Sobotka in Prag mit der Regierungsbildung beauftragt
Die Differenzen mit möglichen Koalitionspartnern der Sozialdemokraten sind jedoch nicht ausgeräumt
Von Jindra Kolar, Prag *
Tschechiens Staatspräsident hat den Chef der Sozialdemokraten (ČSSD), Bohuslav Sobotka, mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Doch die Verhandlungen gestalten sich schwierig.
Das Treffen zwischen Staatspräsidenten Miloš Zeman und Bohuslav Sobotka fand bereits am Donnerstagabend statt. Die ČSSD bildet die größte Fraktion im tschechischen Abgeordnetenhaus, sodass die Auftragsvergabe folgerichtig war. Das hatte Präsident Zeman bereits bei einem vorangegangenen Treffen mit Sobotka in seiner Sommerresidenz Lany angekündigt. Wer letztlich die Regierung führen wird, sagte ein Sprecher des Präsidialamtes, werde jedoch erst Anfang Dezember festgelegt.
Die ČSSD führt seit den Wahlen am 25. und 26. Oktober intensive Gespräche mit der zweitgrößten Fraktion, der Aktion unzufriedener Bürger (ANO), und mit den wieder ins Parlament zurückgekehrten Christdemokraten der KDU-ČSL. Die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens (KSČM), die mit 33 Mandatsträgern als dritte Kraft im Abgeordnetenhaus vertreten ist, wird aller Voraussicht nach auf den Oppositionsbänken Platz nehmen.
Zu einem erfolgreichen Abschluss sind die Koalitionsgespräche allerdings noch nicht gediehen. Sowohl ANO als auch die Christdemokraten beharren in einzelnen Fragen auf Positionen, die mit denen der Sozialdemokraten unvereinbar sind. Das größte Streitthema ist die Rücknahme des von der bürgerlichen Regierung unter Petr Nečas beschlossenen Gesetzes über die Rückgabe von Kircheneigentum. Mit dieser Verordnung wollte die von der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) geführte Regierung die Beschlagnahme von Kirchengütern und -ländereien aus dem Jahre 1948 rückgängig machen.
Sowohl im Wahlprogramm der Sozialdemokraten als auch in dem der Kommunisten wurde eine Aufhebung des umstrittenen Gesetzes versprochen. Denn für die Rückgabe des Kircheneigentums müsste der Staat 75 Milliarden Kronen (2,7 Milliarden Euro) sofort und nochmals 59 Milliarden Kronen in den kommenden 30 Jahren zahlen – eine Summe, die in der gegenwärtigen Krise nicht aufzubringen ist. Die Christdemokraten – wie auch Kirchenvertreter – beharren aber auf dem Gesetz und sehen keine Möglichkeit einer Einigung mit der ČSSD. Beim Treffen mit dem Präsidenten sei das Thema Restitution nicht angeschnitten worden, sagte Sobotka. Die kommunistische Fraktion kündigte ihrerseits einen Antrag an, über das Gesetz per Volksbefragung entscheiden zu lassen.
Die Rückgabe der Kirchengüter sei ihm eine unwichtige Frage, erklärte derweil Andrej Babiš. Der Großindustrielle, Chef von ANO, kündigte jedoch an, in der Problematik der Steuererhöhung für Unternehmen und Besserverdienende unnachgiebig mit den Sozialdemokraten verhandeln zu wollen. Während es für die ČSSD aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit unverzichtbar ist, einen Steuerausgleich derart herzustellen, dass untere Einkommen geringer belastet, die Mehrwertsteuer für lebenswichtige Produkte und Kinderartikel gesenkt und dafür Besserverdienende und prosperierende Unternehmen stärker zur Kasse gebeten werden, sieht Babiš in diesen Maßnahmen eine Konjunkturbremse.
Sobotka erklärte etwas lakonisch, er wünschte sich, dass sich Herr Babiš nicht nur zur Steuerfrage erkläre, sondern auch dazu, wie sich die Industrie eine Unterstützung von Maßnahmen zum sozial ausgewogenen Wachstum sowie zum Abbau der Arbeitslosigkeit vorstelle. Denn diesbezüglich mangele es bisher noch an Vorschlägen seitens ANO, bemängelte der ČSSD-Chef.
* Aus: neues deutschland, Samstag, 23. November 2013
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