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Unabhängigkeit mit NATO?

Schottische Nationalisten wollen Opposition zur Militärallianz beenden

Von Christian Bunke, Manchester *

Die Scottish National Party (SNP) möchte ein möglicherweise unabhängiges Schottland in die NATO führen. Dies geht aus einer kürzlich von ihr veröffentlichten verteidigungspolitischen Stellungnahme hervor. In Form eines Antrages, der unter anderem von Parteichef Alex Salmond unterstützt wird, soll der Vorschlag auf dem am 18. Oktober beginnenden Parteitag in Perth diskutiert werden. Im Falle der Annahme würde dies das Ende von 30 Jahren SNP-Opposition gegen die Militärallianz bedeuten.

Im Jahr 2014 will die SNP in ­Schottland ein Unabhängigkeitsreferendum durchführen. Deshalb diskutiert die Partei nun verstärkt, wie sie sich ein selbständiges Schottland vorstellt. Für die Verteidigungspolitik wird ein Haushalt von 2,5 Milliarden Pfund (3,1 Milliarden Euro) veranschlagt. Eine schottische Armee soll 15000 Berufs- und 5000 Reservesoldaten haben. Im Rahmen der Vereinten Nationen will man sich auch an so genannten »humanitären, friedenserhaltenden und friedensschaffenden Maßnahmen« beteiligen.

Alle vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der NATO sollen eingehalten werden. Das wirft verschiedene Fragen auf, vor allem was die Opposition der SNP gegen Atomwaffen angeht. Wie unter anderem George Robertson, der ehemalige NATO-Generalsekretär, im Auftrag der Kampagne gegen die Unabhängigkeit schreibt, ist die NATO eine Nuklearallianz. Eine Politik, die sich gegen Atomwaffen, aber für die NATO ausspreche, ergebe keinen Sinn, so Robertson.

Ähnlich sehen es schottische Kernwaffengegner. Die Gruppe »Trident Ploughshares« hat für den heutigen Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Nagasaki Proteste vor der SNP-Parteizentrale angekündigt. Seit Jahrzehnten bereits organisiert die Gruppe Widerstand gegen die Faslane-Marinebasis, wo derzeit die britische »Trident«-Atom-U-Bootflotte liegt.

»Hier handelt es sich um kein SNP-internes Thema«, so die Organisation in einer Stellungnahme. »Es geht um das zukünftige Verhältnis Schottlands zur internationalen Gemeinschaft. Ein NATO-Beitritt bei gleichzeitigem Trident-Ausstieg ergibt keinen Sinn. Selbst wenn ein NATO-Mitgliedsland keine Atomwaffen hat, stimmt es deren Einsatz dennoch zu und macht sich des möglichen Massenmordes schuldig. Uns macht außerdem Sorgen, daß die SNP noch vor einigen Monaten erste Gerüchte über einen NATO-Beitritt als Falschinformationen einer feindseligen Presse abgetan hat. Nun fürchten wir, daß auch der Ausstieg aus dem Trident-Programm zur Disposition steht.«

Diese Sorge ist nicht unbegründet, wenn man Zitate von SNP-Offiziellen heranzieht, die unter anderem in der Financial Times zu lesen waren. Demnach könne ein Ausstieg aus »Trident« 20 Jahre oder länger dauern. In Deutschland kennt man solche Aussagen aus der Debatte um die Atomenergie. Auch bei den schottischen Nationalisten selbst stößt das Bekenntnis zu einem Beitritt zur Militärallianz auf Kritik. Der SNP-Jugendverband hat bereits angekündigt, auf dem Parteitag dagegen zu stimmen.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 9. August 2012


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