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Deutsche Unterstützung für Erdogan beenden

Rede von MdB Sevim Dagdelen am 24. Mai 2014 in Köln gegen den Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten

Liebe Freundinnen und Freunde,

Ich grüße euch im Namen der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag und überbringe euch die solidarischen Grüße meiner Kolleginnen und Kollegen und ganz besonders meines Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi, der es sehr bedauert heute nicht hier bei euch sein zu können.

DIE LINKE solidarisiert sich mit den Protesten in der Türkei und hier in Deutschland. Gerade auch vor dem Hintergrund der Mitverantwortung des AKP-Regimes für die Opfer des Bergwerkunglücks in Soma und der zynischen Verachtung, die Erdogan gegenüber den Angehörigen an den Tag gelegt hat, ist der Protest mehr als angemessen und überfällig!

Die Bundesregierung darf nicht weiter Deutschland zur Arena für einen Regierungschef werden lassen, der die Menschenrechte mit Füßen tritt. Die Bundesregierung darf nicht weiter Deutschland zur Arena für einen Regierungschef werden lassen, der der Korruption Tür und Tor öffnet und Leben von Hunderten Bergleuten der Profitgier ihm nahestehender Unternehmern geopfert hat. Und die Bundesregierung darf erst recht nicht Deutschland zur Arena für einen Regierungschef werden lassen, der die Polizei mit scharfer Munition auf die eigene Bevölkerung schließen lässt! Damit muss endlich Schluss sein!

Und ich bin froh, so viele von Euch heute hier zu sehen. Das ist bereits ein großer Erfolg. Zeigen wir Erdogan: Du bist nicht willkommen! Hetzer, Spalter und Kriegstreiber sind unerwünscht! Denn Erdogan und sein AKP-Regime gehören vor ein Tribunal in Ankara und nicht auf eine Tribüne in Köln!

Liebe Freundinnen und Freunde,

wie schon vor einem Jahr bei der Gezi-Park-Bewegung mit mehreren Toten lässt Erdogan erneut die massenhaften Proteste von Jugendlichen, Arbeitern und Gewerkschaften niederknüppeln und mit Gasgrananten und Gummigeschossen auseinandertreiben. Erneut werden Rechtsanwälte, die den Hinterbliebenen der getöteten Kohlekumpel beistehen wollten, festgenommen und misshandelt. Dieses menschenverachtende Regime verurteilen wir auf schärfste!

Zeigen wir aber auch ganz deutlich, dass wir die Nase voll haben von denen, die noch immer Erdogan und das AKP-Regime unterstützen oder Situation in der Türkei versuchen schönzureden. Jahrelang haben Brüssel und Berlin dem Amoklauf Erdogans gegen Demokratie und Menschenrechte tatenlos zugesehen. Die brutale Polizeigewalt in der Türkei gegen freiheits- und friedensliebende Demonstranten, die Unterdrückung von Aleviten, die Unterdrückung von Kurden und anderen Minderheiten, die Angriffe der AKP auf Gewerkschaftsrechte und die aktuellen Säuberungsaktionen im Polizei- und Justizapparat, um Ermittlungen gegen die Regierung zu unterbinden, wurden nicht ernsthaft verurteilt und blieben folgenlos für die Beziehungen. Ja die mörderische Privatisierungspolitik wurde und wird im neoliberalen Beitrittsprozess von der Bundesregierung und der EU-Kommission sogar immer gefordert! Und alle Parteien im Bundestag außer der LINKEN haben die Türkei im letzten November mit der Eröffnung eines neuen Beitrittskapitels für diesen Kurs sogar noch belohnt. Einzig wir LINKE haben -wie die Alevitische Gemeinde auch- gefordert, dass man die blutige Niederschlagung der Gezi-Proteste nicht mit neuen Beitrittskapiteln belohnen sollte. Deshalb will ich hier jetzt auch ganz ehrlich sein, empfinde ich die Kritik, die ich jetzt von den anderen Parteien an Erdogans Auftritt in Köln höre, als pure Heuchelei! Noch immer halten sie an der Waffen-, Militär- und Polizeihilfe für das AKP-Regime fest und haben erst kürzlich ein neues EU-Beitrittskapitel gestimmt und Erdogan in seinem Kurs somit ermutigt!

Deshalb liebe Freundinnen und Freunde, lasst uns von hier aus auch ein Signal senden. Wir sind nicht einverstanden mit dem Schulterschluss von Merkel und Erdogan! Das hat auch nichts mit deutsch-türkischer Freundschaft zu tun! Das ist im Gegenteil eine infame Kumpanei der Bundesregierung!

Die Bundesregierung aus CDU CSU und SPD muss endlich ein Zeichen setzen, dass sie Erdogans Marsch in einen islamistischen Unterdrückungsstaat Türkei nicht weiter unterstützt. Wir LINKE fordern die Beendigung der militärischen, polizeilichen und geheimdienstlichen Kooperation mit dem AKP-Regime! Wir fordern das Ende von Rüstungsexporten. Und wir LINKE fordern den Abzug des Patrioteinsatzes der Bundeswehr an der Grenze zu Syrien. Der Schutz eines autoritären Regimes am Bosporus darf nicht zu den Aufgaben der Bundeswehr zählen!

Denn, liebe Freundinnen und Freunde,

wir sind hier heute auch zusammengekommen um neben der repressiven Innenpolitik auch NEIN zu der außenpolitischen Aggression von Erdogan und der AKP zu sagen. NEIN zu einem Krieg gegen Syrien. Und es ist widerwärtig, dass Ankara gedeckt von Washington und Berlin die al-Kaida Milizen mit ausbildet und bewaffnet, denen schwerste Menschenrechtsverletzungen auch gegen Kurden, Christen und Alawiten vorgeworfen werden. Und jetzt bereitet die Türkei als NATO-Frontstaat auch noch mit false-flag-Operationen einen Angriffskrieg gegen Syrien vor wie wir in einem auf Youtube veröffentlichten Gespräch zwischen Aussenminster Davutoglu, dem Geheimdienstchef und stellvertretenden Generalstabschef staunend zur Kenntnis nehmen konnten. Wir sagen NEIN zu dieser Kriegstreiberei! Erdogan und Merkel: wir wollen euren Kriege nicht! Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland und in der Türkei will keinen Krieg gegen Syrien! Deshalb unsere unmissverständliche Botschaft von hier aus: Kriegstreiber unerwünscht!

* Quelle: Website von Sevim Dagdelen; http://www.sevimdagdelen.de


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