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Mehr Demokratie für Königreich im Pazifik

Parlamentswahl auf Tonga gibt Signal für politischen Wandel

Von Thomas Berger *

Ein klares Signal für politische Reformen und einen grundsätzlichen Wandel im ältesten Königreich der Region haben die Stimmberechtigten unter den 100000 Einwohnern Tongas bei der Parlamentswahl am Donnerstag gesetzt. Die Vertreter des sogenannten Demokratie-Lagers erhielten sechs der neun zu vergebenden Sitze. Mit über 11000 Stimmen, gut 4000 vor dem Nächstplazierten, erhielt Akilisi Pohiva den mit Abstand stärksten Rückhalt der Wähler. Er ist einer der Mitbegründer und wichtigster Vertreter der Menschenrechts- und Demokratiebewegung, die nach dem Recht des Inselstaates nur in Massenorganisationen wirken darf. Politische Parteien sind auf Tonga verboten. Sein enger Vertrauter Isileli Pulu wurde wie schon beim letzten Wahlgang 2004 Zweiter.

Auch wenn die Freude über das gute Abschneiden bei den Aktivisten groß ist, wird es nicht zu schnellen Änderungen kommen. Die neun gewählten Abgeordneten machen im Parlament des einzigen nie von Europäern kolonisierten Staates im Südpazifik nicht einmal ein Drittel aus. Weitere neun bestimmen die 33 Adligen aus ihren Reihen, und gleich ein ganzes Dutzend werden direkt vom König ernannt. In aller Regel sind dies dann auch die Minister, die die Regierung bilden. Kein anderes Land der Region wird so undemokratisch beherrscht.

Pohiva, der schon 19 Jahren in der parlamentarischen Vertretung präsent ist, kämpft deshalb für eine grundlegende Staatsreform, die lediglich die konstitutionelle Monarchie unangetastet lassen würde. Im November 2006 waren die Proteste der Demokratiebewegung erstmals gewaltsam eskaliert. Einige Agents provocateurs machten Randale, in deren Folge in der Hauptstadt Nuku’alofa fast das gesamte von Chinesen dominierte Geschäftsviertel niederbrannte. Die Aufarbeitung der damaligen Ereignisse, bei denen sechs Menschen zu Tode kamen, ist bis heute nicht abgeschlossen. Die 150 ausländischen Soldaten, welche die großen Nachbarn Australien und Neuseeland als Ordnungstruppe entsandt hatten, zogen nach einem Monat wieder ab.

In dem auch wirtschaftlich gebeutelten Inselstaat sind die Hoffnungen stark gesunken, daß König George Tupou V.– im September 2006 nach dem Tod seines 41 Jahre regierenden Vaters auf den Thron gelangt – sich als Reformgarant betätigen würde. Der Sieg bei der Parlamentswahl eröffnet Pohiva, Pulu und anderen trotz aller Beschränkungen die Möglichkeit, weiter für eine politische Neuordnung zu streiten. Notfalls auch auf die Gefahr hin, dafür abermals im Gefängnis zu landen. Die exponiertesten Vertreter der Bewegung mußten dieses Schicksal schon erleiden.

* Aus: junge Welt, 28. April 2008


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