Berdymuchammedows Reformwille ist mäßig
Parlamentswahlen in Turkmenistan werden erstmals international beobachtet
Von Vougar Aslanov *
Am 14. Dezember erlebt Turkmenistan die ersten Parlamentswahlen nach dem Tode des
ehemaligen Präsidenten Saparmurad Nijasow im Jahre 2006. Nijasow hatte als »Turkmenbaschi«
(Führer der Turkmenen) ein autoritäres Regime über die zentralasiatische Republik errichtet.
Die meisten Bewerber um einen der 125 Sitze in der Medshlis, dem turkmenischen Parlament,
gehören der Demokratischen Partei an, der einzigen offiziell registrierten Partei Turkmenistans. Ihr
Chef ist der Präsident des Landes, Gurbanguly Berdymuchammedow. Daneben stellen einige nicht
minder präsidentennahe Organisationen ihre Kandidaten zur Wahl. Anwärter oppositioneller
Parteien wurden nicht zugelassen. Immerhin werden die Wahlen erstmals von internationalen
Experten verfolgt, auch eine Beobachtergruppe der OSZE ist im Lande, was als Fortschritt gilt.
Präsident Berdymuchammedow beerbte vor zwei Jahren Saparmurad Nijasow, der Turkmenistan
seit seiner Unabhängigkeitserklärung 1991 selbstherrlich regiert und unter der Losung der
»Neutralität« in die Isolation geführt hatte. Als »Turkmenbaschi« – Führer der Turkmenen – pflegte
Nijasow einen bizarren Personenkult: Die Stadt Krasnowodsk benannte er nach sich selbst,
allüberall im Lande ließ er sich Denkmäler errichten, selbst die Monate wurden nach Turkmenbaschi,
seiner Mutter und seinen Werken bezeichnet. Und 90 Kilometer von der Hauptstadt Aschgabat
entfernt, in der Wüste Owadan-Depe, entstand ein Gefängnis für seine Gegner, aber auch für in
Ungnade gefallene Minister und Beamte. Als im Dezember 2006 der Tod des Diktators bekannt
gegeben wurde, kam es zu Unruhen in Owadan-Depe, bei deren Niederschlagung 23 Gefangene
ums Leben gekommen sein sollen. Berdymuchammedow kündigte bei seiner Amtsübernahme an,
Turkmenistan werde weiter auf dem von Nijasow gewiesenen Weg schreiten.
Allerdings leitete er
bald gewisse Reformen ein: Die von Turkmenbaschi auf acht Jahre verkürzte Pflichtschulzeit wurde
wieder um zwei Jahre verlängert, dafür wurde die »Ruhnama«, der von Nijasow erdachte
Moralkodex der Turkmenen, aus dem Lehrplan gestrichen. Der Name Turkmenbaschi soll jetzt auch
aus dem Text der Nationalhymne entfernt werden, manches Denkmal ist schon demontiert worden.
Einige Monate nach seinem Machtantritt amnestierte Berdymuchammedow auch 20 Gefangene aus
Owadan-Depe. Das Gefängnis selbst wurde nicht geschlossen. zu den Insassen gehören bis heute
der ehemalige Außenminister Boris Schichmuradow und die frühere Oberstaatsanwältin Gurbanbibi
Atadshanowa. Zu einer Versöhnung mit etlichen ins Ausland geflohenen oppositionellen Kräften kam
es nicht. Zwar wurden wieder Internet-Cafés eröffnet, doch der Zugang zum Netz bleibt überwacht,
die Seiten der Opposition sind blockiert. Von Pressefreiheit kann in Turkmenistan nicht die Rede
sein.
Politische Intrigen sind auch Berdymuchammedow nicht fremd: Gleich nach dem Tode Nijasows
wurde Parlamentschef Owozgeldi Atajew festgenommen, der laut Verfassung Übergangspräsident
hätte werden sollen. Einige Monate später schickte der Staats- und Regierungschef einen anderen
Konkurrenten, den Chef der Präsidentenwache Akmurad Redshepow, für 20 Jahre ins Gefängnis.
Derweil hofften USA und EU, Russland und China, dass sie im Gefolge des Machtwechsels
größeren Einfluss in Turkmenistan erlangen könnten. Denn das Land verfügt nach jüngsten
Angaben über die viertgrößten Erdgasreserven der Welt – nach Russland, Iran und Katar. Trotz
intensiven Werbens haben die EU-Staaten und die USA Berdymuchammedow bisher jedoch nicht
zu bindenden Vereinbarungen bewegen können. Den größten Teil des turkmenischen Gases kauft
nach wie vor der russische Konzern Gazprom auf. Derzeit wird darüber hinaus eine Leitung nach
China verlegt.
Für das Projekt »Nabucco«, eine Leitung, die turkmenisches Gas über das Kaspische Meer,
Aserbaidshan und die Türkei nach Europa befördern soll, hat sich Berdymuchammedow dagegen zumindest
öffentlich noch nicht engagiert. Zahlreiche Energie-Konferenzen, Gespräche in Deutschland
und Österreich, ein Gipfel mit den Präsidenten Aserbaidshans und der Türkei im November – nichts
bewegte den Turkmenen, eine Entscheidung zu treffen. Und in einer Woche hat sich Gazprom-Chef
Alexej Miller zum Besuch in Aschgabat angesagt ...
* Aus: Neues Deutschland, 13. Dezember 2008
Hohe Beteiligung bei Parlamentswahl in Turkmenistan
Mit einer amtlich bestätigten Beteilung von fast 94 Prozent ist in der ehemaligen Sowjetrepublik Turkmenistan ein neues Parlament gewählt worden. Die Abstimmung vom Sonntag folgte auf Verfassungsänderungen, mit denen nominell die Demokratie in dem öl- und gasreichen Land am Kaspischen Meer gestärkt werden sollte. Kritiker bezeichneten dies jedoch als Farce. Erste Ergebnisse werden erst am Dienstag (16. Dez.) erwartet. Diesen Artikel weiter lesen
Zur Wahl für die 125 Sitze im Parlament standen 288 Kandidaten, die fast alle der Regierungspartei von Präsident Gurbanguli Berdymuchamedow angehörten, der Demokratischen Partei Turkmenistans. Die restlichen Bewerber kamen von staatlich genehmigten Bürgergruppierungen. Oppositionsparteien sind in Turkmenistan verboten. Die Regierung kontrolliert Hörfunk und Fernsehen, Zeitungen werden zensiert.
Seit der autokratische Präsident Saparmurat Nijasow, der sogenannte Turkmenbaschi (Vater aller Turkmenen), vor zwei Jahren überraschend starb, tastet sich das Land jedoch in kleinen Schritten in Richtung Demokratie vor. Immerhin wurde mit den jüngsten Verfassungsänderungen der Volksrat aufgelöst, der Entscheidungen des Präsidenten stets abgesegnet hatte.
Parlament laut Verfassung gestärkt
Das Parlament hat nunmehr das Recht, die Verfassung zu ändern und den Präsidenten zu rügen. Und die Zahl der Abgeordneten wurde von 65 auf 125 erhöht. Kritiker sehen dies jedoch in erster Linie als Versuch zur Beschwichtigung des Westens. Dieser ist sehr an den Rohstoffen Turkmenistans interessiert, hat aber die politischen Verhältnisse und die Menschenrechtslage wiederholt kritisiert.
Die Abstimmung wurde nicht von einem vollständigen Team internationaler Wahlbeobachter überwacht. Die USA und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wollten keine volle Mission entsenden, weil sie nach eigenen Angaben nicht davon ausgingen, dass bei der Wahl demokratische Standards erfüllt würden.
AP, 14. Dezember 2008
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