Willkürurteile in Turkmenistan
Hohe Haftstrafen sollen drei Oppositionelle zum Schweigen bringen
Von Irina Wolkowa, Moskau *
In regelrechten Schauprozessen wurden eine Journalistin und zwei
Bürgerrechtler in Turkmenistan zu mehreren Jahren Zuchthaus verurteilt.
Der Prozess fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und für die
insgesamt drei Urteile
brauchten die Richter in Aschgabat, der Hauptstadt Turkmenistans, am
letzten Freitag nur wenige
Minuten. Die Journalistin Ogulsapar Muradowa bekam sechs Jahre
Gefängnis, die Bürgerrechtler
Aninakburan Amankeltschew und Sapardurdy Chadischijew – beide arbeiteten
gelegentlich auch als
Springer für westliche Medien – je sieben Jahre Zuchthaus. Die drei
waren im Juni verhaftet und
wegen unerlaubtem Waffenbesitzes angeklagt worden. »Augenzeugen« wollten
gesehen haben, wie
die Männer Patronen im Auto der Journalistin versteckten.
An den Haaren herbeigezogene Anklagen mit vom Geheimdienst »Freiheit«
gelieferten
»Beweismitteln« sind gängige Praxis im Reiche des Turkmenbaschi – des
Führers aller Turkmenen
– wie sich Saparmurat Nijasow titulieren lässt. Kritik und der bloße
Gedanke an Auflehnung gegen
den größenwahnsinnigen Herrscher und dessen bizarren Personenkult gelten
als Landesverrat.
Inzwischen vom Parlament zum lebenslangen Präsidenten gekürt, hatte der
ehemalige KP-Chef der
Republik gleich nach seiner Wahl 1990 Opposition und unabhängige Medien
brutal zum Schweigen
gebracht. Auch Muradowas eigentliches »Verbrechen« bestand in ihrer
Korrespondententätigkeit für
den turkmenischen Dienst von Radio Liberty. Massive Bedrohungen, die
Festnahme ihrer drei
Kinder, Kündigungen für alle Familienangehörigen, Telefonüberwachung,
Hausdurchsuchungen und
Beschlagnahme von Eigentum hätten die Journalistin nicht brechen können,
informiert Tadschigül
Begmedowa, Chefin der turkmenischen Helsinki-Gruppe, die im bulgarischen
Exil arbeitet. Daher
habe der Geheimdienst ihr Munition untergejubelt.
Internationale Menschenrechts- und Journalistenorganisationen, darunter
auch »Reporter ohne
Grenzen«, fordern die Aufhebung des »Schandurteils«, das in wenigen
Tagen rechtskräftig wird.
Eine Berufungsklage von Angehörigen wurde abgeschmettert, einreichen
dürfen sie seit neuestem
nur noch die Verurteilten selbst. Die wenigen noch zugelassenen Anwälte
aber vertreten
ausschließlich die Interessen des Regimes.
Schon Ende der Woche droht der 58-jährigen daher die Überstellung nach
Daschogus, dem
einzigen Frauengefängnis des Landes, dessen Zustände im Frühjahr sogar
der Turkmenbaschi auf
einer Kabinettssitzung kritisierte. Der Grund: Regelmäßige
Vergewaltigungen, Folter und Erpressung
der Häftlinge.
Daschogus – früher Taschaus – liegt mitten in der Wüste Karakum an der
Grenze zu Usbekistan, wo
in den Vollzugsanstalten ähnlich krasse Zustände herrschen. Auf dem
Ustjurt-Plateau, wegen des
mörderischen Klimas eine der menschenfeindlichsten Regionen weltweit,
konzentrieren sich schon
jetzt die meisten Strafkolonien. Nicht weit von dort, wo die
Journalistin eingekerkert werden soll,
entsteht übrigens gerade auch ein neuer Hochsicherheitstrakt für
Lebenslängliche: Darunter sind
auch Teilnehmer der Unruhen von Andischan, bei denen im Mai 2005 nach
Erkenntnissen von
Menschenrechtsgruppen mehrere hundert Menschen umgekommen sein sollen,
sowie Mitglieder der verbotenen Islamistenpartei Hizb-ut-tahrir.
* Aus: Neues Deutschland, 31. August 2006
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