Basisnah
Erstmals wird eine Frau Premierministerin auf Trinidad & Tobago
Von Martin Ling *
In der Karibik ist es keine Seltenheit, für Trinidad & Tobago indes ein Novum: eine Premierministerin. Am 26. Mai legte Kamla Persad-Bissessar ihren Amtseid ab.
Am Pfingstmontag (24. Mai) hatte die von ihr geführte und vor kurzem formierte Fünf-Parteien-Koalition Partnerschaft des Volkes
der Nationalen Volksbewegung (PNM) eine bittere Niederlage verpasst. Die PNM regierte die
Zwillingsinseln seit der Unabhängigkeit 1966 fast ausnahmslos. Nur 1986 bis 1991 und 1995 bis
2001 stellten andere Parteien den Premier.
Kamla Persad-Bissessar ist Frau, indischstämmig und Hindu. Das ist nicht unwesentlich in einem
Staat, in dem traditionell vorwiegend entsprechend der ethnischen Herkunft gewählt wird: Die
afrikanischstämmigen Einwohner stimmen für die PNM, die indischstämmigen Nachkommen der
nach Abschaffung der Sklaverei 1834 angeworbenen Vertragsarbeiter wählen den Vereinten
Nationalkongress UNC. Ihm steht die studierte Juristin Persad-Bissessar seit Januar 2010 vor,
nachdem sie den Übervater der Partei, Basdeo Panday, Premier von 1995 bis 2001, bei
parteiinternen Wahlen besiegen konnte.
Persad-Bissessar arbeitete vor ihrem Einstieg in die Politik vorwiegend als Universitätslehrerin,
sammelte während eines Studienaufenthaltes in London jedoch auch Erfahrungen als
Sozialarbeiterin und gilt als basisverbunden. Der Einstieg in die Politik erfolgte mit 35 Jahren 1987
als Stadträtin. Seit 1995, als der UNC erstmals die afrotrinidadische Dominanz durchbrach und die
Regierungsgeschäfte übernahm, sitzt sie für ihre Heimatregion Siparia im Parlament in Port of
Spain. In Pandays Regierungszeit bis 2001 war sie als Generalstaatsanwältin, Justiz- und
Erziehungsministerin tätig.
Mit dem Wahlsieg ist sie nun endgültig aus dem Schatten von Panday getreten, der sich seit
geraumer Zeit in einem Korruptionsverfahren verantworten muss. Vor allem der Schachzug, eine
multiethnische Parteienkoalition aus der Taufe zu heben, dürfte in einem Land, in dem Indisch- und
Afrikanischstämmige jeweils rund 40 Prozent der Bevölkerung stellen, zum Sieg beigetragen haben
– nebst den jüngsten Korruptionsskandalen der Regierung, die in vorgezogene Wahlen mündeten.
* Aus: Neues Deutschland, 28. Mai 2010
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