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"Beschämende Entscheidung" in Atlanta

US-Bundesgericht bestätigt Urteile gegen Cuban Five. Trotzdem soll neu entschieden werden

Von Timo Berger *

Ein US-Bundesgericht hat am Mittwoch die Schuldsprüche von fünf Kubanern bestätigt, die vor sieben Jahren in Miami unter anderem wegen »Spionage« und »Verschwörung zum Mord« verurteilt worden waren. Gleichzeitig hob der elfte Gerichtshof für Berufungen in Atlanta die Strafen von drei der fünf Inhaftierten auf und verwies ihre Fälle an die Richterin des Verfahrens in Miami zurück. Sie solle die Urteile neu bewerten.

Den 1998 in Miami verhafteten und 2001 verurteilten Kubanern, die als »Cuban Five bekannt geworden sind, wird vorgeworfen, an dem kubanischen Spionage-Netz »Avispa« (Wespe) beteiligt gewesen zu sein, das auf US-amerikanischem Staatsgebiet operierte. Die fünf hatten während des Prozesses zugegeben, kubanische Agenten zu sein. Sie hätten jedoch nicht die USA, sondern exilkubanische Gruppen in den USA ausgespäht, die terroristische Aktionen gegen die kubanische Regierung planten.

Das Gremium aus drei Richtern kam in seinem 99seitigen Urteil am Mittwoch zu dem Schluß, daß die von den Anwälten von Gerardo Hernández, Ramón Labañino, René González, Fernando González und Antonio Guerrero vorgebrachten Argumente »nichtig« seien. Die Anwälte der Cuban Five hatten das Gericht aufgefordert, allen Verurteilten eine neue Chance zu geben, da es in in dem Prozeß vor sieben Jahren zu einer Reihe von Verfahrensfehlern gekommen sei. So habe die Staatsanwaltschaft systematisch versucht, die Geschworenen-Jury zu beeinflussen. Auch seien während des Prozesses Beweise unterdrückt und die Geschworenen instruiert worden. Die Gründe, die schließlich zur Verurteilung führten, seien nicht ausreichend gewesen.

Trotz dieser Einwände bestätigte das Richtergremium die extrem hohe Strafe gegen Gerardo Hernández. Als »Kopf des Spionagenetzes« wurde er zu zwei Mal lebenslänglich und 15 Jahren verurteilt. René González erhielt 15 Jahre Freiheitsentzug. Ihre Informationen hätten dazu beigetragen, daß 1996 zwei Kleinflugzeuge einer exilkubanischen Gruppe über der Straße von Florida abgeschossen wurden. Die vier Besatzungsmitglieder starben.

Im Fall der Strafen der anderen drei Kubaner folgten die Richter den Argumenten der Anwälte und räumten ein, daß diese übermäßig hoch seien. Denn obwohl die Cuban Five nie an geheime Informationen gelangt waren, hatte die Staatsanwaltschaft Höchststrafen mit dem Argument gefordert, es handele sich um »Spione mit einer guten Ausbildung durch die kubanische Regierung«.

Nun wird die Bundesrichterin Joan Lenard in Miami eine Sonderanhörung ansetzen müssen, um neue Strafmaße für Ramón Labañino (bislang lebenslänglich und 18 Jahre), Fernando González (19 Jahre) und Antonio Guerrero (lebenslänglich und zehn Jahre) festzulegen.

In einer ersten Reaktion kritisierte ein Sprecher der kubanischen Regierung die Entscheidung des Gerichts in Atlanta im staatlichen Fernsehen als »beschämend«. Die Vorsitzende des Nationalkomitees für die Befreiung der »Cuban Five« in den USA wertete den Richterspruch als offensichtlichen »Rückschlag für die Wahrheit«. Die Männer hätten keine Verbrechen begangen, erklärte Gloria La Riva am Mittwoch: »Sie haben Leben gerettet, in dem sie den Terrorismus stoppten. Sie trugen nie Waffen bei sich. Sie haben den US-Bürgern nie Schaden zugefügt.«

* Aus: junge Welt, 6. Juni 2008

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