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Mordtermin steht

US-Behörden wollen Troy Davis am 21. September hinrichten. Nach manipuliertem Prozeß zum Tod verurteilt

Von Jürgen Heiser *

Der Afroamerikaner Troy Davis soll am 21. September 2011 im US-Bundesstaat Georgia hingerichtet werden. Brian Owens vom zuständigen Justizvollzugsamt setzte am Mittwoch die Hinrichtung für 19 Uhr Ortszeit an. Tatort soll das Staatsgefängnis von Jackson sein, in dem Georgia seine einzige Hinrichtungsstätte unterhält. Troy Davis soll 1989 den außer Dienst befindlichen weißen Polizisten Mark McPhail in Savannah, Georgia, auf einem Parkplatz erschossen haben. In dem klaren Bewußtsein, unschuldig zu sein, stellte sich Davis 1989 der Polizei, um seine angebliche Verwicklung in das Tötungsverbrechen zu klären. Fassungslos mußte er 1991 erleben, wie er auf der Basis einseitiger Ermittlungen und erpreßter Zeugenaussagen zum Tode verurteilt wurde. Troy Davis müsse zumindest ein neues, faires Verfahren gewährt werden, fordern seit Jahren seine Anwälte ebenso wie Amnesty International, Bischof Desmond Tutu und Papst Benedikt XVI. sowie das Europäische Parlament und viele Menschen und Organisationen in weiten Teilen der Welt.

Zuletzt hatte die Überprüfung der Fakten des Falles auf Anordnung des Obersten Gerichtshofs der USA im Juni 2010 vor Bezirksrichter William T. Moore aus Savannah stattgefunden. Nach Würdigung nur eines Teils der Beweise befand Moore, Troy Davis sei »nicht unschuldig«. Er wischte damit vom Tisch, daß in der Anhörung sieben von neun Belastungszeugen ihre Davis belastenden Aussagen widerriefen und versicherten, sie nur »aus Angst« und »auf Drängen der Polizei« gemacht zu haben. Außerdem hatten neue Zeugen als möglichen Täter Sylvester »Redd« Coles genannt, der 1989 Davis belastet hatte, um selber den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

Ende März 2011 schloß sich der Oberste Gerichtshof der Bewertung Richter Moores an und lehnte die Wiederaufnahme des Verfahrens endgültig ab. Damit war der Weg frei für Richterin Penny Haas-Freesemann vom Kammergericht in Chatham County, die am Dienstag den vierten Hinrichtungsbefehl gegen den 41jährigen unterzeichnete und als Zeitraum den 21. bis 28. September ansetzte. Nur einen Tag später legte das Justizvollzugsamt den genauen Hinrichtungszeitpunkt fest.

Unterstützt durch weltweite Proteste, hat die Verteidigung seit 2007 schon dreimal die Aussetzung der Urteilsvollstreckung erreicht. Die Hoffnung ruht auch jetzt wieder auf der Mobilisierung der internationalen Solidarität. Eine letzte juristische Chance bietet noch ein für den 19. September angesetzter Termin, in dem der Begnadigungsausschuß von Georgia sich zum zweiten Mal mit einem Gnadengesuch der Verteidigung befassen wird. »Der Ausschuß hat bereits 2007 Davis’ Hinrichtung mit der Feststellung gestoppt, die Todesstrafe sei keine Option, solange Zweifel an der Schuld vorhanden seien«, teilte Larry Cox von Amnesty International USA mit. Zur Vermeidung »eines katastrophalen Fehlers« fordere seine Organisation den Ausschuß erneut auf, das Todesurteil in eine Haftstrafe umzuwandeln. Amnesty-Sprecherin Laura Moye rief dazu auf, die im Internet veröffentlichte Petition an den Begnadigungsausschuß zu unterzeichen und sich an einem internationalen Aktionstag zu beteiligen, zu dem in Kürze aufgerufen werde.

* Aus: junge Welt, 9. September 2011


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