Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Auch Europa hält sich seine Despoten:

Das tunesische Modell

Der vom UNDP herausgegebene Arab Human Development Report setzt zwei Staaten ranggleich an die Spitze der repressivsten Regime der Region: Saudi-Arabien und Tunesien. Das kleine Ländchen im Norden Afrikas, dieses Eldorado des europäischen Tourismus, der Musterschüler des IWF und bevorzugte Partner der EU - eine Hochburg von Unterdrückung und Folter, von Korruption und Bereicherung? Sihem Bensedrin, Sprecherin der – offiziell nicht zugelassenen - Menschenrechtsorganisation „Conseil National des Libertés en Tunisie“, CNLT, und Omar Mestiri erklären in ihrem soeben erschienen Buch das Funktionieren des „Tunesischen Systems“. Und, so die Autoren, dieses System macht Schule: In Algerien, Marokko, Libyen, wo prowestliche Politik, ökonomischer Liberalismus und Attrappen einer Fassadendemokratie wirkungsvoll vermarktet werden, während in Wirklichkeit mafiose Strukturen durchaus im Interesse des Westens die politische und ökonomische Macht ausüben.
Den folgenden Beitrag dokumentieren wir mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift INAMO*.

Von Sihem Bensedrin und Omar Mestiri

Wenn es um Rhetorik geht, entwickelt das tunesische Regime einen offensiven Diskurs hinsichtlich des Einhaltens von Menschenrechte und rechtsstaatlicher Prinzipien [...]: „Wir haben auch den Menschenrechten in ihrer globalen Dimension zum Triumph verholfen, und wir haben die Werte, Prinzipien und Institutionen der Republik wiederhergestellt. All dies sind Verwirklichungen, die ihre strahlende Ausformung finden in der Stabilität und der Sicherheit, die Tunesien genießt,“ erklärte Präsident Ben Ali gegenüber der italienischen Presseagentur Ansa am 11. Mai 2004. Um dieses idyllische Bild zu verkaufen, hat er bereits im August 1990 eine Propaganda-Agentur geschaffen, die Tunesische Agentur für Auslands-Kommunikation (ATCE), die „[…] insbesondere den Auftrag hat, das Bild Tunesiens im Ausland zu fördern und die zu diesem Zweck über ein beachtliches Budget, vergleichbar dem eines Ministeriums, verfügt.“ (1) […] Gewaltige Haushaltsmittel werden vom Regime aufgewendet für Öffentlichkeitsarbeit, die sich gezielt an Journalisten, Parlamentarier, regionale und lokale Amtsträger richtet: sie werden zu traumhaften Ferienaufenthalten eingeladen und mit Geschenken überhäuft.

Agit-Prop und Staatsspropaganda

Unter Hinweis auf die Wiederbelebung des Tourismussektors erklärte eine offizielle Quelle im August 2004, daß „18 000 europäische Journalisten“ in jüngster Zeit nach Tunesien eingeladen wurden und dazu beigetragen haben, das Image Tunesiens zu verbessern. 54 Millionen Euro wurden zu diesem Zweck investiert. (2) Gesponserte Reportagen und gefällige Redaktionsbeiträge singen im Gegenzug in ausländischen Medien das Loblied auf die Verdienste dieses Landes, das „Erfolg hat“ und das viele „beneiden“. In den wichtigsten europäischen Städten werden sie unterstützt durch Scheinvereinigungen. […] Gesteuert durch die Botschaften und Konsulate Tunesiens tauchen sie immer dann auf, wenn es darum geht, Kampagnen gegen Aktivitäten von tunesischen Dissidenten im Ausland zu lancieren. Das Komitee für den Respekt der Freiheiten und der Menschenrechte in Tunesien (CRLDHT in Paris) […] hatte schon mehrfach mit solchen z. T. auch brutalen Kampagnen zu tun.

Die „Veröffentlichungen dieser Vereinigungen übernehmen diese offizielle Rhetorik: Leistungen zugunsten von Frauen und Kindern, die Piloterfahrung mit dem Solidaritätsfond 26/26, der „von der UNO als beispielhaft (3) angesehen“ wird, und schließlich, daß „die Regierung mehrfach ausgezeichnet wurde“. Dieser letzte Punkt ist tatsächlich wichtig, denn man muß wissen, daß die Legitimation mit Hilfe von Preisen und Auszeichnungen eine der wichtigsten Beschäftigungen von Ben Ali ist (siehe Kasten oben), da er darauf wie auf ein internationales Markenzeichen für seine Anerkennung verweist gegenüber seinen „Untertanen“, die nicht so richtig an ihn glauben wollen. Seine Umgebung betreibt eine regelrechte Jagd auf Preise und Medaillen und sucht aktiv nach Institutionen, die diese im Gegenzug für eine beeindruckende Geste verleihen. Um allein in diesen Glanz zu geraten, traf Ben Ali 1997 Vorsorge, indem er ein Gesetz erließ, das es jedem Tunesier verbietet, eine Auszeichnung ohne vorherige Genehmigung durch den Staat anzunehmen.(4)

Es ist nicht möglich, all die internationalen Auszeichnungen aufzuzählen, die Ben Ali für „seine Leistungen für die Menschenrechte“ erhalten hat. Aber die Auszeichnung, die ihm am meisten schmeichelte, war der Preis, den ihm die Sekretärin der italienischen Liga für Menschenrechte im Mai 2002 verlieh – was allerdings zur Folge hatte, daß diese aus der Internationalen Föderation der Menschenrechte ausgeschlossen wurde. In Kenntnis seiner Schwäche für Auszeichnungen verlieh die Vereinigung der tunesischen Journalisten (AJT) im Dezember 2003 Ben Ali die „Goldene Feder“ für „seinen Einsatz für die Pressefreiheit“ (aber diese zweifelhafte Preisvergabe kostete die AJT ihre Mitgliedschaft in der internationalen Journalistenföderation). […]

Die Erfindung einer falschen Zivilgesellschaft

Ben Ali agitiert nicht nur mit Worten und Beziehungen, er spiegelt auch eine Zivilgesellschaft vor, die es gar nicht gibt. Es geht um künstliche politische Produkte, die dazu dienen, die öffentliche Szene zu besetzen und ihr den Anschein einer Dynamik zu geben, wie sie demokratischen Gesellschaften eigen ist, wobei zugleich die wenigen wirklich unabhängigen Vereinigungen (weniger als zehn) marginalisiert werden. Wichtigstes Mittel hierfür sind die WRG („Wirkliche Regierungs-Organisationen“), die das Regime selbst nach Bedarf und Konjunktur fabriziert (diese erprobte Technik findet Nachahmung in Mauretanien, Algerien und Marokko). (5) Offiziell gibt es in Tunesien 8 444 Vereinigungen. Viele davon wurden künstlich geschaffen, um ein Gegengewicht gegen tatsächlich unabhängige NROs zu bilden. Eine Vielzahl von professionellen, sozialen oder karitativen Vereinigungen war ursprünglich spontan innerhalb der Gesellschaft entstanden. Das Regime brachte sie jedoch unter seine Kontrolle, indem es ihm treu ergebene Mitglieder auf Spitzenpositionen setzte. Die Belohnung hierfür war ihre Legalisierung durch das Innenministerium. Dieses nutzt die Erteilung der Zulassung als ein Einmischungsrecht in die Zusammensetzung der Leitung der Vereinigungen, wenn diese in den Verdacht geraten, zu selbständig zu agieren.(6)

Die Ausnutzung dieser falschen Strukturen von Zivilgesellschaft zeigte ihre Wirkung auf der Sitzung der Vorbereitungskommission des Weltgipfels der Informationsgesellschaft (SMSI) am 26. Juni 2004, deren erste Runde in Genf im Dezember 2003 stattfand (die zweite soll in Tunis im November 2005 stattfinden). Seit 2001 hatte Tunesien eine regelrechte diplomatische Offensive gestartet, um von den Vereinten Nationen als Veranstaltungsort für den Weltgipfel der SMSI ausgewählt zu werden. Trotz zahlreicher Proteste von internationalen Menschenrechts-NROs, die versuchten, die Internationale Organisation für Telekommunikation als Veranstalter des Gipfels von der Annahme dieser Kandidatur abzubringen, wurde schließlich ein Kompromiß gefunden und entschieden, daß es zwei Gastgeberländer geben sollte: die Schweiz und Tunesien. […]

Für das Regime soll der Gipfel wie gewohnt eine Offensive des Charmes werden, um die Gäste, die nicht so genau auf die Tagesordnung schauen, falsche Tatsachen vorzuspiegeln. Doch bereits während des Treffens der Vorbereitungskommission im Juni 2004 und trotz gewaltigen Aufwands um den Aufenthalt der Teilnehmer in Hammamet so angenehm wie möglich zu gestalten, gewann dennoch das autoritäre Naturell des tunesischen Regimes die Oberhand und die Teilnehmer bekamen einen Vorgeschmack auf die Regie des 2005 bevorstehenden Gipfels. Sie konnten beobachten, wie in einer Diktatur Öffentlichkeit gestaltet wird: Verhinderung der Verteilung kritischer Tagungsunterlagen, Verhinderung von Redebeiträgen unabhängiger NROs in den Arbeitsgruppen, Unterbrechung der Stromversorgung, um unerwünschte Debatten abzubrechen, Unterbrechung der offiziellen Plenarsitzung, um die Vizepräsidentin der Tunesischen Liga für Menschenrechte (LTDH), Souhayer Belhassen, daran zu hindern, einen Antrag zu verlesen etc. […]

Die Bürokratie der Menschenrechte

Eine andere Form von Scheingebilden läßt sich aus der Vervielfachung von Organisationen ersehen, die in Tunesien über die Menschenrechte „wachen“. Amnesty International war die erste Organisation, die auf dieses wie es 1994 ihr Generalsekretär Pierre Sané nannte „ausgeklügelte System“ verwies: „Das tunesische System hat alle seine Nachbarn weit hinter sich gelassen, und zwar sowohl im Bereich der Rhetorik wie in der Repression gegenüber Menschenrechts-Aktivisten. Im Rahmen dieser Strategie zur Herstellung eines Markenzeichens wurde eine Vielzahl von Kommissionen und Komitees geschaffen. Abteilungen für Menschenrechte wurden in den Ministerien und Botschaften eingerichtet, um die allgemeine Wahrnehmung des Regimes zu verbessern, nicht jedoch seine Praktiken. Theoretisch hat diese offizielle Bürokratie die Aufgabe, Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und öffentlich zu machen, die von den Sicherheitskräften begangen werden. In Wirklichkeit ist es aber ihre Aufgabe, Kritik zurückzuweisen und Mißstände zu verdecken,“ schreibt Donatella Rovera, Forscherin im internationalen Sekretariat von Amnesty International.(7)

Und in der Tat rühmt sich das Regime in seinen offiziellen Veröffentlichungen zu „den Verwirklichungen der neuen Ära“ der Schaffung eines „Ministeriums für Justiz und Menschenrechte“, eines „Hohen Komitees für Menschenrechte und Grundfreiheiten“ und eines „nationalen Observatoriums für die Rechte der Kinder“ ebenso wie der Einrichtung von „Menschenrechtseinheiten“ im Justiz-, Innen-, und Außenministerium und der Schaffung einer „nationalen Kommission für die Erziehung im Bereich der Menschenrechte“ – und, last but not least, der Einrichtung des „Preises für Menschenrechte des Präsidenten der Republik“!

Die Schwarze Kasse „26/26“

Ein weiteres Kunstprodukt, das das Regime Ben Ali publikumswirksam vermarktet, ist der Nationale Solidaritätsfonds, der nach der Nummer seines Spendenkontos „26/26“ benannt ist. Er wurde 1993 eingerichtet als Teil des Kampfes gegen den Islamismus. Ben Ali rühmt sich dieser Einrichtung, indem er zugleich versucht vergessen zu machen, daß er aufgrund einer Empfehlung von UNDP und Internationalem Arbeitsbüro zustandekam: „Der Nationale Solidaritätsfonds, der die Grundlage unserer Initiative darstellt, ist ein originelles Experiment, dessen Erfolg uns dazu gebracht hat, ihn auf Weltebene zu propagieren. Dieser Fonds, den wir Tunesier den Fonds 26/26 nennen, gründet sich im Wesentlichen auf das Prinzip der Solidarität. Jenseits der Einzahlungen seitens des Staates alimentiert er sich aus Schenkungen und freiwilligen Beiträgen.“ (8)

In Wirklichkeit sind die behaupteten freiwilligen Beiträge eine Art privater Steuereintreibung, der sowohl Unternehmen, Angehörige des öffentlichen Dienstes als auch Selbständige unterworfen werden. Die Höhe ihrer „freiwilligen Beiträge“ wird vom Nationalen Solidaritätsfonds selbst festgelegt anhand einer Tabelle, die den Steuerzahlern monatlich zusammen mit dem Auszug aus ihrer Sozialversicherung zugeht. Eine Weigerung, diese Zusatzsteuer zu bezahlen, führt zu einer Steuererhöhung bei Unternehmen und privaten Haushalten, im öffentlichen Dienst hat er die Entlassung zur Folge. Schlimmer noch, auch Schüler müssen Beiträge leisten, anderenfalls müssen sie mit Strafen rechnen. So hat beispielsweise der Direktor des Gymnasiums von Bouhajla im Hof der Schule folgenden Aushang angebracht: „Diejenigen, die bis zum 4. Dezember 2003 ihren Beitrag zum 26/26 nicht erbracht haben, werden nicht zur Prüfung zugelassen.“ (9) Der junge Abdennasser Dhifaoui wurde im Klassenzimmer vom Direktor dieses Gymnasiums geohrfeigt, weil er es wagte zu antworten, daß sein Vater gegen diese Zahlung sei. Mehrere Schüler aus den Armenvierteln der Vororte von Tunis wurden wegen ausstehender Bezahlung bestraft.

Offiziell dient dieser Fonds dazu, „die Marginalisierung und Armut von mehr als eineinhalb Millionen Tunesiern zu verhindern“. Jedoch ist es „praktisch unmöglich, detaillierte Angaben über seine Verwendung zu bekommen; […] es gibt keine Liste der Empfänger, kein Organigramm der Verwaltungsstruktur, keinen Rahmen für die Verteilung der Mittel“ schreibt Béatrice Hibou, (10) und bezüglich der Einnahmen stellt sie fest: Offiziell betragen diese Einnahmen (im Jahr) durchschnittlich 10 Millionen EURO, ohne die Zuwendungen aus dem Staatshaushalt. […] In Wirtschaftskreisen werden diese Einnahmen auf rd. 27 Mio. EURO geschätzt, wovon etwa 26 Mio. allein von wichtigen Geschäftsleuten aufgebracht werden sollen.“ (11)

Unterstellt man, daß ein Teil des Fonds tatsächlich zur Bekämpfung der Armut verwendet wird – allerdings mit einer nur schwer meßbaren Wirkung, da seine Verwaltung im dunkeln bleibt –, so muß ein großer Teil der Mittel als eine Art Schwarze Kasse betrachtet werden, über die der Präsident verfügt. Béatrice Hibou betrachtet dies „als ‚Anzeichen der Privatisierung des Staates’, da die obligatorische Zahlung und das Fehlen öffentlicher Kontrolle den Schluß nahe legt, daß 26/26 eine Form privater Steuererhebung ist. Schließlich findet man darin auch Elemente des Personenkults von Ben Ali, der Initiator und alleiniger Inhaber des Nationalen Solidaritätsfonds ist. […] Und die guten Werke, die daraus finanziert werden, geschehen in seinem Namen, nicht in dem des Staates.“(12)

Enteignung und Strafaktion

Rechtswidriges Verhalten ist die andere Seite der neuen Sitten des Regimes. Im folgenden nur ein Beispiel unter vielen: Im November 1999 kehrte Hatem Ben Jemaa überstürzt in die Wohnung seiner Familie zurück, die den größten Teil eines Mehrfamilienhauses in Le Kram am Nordrand von Tunis (Anm. der Übersetzers: sehr gute Wohnlage) bewohnte. […] Besorgte Freunde hatten ihn benachrichtigt, daß Nachbarn, die im selben Haus eine bescheidenere Wohnung besaßen, wohl dabei seien, seine Wohnung zu besetzen und daß sie möglicherweise bereits die Türen aufgebrochen hätten. Tatsächlich stellte Hatem fest, daß die Tür aufgebrochen und die Wohnung verwüstet war und beschloß daher, die Nacht dort zu verbringen, um am nächsten Tag Anzeige zu erstatten. Gegen 23 Uhr besetzten mehrere Dutzend Beamte der Sondereinsatzkräfte, befehligt von hohen Offizieren des Sicherheitsdienstes, das Haus. Hatem wurde verhaftet und verbrachte die Nacht in Polizeigewahrsam. Er sollte nie wieder einen Fuß in seine Wohnung setzen, geschweige denn war es ihm möglich, seine Möbel zu retten. Die Besetzer legten der Justiz grobe Fälschungen von Besitztiteln vor und wurden niemals belangt. Wenige Monate später ließen sie das Haus mitten in der Nacht niederreißen, erstellten dann an dessen Stelle einen Neubau – ohne Baugenehmigung.

Sämtliche Beschwerden blieben folgenlos: Hatem und seinen Brüdern gelang es nicht, zu ihrem Recht zu kommen: Ihre Gegner waren die Neffen von Leila Ben Ali, geborene Trabelsi (Anm. der Übersetzers: die Ehefrau des Präsidenten). […] Einer von ihnen, Moez, fährt einen überaus teuren Geländewagen. Bewaffnet mit einem Baseballschläger und begleitet von Leibwächtern terrorisiert er den nördlichen Stadtrandbezirk von Tunis. Eine der bekanntesten Heldentaten von Moez Trabelsi ist die Strafaktion, die seine Handlanger gegen Professor Khalifa Kharrroubi am 2. August 2002 durchführten. Kharroubi ist promovierter Jurist und lehrt sein etwa 20 Jahren an der Juristischen Fakultät in Tunis. Zugleich hat er eine Rechtsanwaltskanzlei und übernimmt ausschließlich zivilrechtliche Angelegenheiten. So hatte er sich bereit erklärt, die Interessen der Gebrüder Ben Jemaa zu vertreten, und er hatte vor Gericht die schweren Rechtsverletzungen vorgetragen, derer sich die Gegenseite schuldig gemacht hatte. Als er in Begleitung seines jüngsten sechsjährigen Sohnes sein Haus verließ, wurde er von drei Männern im Solde von Moez Trabelsi brutal zusammengeschlagen und mehrfach verletzt. Als Zeugen die Polizei alarmierten, hütete sich diese zu intervenieren, obwohl der Polizeiposten weniger als einhundert Meter vom Tatort entfernt liegt. Am späten Nachmittag, als der Rechtsanwalt nach Behandlung seiner Verletzungen eine Klage zu Protokoll geben wollte, erklärte ihm der zuständige Beamte, daß eine Persönlichkeit, „die über dem Gesetz steht“, zugunsten seiner Angreifer interveniert habe. […]

Fußnoten
  1. Geisser, Vincent: Le président Ben Ali en campagne contre les «medias sataniques»; in: Kalima Nr. 4, Mai 2001. www.kalimatunisie.com/num4/index4 htm. Anm. des Übersetzers: «kalima» (Wort) ist eine von Sihem Bensedrine herausgegebene Zeitschrift, die in Tunesien verboten ist. Sie ist nur als Internet-Zeitschrift zugänglich.
  2. www.news.naseej.com, 14. Aug. 2004.
  3. So ein Flugblatt, das von 50 WROs („Wirklichen Regierungsorganisationen“) in Paris im Mai 2002 verteilt wurde unter dem Titel „Warum immer dieselben Aufständischen? Stopp der feindlichen und ungerechten Kampagne, die von Marginalen gegen Tunesien geführt wird.“
  4. Das Gesetz wurde angenommen anläßlich der Verleihung eines Preises der UNESCO an Mohamed Charfi, dem ehemaligen tunesischen Erziehungsminister, der zu diesem Zeitpunkt in Ungnade gefallen war.
  5. S. beispielsweise die Liste der Organisationen, die die Kandidatur Ben Alis bei der Präsidentschaftswahl im Oktover 2004 unterstützten. www.infotunisie.com zuletzt abgerufen im Sept. 2004.
  6. Nur ein Beispiel aus jüngster Zeit : Im März 2004, als eine Gruppe von Ärzten eine Vereinigung für medizinische Erziehung gründen wollte, wurde ihnen vom Innenminister mitgeteilt, daß, um die Zulassung zu erhalten, sie ein Gründungsmitglied ausschließen müßten, das wegen seines gewerkschaftlichen Engagements bekannt war.
  7. Zit. n. Lamloum, Olfa/Ravenel, Bernard: La Tunisie de Ben Ali. L’Harmattan, Paris 2002, S. 153.
  8. Schifres, Michel: Ben Ale: En matière de démocraties, il n’existe pas de modèle prêt-à-porter. Le Figaro, 3. Dez. 2003.
  9. Das Faksimile des Aushangs ist veröffentlicht in Kalima: www.kalimatunisie.com/num24/index.htm.
  10. Hibou, Béatrice: Les Marges de Manoeuvre d’un bon élève économique, la Tunisie de Ben Ali, Les Etudes du CERI, Nr. 60, Paris 199, S. 19.
  11. A. a. O. S. 20.
  12. Ebenda.
Aus: Sihem Bensedrine/Omar Mestiri: L’Europe et ses Despotes. Quand le soutien au ‘modèle tunisien’ dans le monde arabe fait le jeu du terrorisme islamiste. Europa und seine Despoten. Wenn die Unterstützung des ‘tunesischen Modells’ dem islamistischen Terrorismus in die Hände spielt. La Découverte, Paris 2004, 153 Seiten, Kommentare und Übersetzung von Werner Ruf. Dank an die freundliche Abdruckgenehmigung des Verlags.


Ein Blick in Ben Alis Preis-Vitrine
Beispiele von Preisen: Der Louise-Michel-Preis für Demokratie und Menschenrechte (1988); die Ehrenmedaille des internationalen Instituts für humanitäres Recht (1989); der Preis der Vereinigung „Zwei Hände für die Kindheit“ (1995); die Medaille der Weltgesundheitsorganisation „Gesundheit für alle“ (1996): die Goldene Medaille der Mittelmeerkonferenz der Gesellschaften der Roten Halbmonds und des Roten Kreuzes ((1997); das Emblem der arabischen Rechtsanwälte (1997); die erste Medaille des 50. Jahrestages der UNESCO (1997); die Ehrendoktorwürde der Universität Ancona (1997); die Verdienstmedaille der Weltpostunion (1997); das goldene Wappen der Arabischen Organisation für Erziehung, Kultur und Wissenschaft (1998); der Preis des internationalen Instituts für die Rechte der Kinder in der Schweiz (2000); die Goldmedaille der Weltorganisation des Unterwassertauchens (2000); das Wappen der arabischen Arbeits-Organisation (2000); die UNESCO-Medaille (2000); die Medaille der Welt-Tourismus-Organisation (2002); die Medaille des Verdienstordens der Weltorganisation der Ingenieure; das Ehrenabzeichen des regionalen Zentrums für Informationstechnologie und Program-Engineering in Kairo (2004); etc.




* Dieser Beitrag erschien in: inamo (Informationsprojekt Naher und Mittlerer Osten e.V.), Nr. 41, Jahrg. 11, Frühjahr 2005

Die Zeitschrift inamo erscheint vier Mal im Jahr und ist zu beziehen bei:
Redaktion inamo
Dahlmannstr. 31
10629 Berlin
(Tel.: 030/86421845; e-mail: redaktion@inamo.de )




Zurück zur Tunesien-Seite

Zurück zur Homepage