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Die internationale Lage wird sich verbessern

ND-Gespräch mit dem US-amerikanischen Politikwissenschaftler Prof. William M. Chandler

Am Rande der »Election Night«, einer Großveranstaltung der US-amerikanischen Botschaft in der Wahlnacht vom Dienstag zum Mittwoch (4./5. Nov.) in Berlin, beantwortete der namhafte Politikwissenschaftler Professor William M. Chandler (68) von der University of California (San Diego) Fragen von Reiner Oschmann (Neues Deutschland).



Neues Deutschland: Werden die USA künftig multilateraler vorgehen als unter Bush?

Chandler: Davon bin ich überzeugt, auch wenn das schrittweise passieren wird. Ein Sieg Obamas dürfte diesen Prozess schneller und konsequenter gestalten -- gegenüber den Partnern in Europa, aber auch gegenüber China und insbesondere Russland. McCain, der alte Krieger, hat Russland immer noch wie zu Zeiten des Kalten Krieges behandelt. Obama wird sich nicht so verhalten. Ich erwarte von ihm ein wesentlich sachlicheres Herangehen an Russland, und er wird auch versuchen, die NATO zu einem sachlicheren Umgang mit Moskau zu bewegen.

Was meinen Sie damit?

Der neue Präsident wird mehr Rücksicht auf russische Empfindlichkeiten und Interessen etwa im Verhältnis zur Ukraine und zu Georgien an den Tag legen als dies unter Bush der Fall war. Ich würde mich nicht wundern, wenn Präsident Obama auch das Thema eines NATO-Beitritts von Georgien zurückhaltender behandelt. Aber Achtung: All diese Fragen werden im Schatten einer Herausforderung stehen, die den neuen Präsidenten binden und schwer fordern wird -- die Finanz- und Wirtschaftskrise im eigenen Land. Hier liegen für ihn zugleich die größten Gefahren: Die Erwartungen der Wähler werden groß, ihre Geduld wird klein sein.

Bei welchen internationalen Themen könnte es unter dem neuen Präsidenten inhaltlich Fortschritte geben?

Obama wird sich um die Neuordnung des Welthandels kümmern. Dort gibt es riesige Herausforderungen. Ich erwarte von ihm Initiativen in Verbindung mit dem Klimawandel, einem Problem, zu dem die letzten acht Jahre in den USA verlorene Jahre waren. In Irak wird Obama den Abzug der USA angehen, aber wahrscheinlich vorsichtiger als er dies in seiner Ankündigung zum Rückzug binnen 16 Monaten getan hat. Für Afghanistan rechne ich mit einer amerikanischen Truppenverstärkung, obgleich auch unsere Militärs heute meinen, dass der Krieg dort nicht zu gewinnen sein könnte. Obama wird einen ganz neuen Gesamtblick auf den Nahen und Mittleren Osten werfen. Und gegenüber einem Land wie Kuba erwarte ich neue Gesprächsbereitschaft in Washington. Überhaupt denke ich, dass in Lateinamerika für die USA große Herausforderungen warten, auch wenn darüber öffentlich nicht besonders laut gesprochen wird. Internationales Gewicht und Ansehen der USA sind in den Bush-Jahren empfindlich geschwächt worden.

Welche Konsequenzen wird das alles für das künftige Verhalten der USA auf der Weltbühne haben?

Da sprechen Sie ein schwieriges Problem an. Ich schätze, dass die USA fortfahren werden, sich wie die Nummer eins in der Welt aufzuführen, auch wenn sie ihre unangefochtene Stellung eingebüßt haben. Die Entwicklungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass es zur Lösung internationaler Krisen nicht reicht, vorrangig oder gar allein auf militärische Stärke zu setzen.

In welchen Punkten wird sich die Erwartungshaltung der USA gegenüber Partnern wie Deutschland ändern?

Wir werden, denke ich, eine Wiederbelebung klassischer Diplomatie erleben. Mit unmittelbarem Druck auf Deutschland - etwa in der Frage der Kriege in Irak und vor allem Afghanistan - rechne ich dagegen nicht.

Wird sich mit der Obama-Wahl die internationale Lage verbessern?

Das glaube ich fest. Es wird anfangs vor allem die Atmosphäre betreffen, doch ein verbessertes Klima wird schließlich auch substanzielle Verbesserungen ermöglichen.

* Aus: Neues Deutschland, 6. November 2008


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