Ankara bedrängt Bagdad
Erdogan und Maliki vereinbarten "Anti-Terror-Abkommen"
Von Karin Leukefeld *
Der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki traf am Dienstag mit
einer 30-köpfigen Delegation zu Gesprächen mit seinem türkischen Amtskollegen Tayyip Erdogan in
Ankara ein. Maliki führt die Gespräche mit Erdogan vor dem Hintergrund einer kapitalen
innenpolitischen Krise: Sein Kabinett droht zu zerbrechen.
Angesichts des umfangreichen Gesprächsstoffs und -bedarfs, den es auf türkischer Seite gegenüber
der irakischen Regierung gibt, fiel der Staatsbesuch mit knapp 24 Stunden Dauer sehr kurz aus. Im
Mittelpunkt der Gespräche stand ein bilaterales Sicherheitsabkommen gegen »interne und externe
terroristische Aktivitäten«, womit in erster Linie die Operationen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)
gemeint sind, die im irakisch-kurdischen Kandilgebirge Stützpunkte unterhält. Die Türkei erwartet
den Austausch geheimdienstlicher Aufklärung, Auslieferung, verstärkte Sicherheitsvorkehrungen an
den Grenzen, Verhinderung von Waffenschmuggel und ein präventives Vorgehen der irakischen
Armee gegen die PKK. Außerdem soll PKK-Angehörigen und Anhängern der »Ruheraum« im
kurdischen Nordirak genommen werden, indem ihre Kommunikationsmittel, Rundfunk und
Fernsehen, gekappt und ihre Basen zerstört werden.
»Die irakische Regierung hat dazu gar nicht die Mittel«, dämpfte Nihat Ali Ozcan die hohen
Erwartungen auf der türkischer Seite. Ozcan arbeitet in der Türkischen Stiftung für Wirtschaft, Politik
und Forschung. »Wenn sie (die Iraker) die PKK als ›terroristische Organisation‹ verurteilen, ist das
schon viel.« Die in Nordirak amtierende Autonomieregierung unter Masud Barsani hat ein
militärisches Vorgehen gegen die PKK mehrfach abgelehnt.
Dabei beobachtet Ankara die Entwicklung im Norden Iraks, wo sich die Kämpfer der PKK frei
bewegen können, mit Argusaugen. Unbestätigten Medienberichten zufolge sollen 200 000 türkische
Soldaten entlang der irakisch-türkischen Grenze stationiert sein. Am vergangenen Wochenende
waren nach Angaben kurdischer Grenzposten 350 türkische Soldaten einen Kilometer weit auf
irakisch-kurdisches Gebiet vorgedrungen, während türkische Artillerie den Ort Zakho und
umliegende Dörfer beschossen haben soll. Die türkische Seite schweigt zu den Berichten.
Neben der »Terrorismusbekämpfung« standen auf der Tagesordnung der Gespräche zwischen
Erdogan und Maliki auch Abkommen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit Irak hofft auf
Stromlieferungen und Wiederaufbauhilfe aus der Türkei. Bagdad würde es nach Angaben von
Regierungssprecher Ali Dabbagh überdies begrüßen, wenn die Türkei die ausgesetzten dreiseitigen
Gespräche – Irak, Türkei, USA unter Teilnahme der kurdischen Autonomieregierung – wieder
aufnehmen würde. Die türkische Seite schließt das aus: Strategische Gespräche seien eine Sache
zwischen der Türkei und Irak.
Schließlich wird Ministerpräsident Erdogan seinen irakischen Amtskollegen auffordern, das
vorgesehene Referendum über die Zukunft der Ölstadt Kirkuk zu stoppen. Die kurdische
Autonomieregierung hofft, dass dieses verfassungsrechtlich verankerte Referendum, das im
November 2007 stattfinden soll, zum Anschluss Kirkuks an die kurdischen Autonomiegebiete führt.
Die Türkei fürchtet in dem Fall mit Unruhen der Kurden im eigenen Land.
Am heutigen Mittwoch reist Maliki mit seiner Delegation weiter nach Teheran, wo möglicherweise
ebenfalls der Umgang mit der PKK auf der Tagesordnung stehen wird. Nach Angaben kurdischer
Medien hat die iranische Armee nach heftigen Gefechten mit der PKK-Guerilla in den vergangenen
Tagen die Region Haci Umran im iranisch-irakischen Grenzgebiet bombardiert. Menschen kamen
nicht ums Leben, allerdings brannten Felder ab und die Bevölkerung flüchtete.
Im iranischen Meriwan wurde unterdessen eine Ausgangssperre verordnet, nachdem es wegen der
Todesurteile gegen zwei kurdische Journalisten zu heftigenProtesten und Straßenschlachten
gekommen war.
* Aus: Neues Deutschland, 8. August 2007
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