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Rechtsaußen setzt Necas unter Druck

Tschechiens Regierung kommt nicht zur Ruhe

Von Jindra Kolar, Prag *

Wieder war in Prag eine Regierungskrise beizulegen. Bildungsminister Josef Dobes willigte am Dienstag (30. Aug.) auf Drängen des Außenministers Karel Schwarzenberg ein, seinen umstrittenen Personalchef Ladislav Batora abzusetzen. Schwarzenbergs Partei erklärte daraufhin, sie werde an den Kabinettstisch zurückkehren.

Die Dreiparteienregierung unter Ministerpräsident Petr Necas kommt nicht zur Ruhe. Waren es erst die dubiosen Verwicklungen der Partei Öffentlichen Angelegenheiten (Veci verejne – VV) in die Firmenmechanismen des zurückgetretenen Verkehrsministers Vit Bartas, so erschütterten nun die Äußerungen des Personaldirektors im Bildungsministerium, Ladislav Batora, die Grundmauern der Koalition.

Batora hatte in Facebook den Chef der liberal-konservativen Partei TOP 09, Außenminister Karel Schwarzenberg, ein »armes altes Hascherl« betitelt. Der Fürst fühlte sich beleidigt und konterte scharf: »Einen Mann wie Batora auf diesem Posten zu belassen ist, als vertraue man einem Pädophilen eine Mädchenschule an.« Solche Töne ist man in Prag von dem nie um ein Bonmot verlegenen Schwarzenberg durchaus gewöhnt. Doch bei einem Treffen mit tschechischen Diplomaten warnte der Außenminister ernsthaft, es sei gefährlich, Leute wie Batora mit profaschistischen Ideen auf verantwortungsvollen Posten im Bildungsministerium zu belassen. Der Schutz der Menschenrechte und der »Kampf gegen faschistoide Tendenzen« seien Leitlinien seines politischen Lebens, fügte Schwarzenberg hinzu. Konsequent forderten die Minister seiner Partei die Abberufung Batoras. So lange diese Forderung nicht erfüllt sei, würden sie allen Kabinettssitzungen fernbleiben.

Wer ist der Mann, der so viel Aufsehen und politische Unruhe in Prag erregt? Ladislav Batora ist gegenwärtig Präsident der Aktion D.O.S.T. Die Großbuchstaben stehen für Glaube, Objektivität, Freiheit und Tradition. »Dost« heißt zu Deutsch aber auch »Es reicht!« Die Organisation steht für Europaskepsis und Konservatismus, sie vereinigt konservativ-katholische Inhalte mit tschechischem Nationalismus.

Als parteiloser Bewerber hatte sich Batora für die rechtsextreme Nationalpartei 2006 ins Parlament wählen lassen. Mehrfach erregte er Aufsehen durch antisemitische Äußerungen, aber auch mit Ausfällen gegen Sinti und Roma auf. Heftig verurteilte er die Genehmigung des Prager Bürgermeisters für den ersten Umzug Homosexueller in der tschechischen Hauptstadt.

Obwohl er auf dem Posten des Personaldirektors im Bildungsministerium nicht unmittelbar eine politische Funktion ausübt, gelingt es Batora immer wieder, mit seinen Äußerungen und Haltungen in die Schlagzeilen zu kommen. Seine Aktion D.O.S.T. bereitet sich darauf vor, zur politischen Partei zu werden. Ihre Mitglieder wirbt sie vor allem vom rechten Rand der Demokratischen Bürgerpartei (ODS). Regierungschef Petr Necas, zugleich ODS-Vorsitzender, betrachtet Batoras Aktivitäten schon deshalb skeptisch. Jetzt ging es aber um mehr – nämlich um den Koalitionsfrieden. Also »empfahl« auch Necas dem Bildungsminister Josef Dobes (VV), seinen Personalchef zurückzuziehen. Dobes reagierte auf den Druck und teilte am Dienstag mit, Batora werde ein anderer Posten in seinem Ministerium angeboten.

Besonders brisant ist, dass Batora seine bisherige Funktion im Bildungsministerium den guten Beziehungen zu Staatspräsident Vaclav Klaus verdankt. Es waren Mitarbeiter von Klaus, die den Europaskeptiker förderten. Und eben diese Nähe zum Präsidenten könnte Batora eine außerordentliche Reputation verschaffen und seine Bewegung zu einem Sammelbecken aller europaskeptischen Politiker werden lassen.

Außenminister Schwarzenberg fürchtet überdies um die gutnachbarlichen Beziehungen zu Deutschland, da die Aktion D.O.S.T. auch deutschenfeindliche Stimmungen im Lande schürt.

Es ist eine fatale Schwäche des gegenwärtigen Regierungschefs Petr Necas, kaum eine Forderung an seine Minister durchsetzen zu können. Ohne eine strikte Absage an Batora – und damit auch ein Machtwort gegenüber VV-Minister Dobes – könnte der Rechtsaußen-Beamte doch noch zu einer Sprengkapsel für die Prager Regierung werden.

* Aus: Neues Deutschland, 31. August 2011


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