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"Die NATO hat den Weg für die Scharia freigebombt"

Gespräch mit Radhia Nasraoui. Über den Wahlsieg der Partei Ennahda, die Aussichten für Frauen und Ursachen für die Schwäche der Linken in Tunesien *


Radhia Nasraoui ist Rechtsanwältin in Tunis. Sie war 2003 Mitbegründerin der tunesischen Menschenrechtsorganisation gegen die Folter »L’Association de lutte contre la torture«.

Nach dem Sieg bei der Wahl zur verfassunggebenden Versammlung in Tunesien am 23. Oktober hat die islamistische Ennahda-Partei mit Verhandlungen zur Bildung einer Übergangsregierung begonnen. Die Parteien Kongreß für die Republik (CPR) und Ettakatol führten bereits erste Gespräche mit den Islamisten. Die Ennahda-Partei erzielte bei den Wahlen rund 41,5 Prozent der Stimmen und kam damit auf 90 der 217 Sitze in der verfassunggebenden Versammlung. Ennahda-Vize Hamadi Jebali soll Regierungs­chef werden. Zweitstärkste Kraft wurde die CPR mit 30 Mandaten, gefolgt von der Ettakatol mit 21 Sitzen. Die Petition für Gerechtigkeit und Entwicklung kam auf 19 Sitze, sechs ihrer Kandidaten, darunter jener in der Stadt Sidi Bouzid, wurden jedoch wegen Unregelmäßigkeiten ausgeschlossen. Die Abgeordneten sollen eine neue Verfassung ausarbeiten und den Präsidenten bestimmen, der dann den Chef einer Übergangsregierung ernennen soll.

In Sidi Bouzid, wo die Protestbewegung in Tunesien ihren Ausgang genommen hatte, kam es nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses zu teils gewalttätigen Protesten. Ennahda-Chef Rached Ghannouchi rief die Einwohner der Stadt zur Ruhe auf. Er kündigte den »Aufbau eines demokratischen Systems« an. Zugleich betonte er, sich für die Rolle der Frauen »im politischen Entscheidungsprozeß« einzusetzen und nicht hinter bisherige Errungenschaften zurückzufallen. Nach seinen Angaben sitzen in der verfassunggebenden Versammlung 49 Frauen, 42 davon stammen aus den Reihen der Ennahda-Partei. Er kündigte an, innerhalb eines Monats eine provisorische Koalitionsregierung zu bilden. (AFP/jW)


Am 14. Januar 2011 verjagten die jungen tunesischen Revolutionäre den Diktator Zine El Abidine Ben Ali. Auf den Straßen in Tunis und anderswo im Land herrschte kurz vor den Wahlen vom 23. Oktober noch eine Aufbruchstimmung. Jetzt, nach dem Wahlsieg von Rachid Ghannouchis islamistischer Partei Ennahda mit mehr als 41 Prozent in der verfassunggebenden Versammlung, hat sich im Land geradezu Schockstarre ausgebreitet. Wie konnte das passieren?

Wir haben nach mehr als zwei Jahrzehnten Diktatur die ersten freien Wahlen gehabt. Das politische Bewußtsein der Tunesierinnen und Tunesier ist noch schwach ausgebildet. Viele hatten bis zum Betreten des Wahllokals am 23. Oktober gar nicht gewußt, wen sie eigentlich wählen sollen. Mehr als 100 Listen hatten sich zur Wahl gestellt. Einige von ihnen waren sehr gezielt von den alten Anhängern des Ben- Ali-Regimes im Rassemblement Constitutionnel Démocratique (RCD) ins Leben gerufen worden, um auf diese Weise bei den ersten freien Wahlen Verwirrung und Mißtrauen zu stiften. Die kommunistische Partei POCT ist als »L’Alternative Revolutionaire« angetreten, aber mein Name als bekannter Vertreterin für Menschenrechte und Aktivistin gegen die Folter wurde in den Wahlunterlagen nicht erwähnt. Ghannouchi hingegen wurde medial gesponsert – keine Talkshow im Fernsehen und kein Zeitungsartikel, in dem er nicht geschickt plaziert oder benannt wurde. Viele haben aus Verzweiflung Ennahda gewählt, weil sie fürchteten, ansonsten vielleicht versehentlich alten Kräften der Diktatur ihre Stimme zu geben.

Unmittelbar nach den Wahlen hatten sich Protestbewegungen erhoben, deren Teilnehmer die Parole riefen: »Ennahda – 30 Dinar«. Was hat das zu bedeuten?

Der Sieg von Ghannouchis Ennahda ist mit politischem Geld erkauft. Milliarden sind über den Tisch gegangen, um die Stimmen der Wähler zu kaufen. Die Ennahda-Leute sind über das Land gezogen und haben mit vollen Händen verteilt: Lebensmittel, Telefonkarten für Handys oder Geld für deren Aufladung und ganz simpel Bares zum Schmieren. Gerade in sozial schwachen Gebieten haben sie sich die Armut der Menschen und deren Mangel an speziellen Gütern zunutze gemacht. Mir ist sogar ein Fall zu Ohren gekommen, in dem sie ein Lamm für das islamische L’Aid-Fest geboten haben, das jetzt am 6. November beginnt. In der Presse war in diesen Tagen zu lesen, daß Lämmer zum islamischen Fest Mangelware sein würden! Noch am Tag der Wahl haben sie fette Fleischstücke an besonders arme Familien ausgegeben. Das kann man nicht mehr Wahlkampagne nennen. Diese Vorgehensweise ist korrupt.

Gibt es dafür Beweise?

Freilich waren keine Videokameras dabei, wenn diese Bestechungen gelaufen sind. Aber es gibt viele Zeugen, die von diesen Vorkommnissen berichten.

Die Ennahda hat also mit Geld nur so um sich geworfen. In vielen tunesischen Städten hat die islamistische Partei in der heißen Phase des Wahlkampfs den jeweils größten Platz in der Stadtmitte besetzt und auf riesigen Leinwänden in Videoshows schon vor der Wahl ihren Anführer Ghannouchi wie einen Star und als Wahlsieger gefeiert, während andere Parteien sich in Jugendzentren an den Stadträndern versammelten. Woher hat die Partei das Geld?

Das fragen wir uns auch. Es hieß, sie hätte Geld aus Saudi-Arabien erhalten. Denkbar ist es, daß man dort interessiert war, in Tunesien unter allen Umständen ein islamistisches System zu installieren. Denn das Land nimmt eine Vorreiterstellung für andere arabische Staaten ein. Das Geld, das die Partei über den Tisch gereicht hat, ist eine Sache. Schlimmer ist, daß im Vorfeld der Wahlen Druck auf potentielle Wähler ausgeübt wurde. Eine Genossin hat mir erzählt, ihre Mutter habe mehrfach Besuch von aggressiven Ennahda-Parteiwerbern erhalten, und sei solange bedrängt worden, die Partei zu wählen, bis sie entnervt ihre Zusage gab. Gerade ältere Menschen in ländlichen Gegenden müssen sich bedroht und eingeschüchtert gefühlt haben. Es gibt auch dazu Zeugenaussagen.

Auf der Avenue Bourguiba in Tunis treffen sich seit dem islamistischen Wahlsieg täglich junge Leute, die sich ironisch »Diplom-Arbeitslose« nennen. Meist haben sie einen Studienabschluß, warten aber vielfach seit Jahren vergebens auf einen Job. Sie sagen, daß sie sich nach dem Sieg der Ennahda um die Revolution betrogen fühlen und Angst um ihre Zukunft haben. Sie forderten bürgerliche Freiheiten, jetzt müssen sie rückwärts gewandte Diskussionen führen: Müssen Frauen Schleier tragen? Wird die Scharia Eingang in die Verfassung finden – oder etwa eine Polygamie, die nur für Männer gilt? Ist jede Hoffnung verloren?

Die Ennahda ist eine rechtsgerichtete Partei, die unseren demokratischen Aufbruch brachial zurück ins Mittelalter befördert. Wenn sie behauptet, harmlos zu sein und deutliche Signale in diese Richtung sendet, so ist das nur dem Druck der Straße zu verdanken. Sobald dieser nachläßt, werden die Islamisten ihre liberale Maske fallenlassen. Aber glauben Sie im Ernst, aufgeklärte, emanzipierte tunesische Frauen würden sich hier jemals wieder etwas aufzwingen lassen? Ich für meinen Teil würde es vorziehen zu sterben, als einen Niqab (Gesichtsschleier, bei dem nur die Augen unverhüllt bleiben – d.Red.) zu tragen. Sie werden sich nicht trauen, all das umzusetzen, denn wir werden jetzt erst recht weiterkämpfen. In einem Jahr sind wieder Wahlen.

Was befürchten Sie, was die Ennahda nach ihrem Sieg in die Verfassung schreiben könnte?

Ich bin vor allem nicht wirklich beruhigt, weil die Opposition schlecht darauf vorbereitet ist, sich zur Wehr zu setzen, falls Freiheiten beschnitten werden sollen. Und ich habe kein Vertrauen in diese Partei. Nach außen hin gibt sie sich jovial, macht auf den netten toleranten Islamisten von nebenan – aber unterschwellig diskreditiert sie ständig fortschrittliche Kräfte. Zum Beispiel wurde aus diesen Kreisen kürzlich die Idee publiziert, Frauen nur noch halbtags arbeiten zu lassen. Was bedeutet, ihnen die ökonomische Basis zu entziehen, denn von dem Verdienst eines Halbtagsjobs kann kein Mensch leben. Der Sprecher der Ennahda, Aimi Lourimi, hat das gesagt, obgleich er sich sonst harmlos gibt. Wir müssen sehr wachsam sein und genau hinhören, was sie vorhaben.

Welche Frauenrechte könnten Ihrer Ansicht nach jetzt möglicherweise beseitigt oder abgeschwächt werden?

Wir waren gerade dabei vorwärtszukommen. Jetzt, im arabischen Frühling, sind wir mit großen Schritten vorangegangen, um mehr Rechte zu erkämpfen. Und dann kommen die reaktionären Kräfte sehr verbindlich daher. Da erklärt Ghannouchi doch z.B. allen Ernstes: Die Männer seien bloß deshalb arbeitslos, weil die Frauen darauf bestünden, berufstätig zu sein. Er spielt mit populären Scheinargumenten Männer und Frauen gegeneinander aus. So läuft das.

Nimmt der Druck auf die Frauen im Alltag bereits zu?

Ja, man attackiert freie Frauen aus dem Blickwinkel der Moral. Beispielsweise hat man eine Fotoaufnahme von Bouchra Belhaj Hamida, der ehemaligen Präsidentin der großen liberalen Frauenorganisation »L´Association Tunisienne des Femmes Démocrates« an den Moscheen angebracht. Darauf war sie zu sehen, wie sie ein Glas Wein trinkt. Womit man sie in diesen Kreisen gleichsam als Trinkerin und Prostituierte diskreditiert hat.

Warum hat die PCOT so schlecht bei den Wahlen abgeschnitten und nur 1,5 Prozent geholt?

Wir hatten nicht die gleichen Chancen wie die anderen Parteien. Im Gegensatz zu Ennahda haben die Medien uns einfach links liegengelassen. Wir sind ihnen zu kritisch und zu radikale Regierungskritiker gewesen – anders als die große islamische Partei, die eher sanfte Töne anschlägt. Man hat mich in keine einzige Fernsehtalkshow eingeladen, daß ich hätte erklären können, welche Ziele die PCOT hat. Meinen Ehemann Hamma Hammani, den Generalsekretär der Partei, hat man als Ungläubigen präsentiert, um den Leuten zu suggerieren, sie müßten sich jetzt entscheiden: für ihre Religion oder für die PCOT, die von einem Atheisten angeführt wird. Ist doch klar, was die Menschen dann machen. Sie haben versucht, Hamma auf diese Weise zu diskreditieren und in ein schlechtes Licht zu rücken. Man hat den Wahlkampf medial so gestaltet, als gehe es einzig um die Entscheidung, ob jemand religiös ist oder nicht, und nicht um Politik. Die Debatte über den Islam hat man mißbraucht, um gegen uns Stimmung zu machen. So hatten wir gar keine Chance, eine Diskussion in Gang zu bringen, was Demokratie bedeutet und wie Menschen- und Frauenrechte eingehalten werden müssen.

Was hat der PCOT noch geschadet?

Vor allem auch liberale Parteien wie die Parti Démocrate Progressiste (PDP), die Demokratische Fortschrittspartei, die sich genauso verhalten haben wie früher die RCD Ben Alis. Das Bündnis »Pole démocratique moderniste«, der Demokratische Modernistische Block, hat andere säkulare Parteien in Verruf gebracht. Sie haben Ängste gestreut, indem sie sich in einer Weise gegen die Religion geäußert haben, daß die bisher in einer Diktatur lebenden Menschen geglaubt haben, sie werden verfolgt und unterdrückt, wenn sie eine säkulare Partei wählen. Sie befürchteten, mit Verboten daran gehindert zu werden, ihre Religion zu praktizieren. Dieser Zusammenschluß verschiedener säkularer Parteien war den Tunesierinnen und Tunesiern auch deshalb suspekt, weil er vorgab, sich eng an kapitalistischen Staaten Europas und den USA orientieren zu wollen. Die Menschen hatten deshalb Angst vor rapiden Preiserhöhungen. Die PCOT hat sich zwar als Revolutionäre Alternative vom Demokratischen Modernistischen Block abgesetzt und ist unabhängig zur Wahl angetreten, aber das ist bei den meisten Menschen leider nicht angekommen. Wir werden jetzt viel Arbeit leisten müssen, um unsere politischen Ziele eines demokratischen Kommunismus den Menschen zu vermitteln.

Obendrein hat man die PCOT auf den Wahlzetteln nicht wirklich identifizieren können. Sogar Leute, die wir persönlich kennen, haben unsere Liste unter den mehr als 100 anderen, die zur Wahl angetreten sind, nicht ausmachen können. Da weder der Name von Hamma noch meiner auftauchte und wir nur als »L’Alternative Revolutionnaire« aufgeführt waren, waren wir einfach nicht zu erkennen.

Wie stehen Sie persönlich zur Religion?

Es gibt zwei Arten, Religion auszuüben: Entweder wirft sich man am Tag fünfmal auf den Teppich und glaubt deswegen, ein guter Muslim zu sein – ganz gleich, ob man nebenbei ein Krimineller ist, andere bestiehlt oder belügt. Das läßt sich alles gut miteinander vereinbaren. Oder man glaubt an das Ideal des Guten im Menschen und lehnt es ab, daß andere Armut leiden, daß es ihnen schlecht geht. Das sind zwei völlig unterschiedliche Herangehensweisen. Eine politische Partei hat jedoch mit der Kirche nichts zu tun und ist für Glaubensfragen nicht zuständig. Soll jeder glauben, was er will. Wer Schleier tragen will, soll es tun, wer nicht, soll es lassen. Problematisch ist allein, wenn im Zusammenhang mit Wahlen die Religion mißbraucht wird, um Politik zu machen. Ennahda macht genau das. Sie suggerieren, daß nur sie Politik für Gläubige machen können. Es wird jetzt darauf ankommen, die Menschen aufzuklären, daß Religion und Politik nichts miteinander zu tun haben und demzufolge in keinerlei Korrelation zueinander gesetzt werden sollten.

In Algerien ließen korrupte Militärs den Terror islamistischer Scharfmacher ganz bewußt zu, und das Regime nutzte Angriffe auf die Zivilbevölkerung geradezu, um diese einzuschüchtern, Chaos zu verursachen und dabei die eigene Macht auszubauen und zu festigen. Wie groß ist die Gefahr, daß die Situation in Tunesien ähnlich eskaliert?

Ich hoffe nicht, daß es so weit kommt. Aber es gibt auch in Tunesien junge Frauen, die sich überzeugen lassen, daß die Polygamie ihr Gutes hat und ein Mann vier Frauen haben darf. Solange das noch der Fall ist und die Menschen sich noch nicht von der 23jährigen Ben-Ali-Diktatur erholt haben, besteht immer die Gefahr, daß wieder eine Gewaltherrschaft errichtet wird. Aber wir werden wachsam sein und die betreffenden Propagandisten nicht aus den Augen lassen. Schlimm ist, daß in Libyen jetzt die islamische Scharia statt einer demokratischen Gesetzgebung eingeführt wird. Die NATO hat den Weg dafür freigebombt. Den Regierungen der westlichen kapitalistischen Länder ist es offenbar völlig egal, wie es den Menschen dort ergeht und ob sie bürgerliche Freiheiten haben werden. Hauptsache, die Geschäfte laufen und die Märkte werden liberalisiert und geöffnet. Sie spielen ihr Spiel, ohne mit der Wimper zu zucken. Sie haben in der Vergangenheit die Diktatoren gestützt, ohne sich darum zu kümmern, ob die Menschenrechte eingehalten werden. Sie werden auch autoritäre religiöse Herrscher an der Macht halten – unter der einzigen Bedingung, daß diese ihren ökonomischen Interessen nicht zuwiderhandeln.

Wie schätzen Sie die Politik von US-Präsident Obama ein?

Obama hat die Ennahda mit ihrem vermeintlich soften Islamismus gestützt. Er hat gar nichts dagegen. Ennahda wird den kapitalistischen Staaten nicht wehtun. Diese Partei wird sich genau wie Ben Ali einwickeln lassen und die gleichen Positionen vertreten: Man öffnet die Märkte und macht es ihnen einfach, sich auszubreiten.

Welche Rolle spielen Militär und die Polizei seit dem Sturz Ben Alis?

Das Militär würde gut daran tun, sich jetzt wieder in die Kasernen zurückzuziehen. Auf dem politischen Parkett hat es nichts verloren. Was die Polizei betrifft, so hat sich dort bis jetzt nichts verändert. Alles geht weiter wie bisher. Auch nach der Jasmin-Revolution am 14. Januar gibt es weiterhin Folter in Polizeirevieren. Die Menschenrechtsorganisation, in der ich aktiv bin, hat erst kürzlich einen Bericht herausgegeben, in dem wir feststellen mußten, daß sie immer noch die Foltermethode »poulet roti«, »Grillhähnchen«, anwenden: Sie hängen einen Menschen an einer Stange auf und drehen ihn solange um seine eigene Achse, bis er bewußtlos wird. Sie vergewaltigen mit Stöcken und schlagen. Mit dem Einzug von Ennahda in die Regierung wird sich wahrscheinlich nicht viel ändern. Sie werden die alten Kräfte des Regimes gewähren lassen. Bereits mit ihrem Wahlkampf haben sie gezeigt, wie korrupt sie sind. Sie werden vermutlich die gleichen Praktiken anwenden wie Ben Ali – vom US-Präsidenten und Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy ist das offenbar nicht anders gewollt. Beide haben die Diktatur Ben Alis maßgeblich unterstützt, warum sollten sie einem religiösen Regime ihre Sympathie entziehen.

Welche Unterstützung erhoffen sie sich von internationalen sozialen Netzwerken und Bewegungen?

Internationale Solidarität mit den Tunesierinnen und Tunesiern ist enorm wichtig. Es würde uns sehr helfen, wenn die sozialen Bewegungen im Ausland ihre Regierungen mit Protesten überziehen – und ihnen auf diese Weise zeigen, daß sie kein Ansehen gewinnen, wenn sie Regime stützen, die Menschenrechte nicht achten und weder Religionsfreiheit noch andere demokratische Rechte gewähren.

* Bei den Wahlen zur verfassunggebenden Versammlung am 23. Oktober kandidierte Radhia Nasraoui für die Liste »L’Alternative Revolutionnaire«. Sie ist mit dem Generalsekretär der PCOT (Parti Communiste des Ouvriers de Tunesie), Hamma Hammami, verheiratet.

Interview: Gitta Düperthal in Tunis

Aus: junge Welt, 5. November 2011


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