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Kurswechsel nicht in Sicht

Berdymuchammedow wird vermutlich neuer turkmenischer Präsident

Von Irina Wolkowa, Moskau *

98,6 Prozent der rund 2,5 Millionen stimmberechtigten Turkmenen beteiligten sich am Sonntag (11. Feb.) an den ersten Wahlen, die in der zentralasiatischen Exsowjetrepublik stattfanden, seit diese 1991 unabhängig wurde.

Der Turkmenbaschi – der Führer aller Turkmenen, bürgerlich Saparmurat Nijasow –, der den Wüstenstaat schon als KP-Chef mit eiserner Faust regierte, hatte sich noch vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion zum Präsidenten küren und dann einfach im Amt bestätigen lassen. Zunächst bei umstrittenen Volksentscheiden, dann durch den Volksrat, das Scheinparlament. 66-jährig war Nijasow am 21. Dezember an Herzversagen gestorben.

Das Wahlergebnis wird erst am heutigen Dienstag (13. Feb.) bekannt gegeben und am Mittwoch vom Volksrat bestätigt. Unmittelbar danach ist die feierliche Amtseinführung des neuen Staatschefs geplant. Beobachter in Russland wie im Westen gehen davon aus, dass der amtierende Präsident das Rennen machen wird: Gurbanguly Berdymuchammedow, 40, bis zum Tode Nijasows dessen Leibarzt, Gesundheitsminister und Vizepremier. Ihn wollte der Volksrat schon im Dezember ohne Wählervotum zum Präsidenten ernennen, die dafür nötige Mehrheit wurde nur knapp verfehlt. Auch die gleichgeschalteten Medien legten sich Wahlkampf vor allem für ihn ins Zeug.

Berdymuchammedow gilt jedoch als unselbstständig und wird von den Generalen aus Nijasows Leibwache, die schon die Nominierung der Kandidaten Ende Dezember manipulierten, an der kurzen Leine geführt. Experten rechnen mittelfristig mit Differenzen der unterschiedlichen Interessengruppen. Dabei geht es vor allem um Zugriff auf Konten im Westen – darunter auch bei der Deutschen Bank – wo Nijasow die Milliarden aus dem Export von Öl und Gas parkte.

Das eigentliche Machtgerangel steht daher noch bevor und könnte zu handfesten Unruhen führen, bei denen jeder der Diadochen seine Clans mobilisiert. Turkmenistan ist bis heute kein Nationalstaat, sondern eine Konföderation der fünf großen Stämme. Zwar hat Berdymuchammedow im Wahlkampf Bereitschaft zu gewissen Reformen und zur Öffnung des Landes signalisiert. Auch, um die internationale Öffentlichkeit ruhig zu stellen.

Menschenrechtsgruppen hatten der neuen Führung in Aschchabad vor dem Votum einen ganzen Katalog mit Forderungen nach demokratischen Grundrechten überreicht. Den kann Berdymuchammedow nicht gänzlich ignorieren, will er das Land aus der Isolation führen und für westliche Investoren attraktiv machen. Einen realen Kurswechsel indes muten ihm weder Washington noch die EU und schon gar nicht Russland zu. Obwohl die ethnischen Russen – noch knapp 300 000 und damit rund 7,5 Prozent der Gesamtbevölkerung – an Moskau appellierten, »Gewicht und Autorität Russlands« für die Normalisierung des Lebens in Turkmenistan einzusetzen. Vor allem für Meinungsfreiheit, Pluralismus und privatwirtschaftliche Initiativen. Veränderungen indes, gleich welcher Art – bergen stets Risiken für die Stabilität. Die aber ist Grundvoraussetzung für den Zugriff auf die Energievorkommen des Landes, an denen Russland und der Westen gleichermaßen interessiert sind.

* Aus: Neues Deutschland, 13. Februar 2007

Turkmenien: Vertreter aus 15 Staaten kommen zur Amtseinführung des neuen Präsidenten

ASCHCHABAD, 13. Februar (RIA Novosti). Zu der feierlichen Amtseinführung des turkmenischen Präsidenten, die am morgigen Mittwoch (14. Feb.) stattfindet, werden Vertreter aus 15 Ländern und von zwei internationalen Organisationen erwartet.

Obwohl der Sieger der am vergangenen Sonntag (11. Feb.) stattgefundenen Präsidentenwahl bislang nicht genannt wurde, sind politische Beobachter überzeugt, dass Interimspräsident Kurbankuli Berdymuchammedow den Posten antreten wird. Offiziell wird der Name des Siegers des Präsidentschaftsrennens von Murad Karryjew, Vorsitzender der Zentralen Wahlkommission von Turkmenien, am Mittwoch in einer Sitzung des Volksrates, des höchsten Machtorgans der Republik, genannt.

Russland wird Premierminister Michail Fradkow bei der Zeremonie der Amtseinführung vertreten.

Nach Angaben aus diplomatischen Kreisen werden auch die Regierungschefs von Aserbaidschan und der Türkei, der erste Vizepräsident von Iran, parlamentarische Delegationen, Minister, namhafte Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus Armenien, Weißrussland, Usbekistan, China, Kirgisien, Indien, Libyen, Pakistan, Saudi-Arabien und Vereinigten Arabischen Emiraten nach Aschchabad kommen.

Die USA wird Richard Boucher, Berater für Süd- und Zentralasien im Außenministerium, vertreten.

An der Amtseinführung werden auch Marc de Brichambaut, Generalsekretär der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, und Pierre Morel, EU-Sonderbeauftragter für Zentralasien, teilnehmen.

Quelle: RIA Novosti, 13. Februar 2007; http://de.rian.ru

Aus dem Schatten

Nicht nur auf die Verfassung Turkmenistans schwor Gurbanguly Berdymuchammedow am Mittwoch seinen Amtseid als neuer Präsident des zentralasiatischen Staates. Er küsste auch die »Ruchnama«, das zur Pflichtlektüre aller Turkmenen erklärte »Buch der Seele« seines im Dezember verstorbenen Vorgängers Saparmurat Nijasow. Er werde dem Weg folgen, den jener gewiesen habe, versicherte Berdymuchammedow – obwohl doch alle Welt hofft, dass er gerade dies nicht tut. Wie alle seine Landsleute stand der heute 49-jährige Berdymuchammedow stets im Schatten des »Turkmenbaschi« (Vater der Turkmenen), der sein Volk zeit seiner Unabhängigkeit autoritär regierte und einen bizarren Kult um sich und seine Familie schuf. Anders als mancher Kabinettskollege überstand der studierte Zahnarzt, der 1997 Gesundheitsminister geworden war, jedoch sämtliche Säuberungsaktionen seines Gebieters. Gerüchte erklärten Berdymuchammedow sogar zum illegitimen Sohn Nijasows, zumal er 2001 zum stellvertretenden Regierungschef befördert wurde. Auf Anordnung seines Präsidenten ließ er damals etliche Provinzkrankenhäuser schließen: Die Kliniken der Hauptstadt Aschchabad könnten die Kranken besser behandeln, hieß es. Unerklärt blieb, wie die Patienten aus dem weiten Land die Hauptstadt erreichen sollten.

War Berdymuchammedow etwa schon damals klüger? Jetzt will er Gesundheits- und Bildungswesen reformieren. Bügelt er nur die ärgsten Fehler Nijasows aus oder will er Turkmenistan tatsächlich reformieren und aus der Selbstisolierung führen? Am Montag öffnete immerhin das erste Internet- Café in Aschchabad.

Berdymuchammedows Wahl zum Präsidenten sei absolut nicht frei und fair zu nennen, verlautbarte die OSZE. Was zahlreiche Staatsoberhäupter nicht daran hinderte, ihm am Mittwoch die Ehre zu erweisen. Da sah man neben den Chefs der Nachbarstaaten auch die »revolutionären« Präsidenten Juschtschenko (Ukraine) und Saakaschwili (Georgien), die gewiss nicht zuletzt an Turkmenistans Erdgasreichtum dachten, als sie dem Nijasow-Erben gratulierten.
Detlef D. Pries

Quelle: Neus Deutschland, 15. Februar 2007




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