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Kämpfe im türkisch-irakischen Grenzgebiet

Kurdische PKK legte neuen Vorschlag zur friedlichen Lösung des Konflikts vor

Von Karin Leukefeld *

Widersprüchliche Informationen gibt es über eine militärische Auseinandersetzung zwischen dem türkischen Militär und Kämpfern der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im türkisch-iranisch-irakischen Dreiländereck.

Wie die türkische Armee am Montag mitteilte, habe man bei Einsätzen gegen die PKK im Südosten des Landes zwei Bewaffnete getötet. Es handele sich um Hintermänner eines Angriffs auf einen Grenzposten, bei dem 13 Soldaten starben. Die Armee hatte am Wochenende erstmals nach der Ermächtigung durch Parlament und Regierung Rebellen der PKK in Nordirak angegriffen. Dabei sollen einer bis zu 60 Kämpfer starken Gruppe südöstlich der türkisch-kurdischen Grenzstadt Cukurca »schwere Verluste« zugefügt worden sein. Es seien »Spezialkräfte« zum Einsatz gekommen, so die türkischen Militärs. Allerdings wurde nicht mitgeteilt, ob diese »Spezialkräfte« in Irak einmarschierten oder ob der Angriff aus der Luft erfolgte.

In westlichen Medien wurde auf Grundlage der Armeemeldung berichtet, das türkische Militär sei im Zuge der Operation in den kurdischen Nordirak einmarschiert. Sowohl Sprecher der PKK als auch der kurdischen Regionalregierung dementierten aber einen solchen Einmarsch. Fuad Hussein, Büroleiter des kurdischen Präsidenten Massud Barsani, erklärte, möglicherweise habe es türkischen Artilleriebeschuss auf nordirakisches Kurdengebiet gegeben. Man erwarte aber wegen des kurz bevorstehenden Wintereinbruchs keine Bodenoffensive.

Auch Jabar Jawar, Sprecher der kurdischen Peschmerga-Verbände, dementierte eine türkische Invasion, so wie der befehlshabende Offizier der kurdisch-irakischen Grenztruppen, Oberst Hussein Tamir. Im arabischen Nachrichtensender »Al Dschasira« nannte der politische Analyst Cengiz Aktar die Operation »Routine«. »Chirurgische Nadelstichaktionen« habe das türkische Militär schon früher durchgeführt. Die neueste Meldung bezeichnete Aktar als »PR-Übung« der Armee. Am wahrscheinlichsten ist wohl, dass die PKK-Gruppe bei ihrem Rückzug ins Winterquartier in den iranisch-irakischen Khandil-Bergen von der türkischen Luftwaffe angegriffen wurde, wie es schon oft vorgekommen ist. Bei der Ortung der Gruppe dürften Aufklärungsflugzeuge der NATO (AWACS), die das Gebiet routinemäßig überfliegen, Hilfestellung gegeben haben.

Wenig mediale Aufmerksamkeit fand bisher dagegen ein neuer Vorschlag der PKK für eine friedliche Lösung der Situation in der Türkei. Wie die Informationsstelle Kurdistan e.V. in Hamburg mitteilte, wurde ein sieben Punkte umfassender Vorschlag veröffentlicht, dessen Ziel es sei, die Waffen niederzulegen und eine politische Lösung für die Kurden in der Türkei zu finden.

Voraussetzung sei die »Anerkennung der kurdischen Identität und deren verfassungsmäßiger Schutz«, wobei die Türkei als »übergeordnete Identität« anerkannt werden soll. In den Siedlungsgebieten der Kurden im Südosten der Türkei soll Kurdisch als zweite offizielle Sprache gebilligt werden. Gefordert wird auch der Schutz der anderen in der Türkei lebenden Nationalitäten, das Recht auf freie politische Betätigung, Organisationsfreiheit, Schutz für Frauen und die Aufhebung sozialer Ungerechtigkeit.

Als »Projekt der gesellschaftlichen Versöhnung« wird die Freilassung und Rehabilitierung aller politischen Gefangenen, einschließlich Abdullah Öcalans, vorgeschlagen. Das Militär, insbesondere Spezialeinheiten, sollen sich aus den kurdischen Gebieten zurückziehen, das Dorfschützersystem soll abgeschafft werden. Damit Flüchtlinge in ihre Dörfer zurückkehren können, wird die »Entwicklung sozialer und wirtschaftlicher Projekte« verlangt. Kommunalverwaltungen sollen durch neue Gesetze gestärkt werden. In einem parallelen Prozess erklärt sich die PKK bereit, die Waffen niederzulegen und sich legal in das »demokratische und gesellschaftliche Leben« zu integrieren

* Aus: Neues Deutschland, 4. Dezember 2007


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