Erdogan wünscht kurdisch "alles Gute"
Freude in der Türkei ist jedoch nicht ungeteilt
Von Jan Keetman, Istanbul *
Das neue Jahr begann in der Türkei mit einer kleinen Revolution. Das staatliche Fernsehen sendet nun auf einem Kanal 24 Stunden in Kurdisch.
Für die Eröffnungssendung hatte man bekannte kurdische Musiker engagiert. Eine aufgezeichnete Rede von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und eine Grußbotschaft von Staatspräsident Abdullah Gül wurden ebenfalls ausgestrahlt. Dabei sagte der Regierungschef tatsächlich: »Na, dann alles Gute!« – auf Kurdisch. Diese Worte wanderten sofort in die Überschriften türkischer Zeitungen, wenn auch meistens mit groben Schreibfehlern. In einem Land, in dem das Kurdische über Jahrzehnte verboten war und nach wie vor strikten Einschränkungen unterliegt, ist das wenig verwunderlich.
Begeistert war der irakische Staatspräsident Djalal Talabani. Der ehemalige kurdische Guerillaführer hatte sich erste Testsendungen in Kurdisch aus der Türkei kommen lassen. Danach äußerte er, dass sich auch die irakischen Kurden nur noch Programme aus der Türkei ansehen würden und nicht mehr das eigene kurdische Fernsehen – wenn das Programm wirklich so gut werde wie die Tests.
In der Türkei war die Freude indessen nicht allgemein. Gegen kurdische Sendungen ist natürlich die ultranationalistische Partei MHP. Die größte Oppositionspartei, die kemalistische CHP, ist ebenfalls nicht gerade angetan. Sie findet es unfair, dass gerade drei Monate vor den mit Spannung erwarteten Kommunalwahlen kurdische Sendungen auf einem Fernsehsender beginnen, der unter der Kontrolle der Regierung steht. Privaten Sendern sind nur vier Stunden kurdisches Programm pro Woche erlaubt. Dazu kommt eine Reihe von Auflagen, die nur schwer zu erfüllen sind.
Am wenigsten Gefallen finden jedoch die Rebellen der Kurdischen Arbeiterpartei PKK an den kurdischen Sendungen. Von ihrem Stützpunkt in den Bergen Nordiraks erklärte die PKK, dass jeder, der an den Sendungen teilnehme, ein Verräter sei. Den Rebellen geht durch den neuen kurdischen Kanal ein Monopol verloren. Bisher sendete nur der als PKK-nah bekannte Satellitensender Roj TV für die schätzungsweise 12 Millionen türkischen Kurden in ihrer Sprache. Daneben konnten auch kurdische Programme des iranischen Fernsehens und die Sender der irakischen Kurden empfangen werden. Dadurch war das türkische Sprachverbot auf dem Äther ohnehin längst gebrochen. Im türkischen Nachrichtendienst MIT setzte sich daher schon vor Jahren die Meinung durch, die Türkei dürfe der PKK und den irakischen Kurden nicht das Monopol auf kurdisches Fernsehen überlassen.
Nach dem Beginn der kurdischen Sendungen deutete Erdogan weitere Schritte mit Bezug auf das Kurdische an. Einzelheiten nannte er jedoch nicht. Gleichzeitig verkündete der Vorsitzende des Hochschulrates YÖK, Yusuf Ziya Özcan, Pläne für die Eröffnung kurdologischer Fakultäten an zwei Universitäten in Istanbul und Ankara. Solche Pläne bestanden bisher nur für zwei noch in der Gründungsphase befindliche Universitäten in Mardin und Hakkâri.
Schließlich wurde Erdogan von Reportern bedrängt, seinen kurdischen Satz doch zu wiederholen. Der Regierungschef der Türkei tat es und sagte in die Kameras: »Bi xer be« (sprich: »bi chär bä«) »Na, dann alles Gute!« Damit wollte ihn die Nachrichtenagentur Anadolu jedoch nicht zitieren und ließ die kurdischen Worte im Text des Ministerpräsidenten einfach aus. »Bi xer be!«
* Aus: Neues Deutschland, 3. Januar 2009
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