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"Demokratische Autonomie als Lösungsweg"

Kurdische Vereine in Deutschland begrüßen Deklaration des "Kongresses für eine demokratische Gesellschaft" (DTK)


Am 21. Juli 2011 fand in Diyarbakir (Türkei) ein Kongress kurdischer zivilgesellschaftlicher Organisationen statt, auf dem die Delegierten eine Deklaration verabschiedeten, die wir im Folgenden dokumentieren. Das Kurdenproblem gehört zu den am meisten vernachlässigten Themen der internationalen Politik. Und das politische Klima in der Türkei ist wieder rauer geworden.


Demokratische Autonomie als Lösungsweg

Die 850 Delegierten des „Kongresses für eine demokratische Gesellschaft“ (DTK) haben sich am Donnerstag in Amed (Diyarbakir) für die sofortige Ausrufung der „Demokratischen Autonomie“ zur Lösung der kurdischen Frage in der Türkei ausgesprochen. „Das kurdische Volk will nicht länger eine Bevölkerung ohne Status sein. Es gibt keine andere Volksgruppe auf der Welt, die wie die KurdInnen mit 40 Millionen Menschen keine Rechte hat“, heißt es in der Deklaration des DTK als Dachverband kurdischer zivilgesellschaftlichen Institutionen.

Demokratische Autonomie bedeutet die Bildung einer Föderation selbstorganisierter Kommunen in Kurdistan nach den Prinzipien der Basisdemokratie, Ökologie und Geschlechterbefreiung. Die Demokratische Autonomie soll ihren Bürgerinnen und Bürgern grundlegende Rechte wie das Recht auf die eigene Identität und Muttersprache garantieren.

Die „Demokratische Autonomie“ bedeutet nicht die Spaltung der Türkei, sondern ihre Stärkung, da nur die demokratische Selbstorganisation die Möglichkeit zum geschwisterlichen Zusammenleben aller Menschen und Völker des Landes bietet. Der DTK erklärt ausdrücklich: „Als kurdisches Volk erklären wir unsere demokratische Souveränität, während wir zugleich an der nationalen Einheit der Türkei, die wir als unser gemeinsames Mutterland betrachten, an ihrer territorialen Integrität und der Perspektive einer demokratischen Nation festhalten.“

Als Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland – Yek Kom begrüßen wir die Ausrufung der Demokratischen Autonomie aus vollem Herzen. Wir hoffen, dass damit ein Weg eröffnet wurde, der dem kurdischen Volk endlich die volle Anerkennung seiner demokratischen, kulturellen und sozialen Rechte garantiert.

Mit Sorge sehen wir, dass die türkische Justiz bereits einen Tag nach Ausrufung der Demokratischen Autonomie deswegen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat. Mit Trauer haben wir zudem erfahren, dass erneut bis zu 20 junge kurdische und türkische Männer bei Militäroperationen in der Provinz Diyarbakir ihr Leben ließen. Ihr Tod ist die Folge des Unvermögens und Unwillens der türkischen Regierung, die kurdische Frage durch Dialog zu lösen.

Wir appellieren an die internationale Öffentlichkeit und die türkische Regierung, die Ausrufung der Demokratischen Autonomie als Chance für eine friedliche Lösung zu begreifen. Die Rechte, die sich die Kurdinnen und Kurden mit der Demokratischen Autonomie selber erkämpft haben, brauchen jetzt ihre Absicherung in einer neuen freiheitlich-demokratischen und egalitären Verfassung für alle Bürgerinnen und Bürger der Türkei. Doch um an der Diskussion zu einer neue Verfassung im Parlament teilzunehmen, müssen alle sechs noch inhaftierten Abgeordneten des Blocks für Arbeit, Demokratie und Freiheit aus dem Gefängnis entlassen werden.

Es lebe unsere Demokratische Autonomie Kurdistans!

Es lebe die Geschwisterlichkeit der Völker in der Türkei!

Freiheit für alle politischen Gefangenen!


* Quelle: N û ç e, wöchentliche Informationen aus Kurdistan und der Türkei, 22. Juli 2011; www.nadir.org


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