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Rückzug der Blauhelme

Die UN-Truppen im Osten des Tschad stabilisierten vor allem die Herrschaft von Präsident Déby

Von Stefan Inführ *

Nach Gesprächen zwischen der tschadischen Regierung und UN-Vertretern in den vergangenen Tagen scheint eine Verlängerung des noch bis 15. März geltenden UN-Mandats unwahrscheinlich. Laut Patrick Cammaert, der das dänische Kontingent leitet, werde nun ein Zeitplan für den geordneten Abzug des bis zu 5200 Mann starken Kontingents ausgearbeitet.

Offizielle Aufgabe des 2007 begonnenen UN-Einsatzes (MINURCAT) ist der Schutz von etwa 200000 sudanesischen Flüchtlingen aus der östlich angrenzenden Krisenregion Darfur sowie die Unterstützung von humanitären Hilfsorganisationen. Tatsächlich konnten die regelmäßigen Übergriffe von bewaffneten Gruppen auf die an der Grenze zum Sudan gelegenen Flüchtlingscamps durch die Militärpräsenz des Westens nicht unterbunden werden. Erst vor wenigen Wochen hatten sich sechs Hilfsorganisationen – unter ihnen das Rote Kreuz sowie Ärzte ohne Grenzen – aus dem zentralafrikanischen Staat zurückgezogen. Nach wiederholten Geiselnahmen und Morden wurde die Sicherheitslage als zu gefährlich für eine Fortführung der Hilfsaktionen eingeschätzt.

Während sich die humanitäre Lage im Osten des Tschad kaum gebessert hat, wurde das Regime von Präsident Idriss Déby gefestigt. Der seit 1990 regierende Déby war in den vergangenen Jahren wiederholt von Rebellengruppen angegriffen worden, die bis in die Hauptstadt N’Djamena vordrangen. Mittlerweile sind die zuletzt ausschließlich im Süden aktiven Regierungsgegner nach mehreren Niederlagen geschwächt. Das geschah nicht zuletzt aufgrund der militärischen und technischen Hilfe der im Tschad stationierten Truppen der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich.

Anfang Januar wurde mit Djibrine Dassert einer der wichtigsten Anführer der bewaffneten Widerstandsgruppen gefangengenommen. In einem junge Welt vorliegenden Schreiben fordert nun die »tschadische Aktion für die Einheit und den Sozialismus« die Freilassung Dasserts und weiterer Kämpfer. Die Organisation erinnert in diesem Zusammenhang an das Schicksal des Oppositionspolitikers Ibni Oumar Saleh. Dieser »verschwand« 2008 nach der Festnahme durch Regierungstruppen und wurde wahrscheinlich von Déby-Anhängern ermordet. Auch im Machtapparat selbst gilt der Präsident als wenig zimperlich. Im Rahmen eines derzeit laufenden Korruptionsskandals ließ Déby unter anderem den Bildungsminister, den Bürgermeister der Hauptstadt sowie mehrere Staatssekretäre und Sektionschefs verhaften.

Gemessen an ihren veröffentlichten Zielen ist MINURCAT gescheitert. Im Laufe der UN-Militärpräsenz wurde vor allem das Déby-Regime gestützt. Der tschadische Herrscher, zuverlässiger Verbündeter vor allem Frankreichs, gilt als Garant dafür, daß westliche Ölkonzerne auf die beachtlichen Ölvorkommen des Landes zugreifen können.

* Aus: junge Welt, 8. Februar 2010


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