Prager "Putschisten" treten zurück
Sozialdemokratenchef Sobotka geht gestärkt aus parteiinternen Kämpfen hervor
Von Jindra Kolar, Prag *
Zwei Wochen nach der Parlamentswahl in Tschechien scheint der Weg für eine Regierungsbildung frei zu werden. Die innerparteilichen Auseinandersetzungen sind beigelegt.
Die Querelen in der tschechischen Sozialdemokratie sind zugunsten des Parteichefs Bohuslav Sobotka bereinigt worden. Präsident Miloš Zeman soll den ČSSD-Chef als Vertreter der stärksten Fraktion im Abgeordnetenhaus mit der Kabinettsbildung beauftragen.
Sobotka ging damit gestärkt aus den innerparteilichen Zwistigkeiten hervor. Noch am Wahlnachmittag des 26. Oktober hatten sich Spitzenvertreter der Sozialdemokratie mit Zeman getroffen, um über das Wahlergebnis und eine bevorstehende Regierung zu debattieren. Das Geheimtreffen in Lany sah eine Absetzung des Parteichefs und eine Inthronisierung Zeman-gefälliger Kandidaten vor. Doch der Handel flog 48 Stunden später auf, vom Putsch der Stellvertreter war die Rede: Im Mittelpunkt der Affäre standen die beiden stellvertretenden Parteivorsitzenden Michal Hašek und Jeronym Tejc. Sie und der Landeshauptmann des Plzener Bezirks, Milan Chovanec, warfen im Gespräch mit Zeman Parteichef Sobotka vor, für das schlechter als erwartet ausgefallene Wahlergebnis verantwortlich zu sein, und forderten den Rücktritt. Die ČSSD konnte sich mit 20,5 Prozent der Stimmen zwar als stärkste Fraktion behaupten, aber noch im Sommer sahen die Prognosen 30 und mehr Prozent.
Doch der Plan der »Putschisten« verkehrte sich ins Gegenteil. Ihnen wurden Geheimabsprachen und Verschweigen des Treffens vorgeworfen, am Freitag zogen sie die Konsequenzen und traten zurück.
Offiziell darf sich der Präsident nicht anmerken lassen, dass er sein Spiel verloren hat. Denn es war unübersehbar, dass die Absprachen zwischen ihm und den Parteivizes getragen waren von Rachegefühlen ob der verlorenen Präsidentenwahl 2003: Damals scheiterte Zeman gegen Vaclav Klaus, und man ging davon aus, dass die Ursache des Debakels das Veto Sobotkas war. Nun muss Zeman, dessen eigene Partei der Bürgerrechte (Zemanovci) nicht ins Parlament einzog, dem Chef der Sozialdemokraten die Regierungsbildung antragen. Der sondiert inzwischen bereits nach Koalitionspartnern – nach dem Credo der ČSSD aus den 90er Jahren scheiden die Kommunisten trotz ihrer starken Fraktion von 33 Abgeordneten aus. Bleiben als potenzielle Partner die neu aufgestiegene Aktion unzufriedener Bürger (ANO) des Milliardärs Andrej Babiš und die Christdemokraten von der KDU-CSL.
Einfach wird die Kabinettsbildung nicht sein. Vieles deutet auf Fortsetzung des Patts, zumal auch die erfolgreiche Bewegung Babiš’ keine homogene und eingesessene Partei ist, die Fraktionsdisziplin aufbringen könnte. Der Chef der Christdemokraten, Pavel Belobradek, hat für den Fall einer Koalitionsteilnahme seiner Partei bereits erklärt, selbst nicht für ein Regierungsamt zur Verfügung zu stehen.
* Aus: neues deutschland, Samstag, 9. November 2013
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