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Ankara nach Druck aus Washington eingeknickt

Energiepakt zwischen Iran und Türkei vorerst geplatzt. Teheran lehnt türkisches Vermittlungsangebot im Atomstreit ab

Von Nico Sandfuchs, Ankara *

Ankara wird vorerst keinen Vertrag über den Ausbau der türkisch-iranischen Beziehungen im Energiesektor unterzeichnen. Dies teilte der türkische Staatspräsident Abdullah Gul am Donnerstag abend bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem iranischen Amtskollegen Mahmud Ahmadinedschad in Istanbul mit. Vertreter beider Seiten hatten noch am Dienstag verkündet, daß der bereits seit einem Jahr verhandelte Energiepakt »unterschriftsreif« sei und während des zweitägigen Besuchs des iranischen Präsidenten in der Bosporus-Metropole unterzeichnet würde. In dem Vertrag geht es um den Bau einer weiteren Gaspipeline zwischen den beiden Ländern und um einen 3,5 Milliarden Dollar schweren Deal der staatlichen türkischen Ölgesellschaft (TPAO) zur Ausbeutung von Gasfeldern im Südiran.

Washington und Tel Aviv hatten im Vorfeld scharf gegen die Einladung Ahmadinedschads protestiert, da diese eine Aufweichung der Bestrebungen zur internationalen Isolierung Teherans darstelle. Nur wenige Stunden vor der Ankunft des iranischen Präsidenten in Istanbul warnte die US-Administration zudem vor der Unterzeichnung eines Abkommens mit dem Iran. »Ein solcher Vertragsschluß wäre zum jetzigen Zeitpunkt das falsche Signal. Jetzt ist nicht die Zeit, um Geschäfte mit dem Iran zu tätigen. Sondern jetzt ist (...) auch für unseren Alliierten Türkei die Zeit gekommen, sich Gedanken über weitere Maßnahmen gegen den Iran zu machen«, ermahnte das US-Außenministerium die türkischen Entscheidungsträger.

Ankara war am Freitag (15. August) bemüht, dem Eindruck entgegenzuarbeiten, daß ein Zusammenhang zwischen den US-amerikanischen »Bedenken« und dem plötzlichen Abrücken von dem Energiepakt bestehen könnte. Man sei keinesfalls vor dem Druck aus Wa­shington »eingeknickt«, wurde hinter den Kulissen verbreitet. Vielmehr sei der Vertrag an »iranischen Nachbesserungswünschen« gescheitert. Warum Teheran allerdings einen Vertrag platzen lassen sollte, der ein handfester diplomatischer Erfolg gegen die Isolationsbestrebungen Washingtons gewesen wäre, konnte nicht plausibel gemacht werden.

Der iranische Besuch reagierte sichtlich verärgert auf den türkischen Sinnungswandel. So mochte man bei dem Versuch Ankaras, seine Rolle als Regionalmacht durch eine Vermittlungsinitiative im internationalen Atomstreit aufzuwerten, am Donnerstag nicht mehr mitspielen. Dem Vorschlag des türkischen Präsidenten, ein Treffen zwischen der Iran-Sechsergruppe (USA, China, Rußland, Großbritannien, Frankreich, Deutschland) und Teheran in Istanbul zu organisieren, erteilte Ahmadinedschad vor der Presse eine deutliche Abfuhr. Zwar sei der Iran nach wie vor »an einer Dialoglösung interessiert« – als Vermittler komme die Türkei dabei aber nicht in Frage, lautete die Antwort auf das Angebot.

Auch wenn der Energiepakt nicht zustande kam – einen weitreichenden Vertrag haben die beiden Länder, von der Presse nahezu unbeachtet, dennoch unter Dach und Fach gebracht. Man habe sich auf einen »intensiven Austausch von Geheimdienstinformationen und auf intensive gegenseitige Hilfe« im Kampf gegen die kurdischen Guerillaorganisationen PKK und PJAK verständigt, teilte Innenminister Besir Atalay am Donnerstag mit. Durch den »wichtigen Vertrag« würde die seit drei Jahren bestehende Zusammenarbeit im »Kampf gegen den Terror« deutlich ausgebaut.

* Aus: junge Welt, 16. August 2008


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