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Amnesty fordert Ermittlungen gegen Bush

Der ehemalige US-Präsident hatte die Anordnung von Folter gegen Terrorverdächtige eingeräumt

Amnesty International fordert Ermittlungen gegen George W. Bush, nachdem der frühere US-Präsident die Anordnung von Folterpraktiken gegen Terrorverdächtige eingeräumt hat.

Nach internationalem Recht genüge für eine Untersuchung, dass der Ex-Präsident die Autorisierung von Foltermethoden zugebe, teilte die Menschenrechtsorganisation mit. Erhärte sich der Verdacht, müssten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft folgen.

Bush hatte das Waterboarding – simuliertes Ertränken – in einem Interview der Londoner Zeitung »The Times« als moralisch vertretbar, legal und effizient bezeichnet. Ohne die Anwendung »erweiterter Verhörmethoden« hätte es weitere Angriffe auf die USA gegeben. In seinen Memoiren »Decision Points« beschreibt Bush Waterboarding als »effektive Methode«, die eine große Menge an Informationen gebracht habe. Er habe die Methode angeordnet, nachdem sie durch Rechtsberater gebilligt worden sei.

Eine umfassende Untersuchung der Folterpraktiken gegen Häftlinge in CIA-Gewahrsam sei »lange überfällig«, betont Amnesty. Die Justiz müsse überall dort und gegen jeden tätig werden, wo es ausreichende Beweise für eine Beteiligung an solchen Verbrechen gebe.

Im Februar hatte die Ethik-Abteilung des Justizministeriums jedoch befunden, dass Juristen der Bush-Regierung, die brutale CIA-Verhörmethoden gutgeheißen hatten, keine Strafe befürchten müssen. Die Autoren der sogenannten Foltermemos, John Yoo und Jay Bybee, hätten zwar ein »schlechtes Urteilsvermögen« an den Tag gelegt, hieß es in einem entsprechenden Bericht des Ministeriums. Sie hätten sich aber kein professionelles Fehlverhalten zuschulden kommen lassen.

Auch die Zerstörung Dutzender Foltervideos der CIA bleibt auf offizielle Weisung hin ohne juristische Konsequenzen. Nach eingehender Untersuchung des Falls sei Chefermittler John Durham zu dem Schluss gekommen, keine Anklagen einzuleiten, teilte das US-Justizministerium in Washington mit. Medienberichten zufolge wurden vor fünf Jahren 92 Videos mit »harten« Vernehmungsmethoden vernichtet – dazu gehört auch das Waterboarding. Die Bänder aus dem Jahr 2002 zeigten den Angaben zufolgen die Verhöre der mutmaßlichen Terroristen Abu Subaida und Abdel Rahim al-Naschiri. Mehr als 100 Videos seien angefertigt worden, viele von ihnen hätten im Safe des CIA-Quartiers in Bangkok gelagert, berichtete die »New York Times«. Der Chef der Spionageabwehr, José Rodriguez, habe im November 2005 ihre Zerstörung angeordnet, weil er Gefahren für die Agenten befürchtete, sollten die Videos publik werden. Rodriguez hatte die Verantwortung übernommen, aber zugleich herausgestellt, dass Rechtsberater des Geheimdienstes seine Entscheidung gebilligt hätten. Das Justizministerium leitete im Januar 2008 Ermittlungen ein.

Die US-Bürgerrechtsorganisation ACLU kritisierte die Entscheidung, dass es nun nicht zu Anklagen in dem Fall kommen soll. »Es ist kaum glaubhaft, dass die bewusste Zerstörung von Videos, die Folter zeigen, kein Verbrechen ist«, sagte ACLU-Direktor Anthony Romero der »New York Times« zufolge. »Die Vernichtung der Bänder wie auch Herrn Durhams Entscheidung lassen stark zweifeln, ob die Regierung den politischen Willen aufbringt, sich selbst zu überwachen.«

* Aus: Neues Deutschland, 11. November 2010


Am Pranger

Von Olaf Standke **

Bushs Memoiren geraten immer stärker in die Kritik. Erst bezichtigte Ex-Kanzler Schröder den Ex-Präsidenten in Sachen Irak-Krieg der Lüge, und nun gibt es Widerspruch aus London: Verhöre mit der perfiden »Waterboarding«-Technik hätten mitnichten Anschläge im Königreich verhindert. Das hatte Bush behauptet, um das simulierte Ertränken von Terrorverdächtigen zu legitimieren. Das sei »eine effektive Methode«, schrieb er in seinen Erinnerungen, und legte in einem Interview mit der »Times« nach: Sie sei legal und moralisch vertretbar. Bush habe die USA »im Namen der Freiheit in einen Sumpf aus Lügen, Krieg und Folter geführt«, ließ gestern die Menschenrechtsgruppe Liberty dazu verlauten.

Doch nun könnte seine Lobeshymne auf die international geächtete Folter juristische Folgen für ihn haben. Amnesty International forderte strafrechtliche Ermittlungen gegen den Ex-Präsidenten und die Einsetzung einer unabhängigen Kommission, um die Verletzung der Menschenrechte während des »Kriegs gegen den Terrorismus« unter seiner Führung zu untersuchen. Eine umfassende Entlarvung der Folterpraktiken gegen Häftlinge in CIA-Gewahrsam sei lange überfällig. Ob sein Nachfolger im Weißen Haus dazu bereit ist, darf man allerdings bezweifeln. Die Zerstörung Dutzender Foltervideos der CIA etwa bleibt ohne juristische Konsequenzen, weil Sonderermittler John Durham keine Anklagen einleiten will, wie das Justizministerium gerade erst mitteilte. Die Bürgerrechtsorganisation ACLU jedenfalls lässt diese Entscheidung stark bezweifeln, ob die Obama-Regierung den politischen Willen aufbringt, auch sich selbst zu überwachen.

** Aus: Neues Deutschland, 11. November 2010 (Kommentar)

USA MÜSSEN ANWENDUNG VON FOLTERMETHODEN UNTERSUCHEN

Pressemitteilung von amnesty international

10. November 2010 - Amnesty International forderte heute eine Untersuchung der Rolle des früheren US-Präsidenten George W. Bush und anderer Regierungsvertreter bei der Anwendung von "erweiterten Verhörmethoden" gegen Häftlinge in US-Gewahrsam. Der ehemalige Präsident hatte zuvor eingeräumt, diese Praktiken angeordnet zu haben.

In seinen Memoiren und in einem Interview mit dem US-Nachrichtensender NBC News vom 8. November 2010 bestätigte der frühere Präsident seine persönliche Mitwirkung bei der Bewilligung des Einsatzes von "Waterboarding" (simuliertes Ertrinken) und anderer Methoden gegen "wichtige Häftlinge".

Der frühere Präsident gestand damit erstmals zu, Methoden angeordnet zu haben, die der Folter gleichkommen. Nach internationalem Recht sind die USA verpflichtet, auf Grundlage dieser Aussagen eine Untersuchung einzuleiten. Für den Fall, dass sich die Aussagen belegen lassen, muss somit eine Strafverfolgung gegen den früheren Präsidenten eingeleitet werden.

In seinen Memoiren geht der frühere US-Präsident Bush auf die Fälle von zwei Häftlingen ein. Abu Zubaydah, der von April 2002 bis September 2006 an geheimen Orten festgehalten wurde, wurde im August 2002 dem "Waterboarding" ausgesetzt. Mehr als 80 mal wurde bei ihm die Methode des simulierten Ertrinkens angewandt. Khalid Sheikh Mohammed wurde nach seiner Verhaftung am 1. März 2003 in Pakistan in eine geheime Haftanstalt der CIA überführt. Dort wurde er insgesamt 183 mal dem "Waterboarding" unterzogen, wie aus einem Bericht des CIA Generalinspekteurs hervorgeht. Nach dreieinhalb Jahren isolierter Einzelhaft wurde Khalid Sheikh Mohammed schließlich nach Guantánamo überführt. Mit mehr als 150 weiteren Häftlingen werden Khalid Sheikh Mohammed und Abu Zubaydah dort weiterhin ohne Gerichtsverfahren festgehalten.

Waterboarding war dabei lange nicht die einzige gegen das Internationale Folterverbot und das Verbot gewaltsamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung verstoßende Methode, die gegen Khalid Sheikh Mohammed, Abu Zubaydah und weitere Häftlinge angewandt wurde. Auch mit Körperverletzungen, Schlafentzug, dem Aussetzen kalter Temperaturen und Stresssituationen, dem Entziehen der Kleidung und Fesseln wurde versucht, Häftlinge zu Geständnissen zu zwingen.

Das Eingeständnis des früheren US-Präsidenten zeigt zum wiederholten Male, dass die USA für Verbrechen gegen Folter und das gezwungene Verschwindenlassen von Personen nach internationalem Recht bisher nicht zur Verantwortung gezogen wurden. Jeder, der gegen das Folterverbot verstößt, muss nach internationalem Recht zur Verantwortung gezogen werden - davon ist auch George W. Bush nicht ausgenommen. Bleibt eine Untersuchung durch die USA aus, müssen andere Staaten diese selbst einleiten.

Quelle: www.amnesty.de




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