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Erdogans Weise

Türkische Regierung geht weitere Schritte im Friedensprozeß mit der PKK

Von Nick Brauns *

Tausende Kurden feierten am Donnerstag den 64. Geburtstag des inhaftierten Vorsitzenden der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) an dessen Geburtsort Amara in der südostanatolischen Provinz Urfa. »Heute ist nicht mein Geburtstag, sondern die Wiedergeburt aller Kurden«, bedankte sich Öcalan in einer Grußbotschaft, die er am Tag zuvor Abgeordneten der prokurdischen Partei für Frieden und Demokratie (BDP) auf der Gefängnisinsel Imrali übergeben hatte.

Unterdessen präsentierte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am Mittwoch abend einen von ihm handverlesenen 63köpfigen »Rat der Weisen« aus Journalisten, Künstlern, Intellektuellen, Akademikern, Menschenrechtsaktivisten sowie Vertretern der Wirtschaft. Dieser Rat solle »psychologische Operationen« durchführen, um die Öffentlichkeit für den laufenden Friedensprozeß mit der PKK zu gewinnen.

Auf der Liste finden sich neben Persönlichkeiten aus dem Umfeld der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP liberale Intellektuelle wie der Wissenschaftler Murat Belge, Kulturschaffende wie Regisseur Yilmaz Erdogan aber auch Vertreter oppositioneller Vereinigungen wie die Vorsitzende des Vereins der Angehörigen politischer Gefangener, Zübeyde Teker, und der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft KESK, Lami Özgen. Der als Vertreter der alevitischen Religionsgruppe in den Rat berufene Izzettin Dogan gilt unterdessen vielen Aleviten als »Marionette der Regierung«. Er sei niemals gefragt worden, ob er dem Gremium, dessen Kompetenzen unbekannt seien, angehören wolle, begründete der Vorsitzende der linksgerichteten »Konföderation der Revolutionären Arbeitergewerkschaften« (DISK), Erol Ekici, seinen Rücktritt aus dem Weisenrat.

Die Vorsitzende der prokurdischen BDP, Gültan Kisanak, zeigte sich enttäuscht darüber, daß dem Gremium nur zwölf Frauen angehören. Zudem fehlten direkte Vertreter der Kurden. Der Vizevorsitzende der kemalistischen Republikanischen Volkspartei CHP, Haluk Koc, verglich den Rat mit einer Wahlkampfagentur, während ein Sprecher der gegen jede Verhandlungslösung stehenden faschistischen Partei der Nationalistischen Bewegung MHP die Ratsmitglieder als »Idioten und Betrüger« titulierte

Weiterhin unklar ist, wann es zu dem von Öcalan vor zwei Wochen verkündeten Rückzug der Guerilla aus der Türkei kommen wird. Erdogan hatte mit seiner Bemerkung, die Guerillakämpfer müßten die Waffen niederlegen, bevor sie freies Geleit erhielten, für Irritationen gesorgt. »Eine Lösung kann nicht durch Drohungen erreicht werden«, erklärte Cemil Bayik von der PKK-Führung im Satellitensender Nuce TV. Ohne gesetzliche Garantien werde die Guerilla die Türkei nicht verlassen. »Der Waffenstillstand und der Rückzug unserer Einheiten haben nur dann Sinn, wenn sie dem Demokratisierungsprozeß in der Türkei und im Nahen Osten dienen«. Während Erdogan bislang eine von kurdischer Seite geforderte Einbindung des Parlaments in den Friedensprozeß strikt abgelehnt hatte, kündigte der stellvertretende AKP-Fraktionsvorsitzende Nurettin Canlikli am Mittwoch überraschend die Bildung einer nur beobachtend tätigen »Kommission zur Begutachtung des Lösungsprozesses« an.

Es sei ein schwerer Fehler des Staates gewesen, seine nicht-türkischen Bürger gewaltsam zu Türken gestempelt zu haben, gestand unterdessen Staatspräsident Abdullah Gül am Mittwoch vor Journalisten ein. Eine neue Verfassung könne auch ohne eine Definition aller Staatsbürger als »Türken« auskommen. Im Osmanischen Reich sei es normal gewesen, daß nicht alle Bürger Türken waren, mahnte Gül Gelassenheit in dieser Frage an.

* Aus: junge Welt, Freitag, 5. April 2013


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