch sehr heiße Liebe zu sein: Sein Israel-Besuch im Dezember war sein erster überhaupt, aber schon im Januar zog es ihn erneut dorthin.

* Aus: junge Welt, Samstag, 16. Februar 2013


Machtprobe

Von Olaf Standke **

Wohl niemand hat so herzzerreißend-dramatisch filibustert wie James Stuart in dem Hollywood-Streifen »Mr. Smith geht nach Washington«. Und das auch noch für einen guten Zweck. Im US-Senat versuchen republikanische Parlamentarier gerade, mit ihrem Recht auf unbegrenzte Redezeit die Bestätigung Chuck Hagels zu torpedieren. Er soll neuer Pentagon-Chef werden. Dabei ist der Mann ein Parteifreund, wird aber von einem demokratischen Präsidenten vorgeschlagen und war konservativen Hardlinern schon immer ein rotes Tuch. Schwamm er doch zu oft gegen den republikanischen Strom.

Allerdings geht es jetzt letztlich weniger um politische Inhalte oder den selbst von Befürwortern als schwach empfundenen Auftritt Hagels bei seiner Anhörung im Senatsausschuss als vielmehr um einen beinharten innenpolitischen Machtkampf. Erstmals in der Geschichte der USA wird ein vom Präsidenten nominierter Verteidigungsminister einem Filibuster unterzogen. Der designierte Pentagon-Chef steht im Zentrum eines für Obamas zweite Amtszeit richtungsweisenden Gefechts zwischen Weißem Haus und der Opposition im Kongress. Jeder Schlag gegen Hagel trifft auch Obama. Der hatte in seiner Rede zur Lage der Nation und mehr noch zuvor beim Amtsantritt die Einheit der US-Amerikaner beschworen, um die gewaltigen Probleme der Supermacht Erfolg versprechend anzugehen. Doch selbst wenn Hagel am Ende durchkommen sollte, angeschlagen wäre er alle Male. So wie sein Chef.

** Aus: neues deutschland, Samstag, 16. Februar 2013 (Kommentar)


Zurück zur USA-Seite

Zurück zur Homepage