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Stolperstein Stasi

Regierungsbildung in Tschechien stockt wegen ungeklärter Vergangenheit des designierten Ministers Andrej Babiš

Von Reinhard Lauterbach *

Nicht nur in Deutschland dauert die Regierungsbildung nach den Wahlen im Herbst lange. In Tschechien stand zwar relativ kurz nach der Parlamentswahl vom 25. und 26. Oktober fest, wer die künftige Regierungskoalition bilden würde: die sozialdemokratische CSSD, die neu ins Parlament gekommene Partei ANO des Milliardärs Andrej Babiš und die christdemokratische KDU. Die vor den Wahlen als Option diskutierte Beteiligung der tschechischen Kommunisten in Form einer Koalition oder Tolerierung scheiterte an den Zahlen.

Doch die Besiegelung der geplanten Koalition stößt auf unerwartete Schwierigkeiten. Denn Andrej Babiš, Besitzer eines Agrarchemikalienkonzerns und einer Mediengruppe, soll in den achtziger Jahren mit der Staatssicherheit der sozialistischen Tschechoslowakei zusammengearbeitet haben. Dies behauptet zumindest die »Stasiunterlagenbehörde« der Slowakei. Bei ihr liegt eine etwa 30seitige Akte, die über einen Mann namens Andrej Babiš angelegt wurde. Sollte sich der Verdacht bestätigen, dürfte Babiš nach dem tschechischen »Lustrationsgesetz« nicht an leitender Stelle im öffentlichen Dienst tätig werden; die Unterschrift unter der angeblichen Verpflichtungserklärung ist freilich ein unleserlicher Krakel. Babiš, der eigentliche Sieger der tschechischen Wahl vom Oktober, verwahrt sich gegen den Verdacht, er habe eine Verpflichtungserklärung unterzeichnet. Der zweitreichste Mann Tschechiens räumte lediglich ein, daß er im Rahmen seiner Tätigkeit in einer Außenhandelsfirma gelegentlich dienstliche Gespräche mit Vertretern der Staatssicherheit gehabt habe. Bei denen soll es auch nach Aussage seiner Gegner nicht um die Bespitzelung politischer Gegner gegangen sein, sondern um die Bekämpfung von Wirtschaftsstraftaten. Daß der Umgang mit Valuta in den devisenhungrigen Wirtschaften des sozialistischen Europas manche Begehrlichkeit wecken konnte, bedarf keiner Erläuterung.

Babiš hat gegen die slowakische »Stasiunterlagenbehörde« auf Feststellung geklagt, daß er kein Mitarbeiter der Staatssicherheit seines Landes gewesen sei. Die nächste Runde des Verfahrens soll im Januar stattfinden. Ob aber ein »Freispruch« an seiner Situation etwas ändern würde, ist nicht ausgemacht. Denn der Leiter der entsprechenden Behörde in Prag hat bereits erklärt, für ihn sei jedes Urteil der slowakischen Kollegen nur ein weiteres Blatt in der Akte und als solches nicht bindend. An dieser Stelle kommt nun die Politik wieder ins Spiel. Der tschechische Präsident Miloš Zeman, ein Exsozialdemokrat, der mit seiner früheren Partei aus persönlichen Gründen tief zerstritten ist, hat angekündigt, er werde sich streng an Recht und Gesetz halten – und so seiner einstigen Partei die Regierungsbildung erschweren. Babiš seinerseits machte deutlich, daß er langsam genug von dem Stöbern in seiner Vergangenheit hat und daß ihn auch vorgezogene Neuwahlen im Frühjahr nicht schrecken würden. Denn alle Umfragen sagen voraus, daß seine Partei dann mit Leichtigkeit stärkste politische Kraft im Lande werden könnte.

Aus dem umgekehrten Grund möchten die tschechischen Sozialdemokraten Neuwahlen 2014, wenn es irgend geht, vermeiden. Sie hatten schon bei den Oktoberwahlen weit unter ihren Erwartungen abgeschnitten und müßten fürchten, in der Wählergunst noch weiter abzusacken. So denken sozialdemokratische Parteiführer inzwischen öffentlich darüber nach, das »Lustrationsgesetz« mit seiner Ämtersperre für Mitarbeiter der ehemaligen Staatssicherheit überhaupt aufzuheben. Es interessiere inzwischen niemanden im Lande mehr, außer intrigierenden Politikern und sensationshungrigen Journalisten. Hilfsweise schickten sie Juristen vor. Die prüfen inzwischen allen Ernstes, ob ein Minister überhaupt Mitarbeiter seines eigenen Ministeriums ist. Denn nur dann würde das Gesetz ja für ihn gelten.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 5. Dezember 2013


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