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Unfrei in Freiheit

Nach 13 Jahren wird René González als erster der »Miami Five« aus dem US-Gefängnis entlassen. Angehörige fürchten um sein Leben

Von Tobias Kriele, Havanna *

Nach dreizehn Jahren, davon anderthalb Jahre in Isolationshaft, wird am heutigen Freitag der erste der als »Miami Five« international bekannten fünf Kubaner aus dem Gefängnis entlassen. René González soll allerdings weitere drei Jahre mit elektronischer Fußfessel in den USA verbringen müssen. Seine Angehörigen fürchten deshalb um die Sicherheit von González und fordern die US-Regierung auf, seine sofortige Ausreise nach Kuba zu ermöglichen.

Der ausgebildete Pilot René González hatte sich in den neunziger Jahren zum Schein aus Kuba nach Miami abgesetzt und im Auftrag der kubanischen Regierung extremistischen Gruppen von Exilkubanern angeschlossen. Im September 1998 wurde er verhaftet und wegen »Konspiration zur nicht angemeldeten Agententätigkeit« zu 15 Jahren Haft verurteilt, wovon ihm gemäß der US-Gesetzgebung nun zwei Jahre wegen guter Führung erlassen werden. Neben González waren vier weitere Kubaner in einem von weltweiten Protesten begleiteten Verfahren zu zum Teil mehrfach lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt worden.

Da González sowohl über die kubanische als auch über die US-Staatsbürgerschaft verfügt, konnte das zuständige Gericht ihn noch im Jahr 2001 zu drei sich an die reguläre Haftzeit anschließenden Jahren »überwachter Freiheit« verurteilen. Die zuständige Richterin Joan Lenard bekräftigte diese Entscheidung bei einer Anhörung am 16. September. Es sei derzeit nicht einschätzbar, ob eine frühzeitige Rückkehr des Gefangenen nach Kuba eine Gefahr für die Sicherheit des US-amerikanischen Volkes darstellen könnte, wird sie in der kubanischen Tageszeitung Granma zitiert. Der Gerichtsbeschluß untersagt es González zudem, »mit terroristischen Gruppen oder Individuen« zusammenzukommen. Kubas Parlamentspräsident Ricardo Alarcón kommentierte dies in Havanna mit den Worten, diese Aussage wäre nicht nur zynisch, sondern käme einem Eingeständnis der US-Administration gleich, von den terroristischen Aktivitäten antikubanischer Gruppen in Miami zu wissen und diese zu dulden.

Roberto González, ein Mitarbeiter des Anwaltskollektivs der »Miami Five« und Bruder von René González, äußerte sich in einem Interview mit der kubanischen Tageszeitung Juventud Rebelde besorgt um die Sicherheit seines Bruders. Nicht nur in Miami, sondern auch in anderen Teilen der USA seien in den vergangenen Jahren zahlreiche der Revolution verbundene Kubaner von Extremisten ermordet worden. Die Auflagen des Gerichts hätten René deshalb in eine lebensgefährliche Lage gebracht. Die Verteidiger wollen deshalb einen weiteren Antrag auf Aussetzung der Ausreisesperre nach der Entlassung aus dem Gefängnis stellen.

Mit der Entscheidung des Gerichts findet eine weltweit kritisierte Menschenrechtsverletzung ihre Fortsetzung. Dem Ehepaar González wird seit dreizehn Jahren jeder direkte Kontakt verweigert. Im Jahr 2000 versuchten die US-Behörden, González mit der Verhaftung seiner Ehefrau Olga Salanueva unter Druck zu setzen. Als der Gefangene es ablehnte, belastende Aussagen zu machen, wurde seine Frau nach Kuba abgeschoben. Seitdem lehnen die USA ihre Einreiseanträge mit der Begründung ab, sie stelle ein Sicherheitsrisiko für das Land dar. Die Staatsanwaltschaft unterstrich während des Prozesses ihre Position, Olga Salanueva dürfe »niemals« ein Einreisevisum in die USA erhalten. Mit der jetzt bekräftigten Entscheidung, René González die Ausreise zu verweigern, würde die von der internationalen Solidaritätsbewegung angeprangerte »emotionale Erpressung« des Ehepaars um weitere drei Jahre verlängert. José Pertierra, Anwalt Venezuelas im Auslieferungsverfahren gegen den in Miami lebenden rechtsextremen Flugzeugattentäter Luis Posada Carriles, nannte die Entscheidung des Gericht deshalb »absurd und grausam«.

Unterdessen kündigte die Vorsitzende des Nationalen Komitees für die »Miami Five« in den USA, Gloria La Riva, eine Intensivierung der Solidaritätskampagne an. La Riva zeigte sich gegenüber kubanischen Medien zuversichtlich, daß die Haftentlassung von René González zu einer Vervielfachung der medialen Aufmerksamkeit und zu einer Verstärkung der weltweiten Solidarität führen werde. René González selbst hat angekündigt, daß er sich nach der Haftentlassung auf den Kampf für die Freiheit seiner vier in US-Gefängnissen verbleibenden Genossen konzentrieren wird.

* Aus: junge Welt, 7. Oktober 2011


Frei im Morgengrauen

"Cuban Five": René González in den USA aus der Haft entlassen. Kubaner darf drei Jahre lang nicht aus den Vereinigten Staaten ausreisen

Von André Scheer **


Als hätten es die Behörden von Marianna im US-Bundesstaat Florida nicht abwarten können, ihren international bekanntesten Häftling loszuwerden: Am frühen Freitag morgen um 4.30 Uhr wurde René González aus dem Gefängnis entlassen. Am Ausgang erwarteten ihn seine Töchter Irma und Ivette, sein Bruder Roberto und sein Vater Cándido. Seine Mutter Irma Sehweret und seine Ehefrau Olga Salanueva konnten ihn hingegen nicht in die Arme schließen, da ihnen Washington die Einreise in die USA verweigert.

González gehört zu der Gruppe von fünf Kubanern, die vor 13 Jahren in den Vereinigten Staaten verhaftet wurden, weil sie rechtsextreme Terrororganisationen in Miami unterwandert hatten, um Anschläge in ihrem Heimatland zu verhindern. Dafür wurden sie nach einem von Unregelmäßigkeiten überschatteten Prozeß im Juni 2001 zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, die bis zu mehrfach »lebenslänglich« reichen. Eine Freilassung seiner vier Genossen Gerardo Hernández, Fernando González, Ramón Labañino und Antonio Guerrero zeichnet sich bislang nicht ab. Die juristischen Möglichkeiten für eine Aufhebung ihrer Urteile sind nahezu ausgeschöpft, so daß die internationale Solidaritätsbewegung an US-Präsident Barack Obama appelliert, von seinem Recht Gebrauch zu machen, die Männer zu begnadigen.

Doch auch René González ist noch nicht wirklich frei. Da seine Haftentlassung auf Bewährung erfolgte, darf er in den kommenden drei Jahren die USA nicht verlassen. Das sei eine zusätzliche Strafe, die er fernab von seiner Familie verbüßen müsse, kritisierte sein Verteidiger Philip Horowitz. Die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung des Ausreiseverbots durch die Staatsanwaltschaft sei »unglaublich«. Gesundheitlich gehe es González gut, meldete der lateinamerikanische Fernsehsender TeleSur.

González’ Angehörige fürchten jedoch um sein Leben, da er wie seine vier Genossen zu einer Haßfigur für die antikommunistischen Exilkubaner in den USA geworden sei, von denen viele gewaltbereit seien. Auch das deutsche Netzwerk Cuba, ein Zusammenschluß hier aktiver Solidaritätsgruppen, warnt: »Jeder, der nur ein bißchen über die in Florida tätigen terroristischen exilkubanischen Organisationen weiß, die nicht davor zurückschrecken, ggf. völlig Unbeteiligte und Kinder umzubringen, weiß ebenso, daß sich René González bei dem erzwungenen zusätzlichen Aufenthalt in Florida in ständiger Lebensgefahr befinden wird.« Das Bündnis unterstützt deshalb eine vom US-amerikanischen Netzwerk für die Freilassung der »Cuban Five« initiierte Onlineresolution, mit der Obama aufgefordert wird, zumindest die sofortige Ausreise von González zu ermöglichen.

Antonio Guerrero, ein anderer der fünf in Kuba als Helden verehrten Männer, wandte sich nach Bekanntwerden der Freilassung aus dem Gefängnis mit einer kurzen Botschaft an seinen Genossen: »Sehr oft habe ich an diesen Tag gedacht, an dem René seine ungerechte Strafe beenden und in Freiheit kommen würde, vor allem in jenen über acht Jahren, in denen ich auf meinen Schultern die Last des Urteils lebenslänglicher Haft trage. Mit dem Denken an diesen Tag hatte ich immer einen Grund zur Freude. Die Ungerechtigkeit kann man nicht ungeschehen machen. Aber im Grunde sind wir immer freie Männer gewesen, und ab diesem 7. Oktober werden wir es noch mehr sein.«

www.freiheit-fuer-die-cuban5.de

** Aus: junge Welt, 8. Oktober 2011


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