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"Vor den 'Miami-Five' liegt noch ein langer Prozess"

Anhörung im Verfahren gegen in den USA inhaftierte Kubaner

Am Montag (20. August) fand im US-amerikanischen Atlanta eine weitere Anhörung im Prozess gegen fünf kubanische Aufklärer statt, die geplante Terroranschläge auf Kuba aufgedeckt hatten (siehe hierzu auch: Gerechtigkeit oder Politik?). Norman Paech, Völkerrechtler und Bundestagsabgeordneter der Partei DIE LINKE, beobachtete das Verfahren gegen die verurteilten »Miami Five«. Über seine Eindrücke sprach mit ihm für das "Neue Deutschland" (ND) Uwe Sattler.



ND: Sie haben als Beobachter an der Anhörung im Prozess gegen die »Miami Five« in Atlanta teilgenommen. Wie haben Sie das Klima der Verhandlung empfunden?

Paech: Das ist für einen Außenstehenden, der die Atmosphäre amerikanischer Prozesse nicht so gut kennt, schwierig zu beurteilen. Auffallend war jedoch, dass die Verteidiger nur 30 Minuten Zeit hatten, um für fünf Verurteilte ihre Argumentation für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorzubringen. Von dieser Zeit haben die Richter sogar noch etliche Minuten abgezweigt, indem sie völlig unkoordiniert Fragen stellten, auf die die Verteidiger natürlich antworten mussten.

Beschränkte sich die Anhörung nur auf die Erklärungen der Verteidigung?

Es war ja bereits das zweite Mal, dass die Verteidigung ein Wiederaufnahmeverfahren versucht. Das erste hatte die aus drei Richtern bestehende Kammer, vor der die Anhörung stattfand, auch bewilligt. In der folgenden Berufung hatte dann jedoch das gesamte Gericht von zwölf Richtern diese Entscheidung wieder aufgehoben. Jetzt gab es einen neuen Versuch, wiederum vor der kleinen Kammer. Dabei ging es vor allem um drei Punkte, mit denen ein Wiederaufnahmeverfahren begründet wurde.

Welche Punkte waren das konkret?

Erstens ging es um die Anklage und die Verurteilung wegen Spionage. Zweitens, dies betrifft aber nur drei der Kubaner, wegen Mordes. Den drei Männern wurde bekanntlich vorgeworfen, dass Kubas Regierung zwei Flugzeuge, die unter Verletzung des kubanischen Luftraums Propagandamaterial abwerfen sollten, nach mehrfachen Warnungen abgeschossen hat. Drittens schließlich ging es um ein »Missverhalten« des Anklägers, der seinerzeit in seinem Schlussplädoyer den Angeklagten ohne jegliche Beweise vorgeworfen hatte, sie wollten die USA angreifen und vernichten.

Die Vorwürfe gegen die »Miami Five« sind nicht bewiesen und erkennbar politisch motiviert. Müsste das nicht auf heftigen Protest in den USA stoßen?

Das ist leider nicht so. Dieser Prozess hat so gut wie kein Medienecho. Allerdings ist vor kurzem ein Interview mit Len Weinglass, einem der Verteidiger, in der »New York Times« veröffentlicht worden. Auch in einer Zeitung aus Atlanta wurde auf die Anhörung hingewiesen, allerdings sind dabei die bekannten Vorwürfe wiederholt worden. Insgesamt aber ist die Öffentlichkeit über den Prozess so gut wie nicht informiert.

Bei der Verhandlung waren internationale Beobachter und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen anwesend. Erhöht dies den Druck auf das Gericht, ein faires Urteil zu fällen?

Das nationale Komitee zur Unterstützung der Kubaner ist der Ansicht, dass dies hilfreich ist. Eine internationale Präsenz, wie sie hier aus mehreren europäischen und lateinamerikanischen Staaten sowie Kanada gegeben war, ist auch nach meiner Überzeugung neben der Anwesenheit nationaler Beobachter aus den USA wichtig.

Die Linkspartei hat in Schreiben an das Justizministerium der USA, das Gericht und vor allem auch an Kongressabgeordnete ein gerechtes Verfahren gefordert. Gab es darauf eine Reaktion?

Leider nicht. Es gab nur eine Abgeordnete der Demokraten, Cynthia McKinney, die ihre Kritik an dem unfairen Verfahren geäußert hatte. Sonst war vom Kongress nichts zu hören.

Kurz vor der Anhörung wurde ein neuer Richter in die Kammer berufen, der als extrem konservativ gilt. Ein negatives Vorzeichen?

Zweifelsohne, denn der ausscheidende Richter war ein Liberaler, der die frühere Wiederaufnahmeentscheidung mitgetragen hatte. Der neue Richter ist in allen gesellschaftlichen Fragen erzkonservativ – und er ist der jüngste in dem Gremium.

In der zweiten Amtszeit George Bushs war eine weniger aggressive Politik gegenüber Kuba erwartet worden. Das ist offensichtlich nicht eingetreten.

Das ist auf keinen Fall eingetreten. Die Boykottpolitik gegenüber Kuba ist genauso hart und bedingungslos wie früher. Insofern ist auch dieses Verfahren ein Beleg für die nicht nachlassende antikubanische Einstellung der amerikanischen Politik. Das könnte sich höchstens unter dem Nachfolger Bushs ändern. Aber im Augenblick ist die aggressive Stimmung gegenüber Havanna dominierend.

Das Verfahren gegen die »Miami Five« geht bereits über mehrere Jahre. Ist ein Ende abzusehen?

Nehmen wir an, es wird eine Zwei-zu-eins-Entscheidung für die Wiederaufnahme geben – was durchaus wahrscheinlich ist. Dann wird die Gegenseite wieder Berufung einlegen und das genannte Gremium aus zwölf Richtern wird entscheiden. Schließlich gibt es noch die Möglichkeit des Verweises an den Supreme Court. Vor den »Miami Five« liegt wahrscheinlich noch ein langer Prozess. Und das Schlimme dabei ist, dass die Gefangenen bis zur Rechtskraft des endgültigen Urteils inhaftiert bleiben werden.

* Aus: Neues Deutschland, 23. August 2007


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