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Obama in Guantanamo auf Bushs Spuren

US-Justizministerium setzt sich über Gerichtsbeschlüsse hinweg

Von Reiner Oschmann *

Die Schließung des völkerrechtswidrigen Gefangenenlagers Guantanamo war eines der wichtigsten Wahlversprechen Barack Obamas. Er hat es in seiner ablaufenden Amtszeit nicht erfüllt.

»Wir werden Guantanamo schließen, weil wir keine Nation sind, die Menschen ohne rechtsstaatliches Verfahren einsperrt ... Oder die sie in anderen Ländern nachts foltern lässt. Das sind nicht wir. Wir sind Amerika. Eine leuchtende Fackel in der Weltgemeinschaft.« So hatte Barack Obama im Präsidentschaftswahlkampf 2008 geklungen. Und tatsächlich: In seinem ersten Präsidentenerlass vom 22. Januar 2009, zwei Tage nach Amtseinführung, bekräftigte er sein Versprechen, das völkerrechtswidrige Militärgefängnis auf Kuba zu schließen. Es war 2002, Monate nach den verheerenden Terroranschlägen von New York und Washington, vom republikanischen Amtsvorgänger George W. Bush eingerichtet worden und hielt in der Folgezeit bis zu 800 terrorverdächtige Muslime aus aller Welt ohne rechtmäßige Anklage, Rechtsbeistand und Berufungsmöglichkeit, aber dafür mit Folter gefangen.

Zehn Jahre später besteht das Camp immer noch, nachdem Obama Ende 2011 mit seiner Unterschrift unter das »Nationale Verteidigungsbevollmächtigungsgesetz« für 2012 trotz »ernsthafter Bedenken« ausdrücklich den weiteren Betrieb genehmigte. Amnesty International erklärte damals: »Der Guantanamo-Entscheid macht unbefristete Einkerkerung zum Bestandteil amerikanischen Rechts ... Man kann diesen Schritt als größten Kurswechsel von Obamas Präsidentschaft bezeichnen.«

Nun setzte die Regierung eins drauf und näherte sich dem Bush-Kurs in Sachen Guantanamo noch etwas mehr an: Das Justizministerium verschärfte die Regierungsvorschriften für den Umgang von Anwälten mit ihren Mandanten. Es betrifft besonders Insassen, deren Haftprüfungsanträge mit Verweis auf den Habeas-Corpus-Grundsatz abgelehnt wurden. Der Grundsatz nennt freiheitsentziehende Maßnahmen ohne ordnungsgemäße richterliche Entscheidung unzulässig. Darüber setzt sich die Regierungsmaßnahme hinweg. Dabei hatte auch der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten 2008 die Abschaffung des Rechts auf richterliche Haftprüfung für verfassungswidrig erklärt.

Die Verschärfung veranlasste den juristischen Direktor der Bürgerrechtsorganisation »Center for Constitutional Rights«, Baher Azmy, in der »Washington Post« zur Einschätzung: »Weit davon entfernt, das Gefangenenlager wie versprochen zu schließen, verwandelt Präsident Obama Guantanamo Schritt für Schritt in das geheime und hoffnungslose Internierungslager zurück, das er als Kandidat so geschmäht hatte.« Auch der noch von Präsident Reagan (1981-1989) ernannte Bundesrichter Royce C. Lamberth vom Bezirksgericht im hauptstädtischen District of Columbia sah in einer Anhörung am vorigen Wochenende keine Handhabe für neuerliche Restriktionen. Er äußerte nach der Anhörung seinen Eindruck: »Die Botschaft, die die Regierung übermitteln will, lautet: Boss sind wir, nicht das Gericht.«

Nach Angaben des »Center for Constitutional Rights« befinden sich derzeit noch 171 Häftlinge in Guantanamo. 600 seien entlassen worden und dabei, sich »friedlich ein neues Leben aufzubauen«. 92 Prozent aller Männer, die in Guantanamo waren oder sind, seien auch nach Regierungsangaben keine Kämpfer von Al Qaida gewesen. 46 würden auf unbegrenzte Dauer ohne Anklage und Gerichtsverfahren festgehalten; die Regierung in Washington behaupte, man könne sie weder freilassen noch ihnen den Prozess machen. Acht Männer starben in der Haft ...

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 22. August 2012


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