George W. Bush soll hinter Gitter
USA-Menschenrechtler fordern Strafverfolgung / Tötete geheimes Kommando im Ausland?
Von Olaf Standke *
Menschenrechtler in den USA haben jetzt strafrechtliche Maßnahmen gegen Mitglieder der Bush-
Regierung gefordert. Zuvor war ein Geheimbericht des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes
(IKRK) an die Öffentlichkeit gelangt, demzufolge Gefangene im Lager Guantanamo systematisch
gefoltert worden sind.
Für Manfred Nowak gibt es da keine Frage: Die neue Administration in Washington habe die
juristische Verpflichtung, einstigen Regierungsmitgliedern wegen Kriegsverbrechen den Prozess zu
machen. Ausdrücklich nennt der UN-Berichterstatter für Folter auch Ex-Präsident Bush und Ex-
Verteidigungsminister Rumsfeld. Die müssen sich nun mit neuen Vorwürfen auseinandersetzen,
nachdem ein für interne Zwecke bestimmter Guantanamo-Report des IKRK aus dem Jahr 2007
öffentlich wurde – die bislang detaillierteste Darstellung von Misshandlungen in dem Lager. So wird
beschrieben, wie mutmaßliche Al-Qaida-Mitglieder durch Schläge, Schlafentzug, extreme
Temperaturen und simuliertes Ertrinken (Waterboarding) gequält wurden. Die Behandlung sei
»grausam, unmenschlich und erniedrigend« gewesen und »stellt Folter dar«, wie sie in den Genfer
Konventionen verboten werde.
Fazit der IKRK-Berichts von 2007 (englisch):
The allegations of ill-treatment of the detainees indicate that, in many cases, the ill-treatment to which they were subjected while held in the CIA program, either singly or in combination, constituted torture. In addition, many other elements of the ill-treatment, either singly or in combination, constituted cruel, inhuman or degrading treatment.*
Zit. n. Mark Danner: US Torture: Voices from the Black Sites. In: The New York Review of Books, Volume 56, Number 6, April 9, 2009; www.nybooks.com/articles/22530
* Dt. Übersetzung: "Die Behauptungen, dass Gefangene misshandelt worden seien, deuten darauf hin, dass die Misshandlungen, denen sie im Rahmen des CIA-Programms entweder einzeln oder zusammen ausgesetzt waren, Folter darstellten. Mehr noch, viele andere Bestandteile der Misshandlung - einzeln oder gemeinsam - stellen eine grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar." [AGF]
Der Report bestätigt, was Brandon Neely gerade als einer der ersten Wachleute im Rahmen eines
Projekts der Universität von Kalifornien über die verheerenden Zustände in Guantanamo berichtete.
Auch der 28-Jährige, inzwischen Polizist in Houston, sprach von Folter und sexuellem Missbrauch
unter medizinischen Vorwänden. Die Wächter seien unter Druck gesetzt worden, die Gefangenen
regelmäßig zu züchtigen. Er empfinde tiefe Schuld und Scham darüber, wie sie behandelt worden
seien, sagte Neely.
USA-Menschenrechtler verlangten nach Bekanntwerden des IKRK-Reports strafrechtliche
Maßnahmen gegen Mitglieder der Bush-Regierung. Mit jedem solcher Berichte wachse der Druck
auf Präsident Barack Obama, »etwas zu unternehmen«, betonte Sarah Mendolson vom Zentrum für
Strategische und Internationale Studien. Es gebe ausreichend Informationen, die ernsthaftere
Ermittlungen als bisher rechtfertigten, kritisierte Jameel Jaffer von der Bürgerrechtsorganisation
ACLU.
Wie ein IKRK-Sprecher in Genf erklärte, habe man Kopien des Reports an die CIA und das Weiße
Haus weitergegeben. Menschenrechtler vermuten, dass er nun von Mitarbeitern der neuen
Regierung in Umlauf gebracht wurde. Während Demokraten wie Senator Patrick Leahy die
Einrichtung einer »Wahrheitskommission« zur Aufklärung des Machtmissbrauchs in der Bush-Ära
fordern, stand Präsident Obama Aufrufen zu juristischen Schritten etwa wegen Misshandlungen in
Guantanamo bislang aber distanziert gegenüber.
Jetzt könnte der Enthüllungsreporter Seymour Hersh, der mit der Aufdeckung des Massakers von
My Lai im Vietnamkrieg und des Folter-Skandals im irakischen Abu-Ghoreib-Gefängnis weltweit für
Schlagzeilen sorgte, den Handlungsbedarf weiter erhöht haben. Er warf der Bush-Regierung den
Einsatz eines geheimen staatlichen Killerkommandos vor. Vom Präsidenten autorisierte Kräfte des
Joint Special Operations Command hätten im Ausland unter Umgehung der zuständigen
Aufsichtsgremien des Kongresses sowie ohne Wissen der USA-Botschafter und selbst der örtlichen
CIA-Repräsentanten Mordanschläge verübt und seien dabei lediglich Vizepräsident Cheney
gegenüber verantwortlich gewesen. Hersh spricht von einem »executive assassination (Mörder)
ring«. Ihr Kommandeur, der Drei-Sterne-Admiral William H. McRaven, habe inzwischen den Stopp
der Einsätze befohlen, weil es »zu viele kollaterale Tote« gebe.
Hersh arbeitet an einem Buch, das sich mit dieser Spezialeinheit beschäftigt, und kündigte
genügend Beweise für die ungeheuerlichen Vorwürfe an, »sogar für Hyperskeptiker«. Der
demokratische Kongressabgeordnete Dennis Kucinich will jedoch nicht erst auf diese
Veröffentlichung warten und hat deshalb unverzügliche Untersuchungen gefordert, auch gegen Ex-
Präsident Bush und seinen Vize Cheney.
* Aus: Neues Deutschland, 18. März 2009
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