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Helfer von Arche de Zoé begnadigt

Nach Freilassung stehen noch Gerichtsverfahren in Frankreich aus

Von Ralf Klingsieck, Paris *

Die sechs Mitglieder der Kinderhilfsorganisation Arche de Zoé wurden am Montagnachmittag vom Präsidenten Tschads begnadigt und am Abend aus der Haft in Frankreich entlassen.

Sechs Franzosen hatten im vergangenen Oktober versucht, 103 Kinder aus Tschad nach Frankreich auszufliegen. Zur Begründung hatten sie behauptet, dass es sich dabei um Kriegswaisen der Bürgerkriegsregion Darfur im benachbarten Sudan handelte. Tatsächlich stammten jedoch fast alle Kinder aus Tschad und hatten fast durchweg noch Eltern oder nahe Verwandte. Das musste den Mitgliedern der Organisation vor Ort selbst klar geworden sein, wie Film- und Tonaufnahmen von Journalisten belegen, die die Aktion verfolgt hatten.

Die Enthüllungen über den skrupellosen Entführungsversuch lösten in Tschad, aber auch in Frankreich große Empörung aus. Hier hatte die Kinderhilfsorganisation bei Familien, die Kriegswaisen aus Darfur aufnehmen wollten und damit die Hoffnung verbanden, sie später vielleicht adoptieren zu können, bis zu 6000 Euro pro Familie eingesammelt, mit denen die Operation finanziert wurde. Die französischen Behörden verurteilten die Aktion und erklärten, dass sich die Festgenommenen dafür vor der Justiz von Tschad zu verantworten hätten.

Dort wurden alle Angeklagten zu jeweils acht Jahren Zwangsarbeit und gemeinsam zu einer Entschädigung von 6,3 Millionen Euro verurteilt, die den Eltern oder Verwandten der entführten Kinder zugutekommen sollen. Danach wurden die Verurteilten nach Frankreich überführt, wo ihre Strafe in acht Jahre Gefängnis umgewandelt wurde.

Eine von Frankreichs Regierung bemühte Begnadigung durch Tschads Präsident Idriss Déby, wollte dieser davon abhängig machen, dass zuvor die Entschädigung gezahlt würde. Außenminister Bernard Kouchner beeilte sich zu erklären, dass dafür die französische Regierung keinesfalls aufkommen würde. Die Hilfsorganisation selbst ist bankrott, und auf sie warten noch Entschädigungsprozesse getäuschter französischer Familien.

Warum die Begnadigung nun doch so schnell kam, ist unklar. Premier François Fillon hat jedenfalls am Dienstag in einem Rundfunkinterview versichert, dass Frankreich nicht gezahlt hat. Klar ist aber, dass sich die anfangs sehr harte Haltung Débys mit der Zeit abgemildert hat. Die bilateralen Beziehungen hatten sich verbessert, als sich Anfang dieses Jahres bei einem Angriff von Rebellen auf die Hauptstadt N’Djamena das dort stationierte französische Militärkontingent zugunsten der Regierungstruppen engagierte.

Davon profitierten nun offensichtlich die Mitglieder von Arche de Zoé. Auf mindestens vier von ihnen – den Chef Eric Breteau und seine Lebensgefährtin Emilie Lelouch sowie zwei Logistiker – warten jetzt allerdings Prozesse vor französischen Gerichten wegen Adoptionsbetrugs und Beihilfe zur illegalen Einwanderung.

Der Arzt Philippe van Winkelberg und die Krankenschwester Nadia Mérimi müssen nicht mit einem Strafprozess rechnen, aber über ihnen schwebt wie über den anderen vier Begnadigten nach wie vor das Damoklesschwert der millionenschweren Entschädigungsforderung. Der Arzt schließt auch nicht aus, seinerseits gegen Breteau zu klagen, weil er sich von diesem »arglistig über die Ziele der Aktion getäuscht« fühle. Er wollte schließlich nur »Menschenleben retten und nicht Kinder stehlen«.

* Aus: Neues Deutschland, 2. April 2008


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