Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Togos Opposition bläst zum Volksaufstand

Proteste gegen angeblichen Wahlsieger Faure Gnassingbé Eyadéma

Von Martin Ling*

Die Wahlkommission in Togo hat Faure Gnassingbé Eyadéma zum Sieger der Präsidentenwahl erklärt. Die Opposition spricht von Wahlfälschung und ruft zum Volksaufstand auf, während ihre Anhänger auf den Straßen der Hauptstadt Lomé auch in der Nacht zum Mittwoch ihre gewalttätigen Proteste fortsetzten. Insgesamt kamen seit dem Wahlsonntag mindesten 11 Menschen ums Leben.

Der Befriedungsplan der westafrikanischen Wirtschafts- und Staatengemeinschaft ECOWAS für Togo scheint schon vor seiner Umsetzung gescheitert. Nigerias Präsident Olusegun Obasanjo hatte noch am Abend des Wahlsonntags die politischen Führer Togos nach Abuja geladen, um sie auf eine friedliche Lösung einzuschwören. Das Mittel: eine Regierung der nationalen Einheit mit Machtteilung. Sowohl Faure Gnassingbé Eyadéma, Sohn des von 1967 bis zu seinem Tod im Februar 2005 amtierenden Diktators Gnassingbé Eyadéma, als auch der Oppositionschef Gilchrist Olympio, Sohn des ersten togoischen Präsidenten Sylvanus Olympio (1960-63), hatten im Prinzip zugesagt. Doch beide gingen von einem Wahlsieg ihrer Partei und damit von der Position des Stärksten in einer Koalitionsregierung aus. Die Rechnung konnte nicht aufgehen.

Nun kündigte Oppositionsführer Gilchrist Olympio, dessen Vater Sylvanus mutmaßlich von Eyadéma 1963 ermordet wurde, auf »Radio France Internationale« an, das Wahlergebnis nicht zu akzeptieren, weil es massive Fälschungen gegeben habe. Ein führender Vertreter des Oppositionsbündnisses, Isidore Latzoo, ging noch einen Schritt weiter und rief in Zeitungen zum Volksaufstand auf.

Die staatliche Wahlkommission hatte den Regierungskandidaten Faure Gnassingbé am Dienstag zum Sieger erklärt. Nach Angaben der Wahlkommission entfielen auf ihn 60 Prozent beziehungsweise 1,4 Millionen Stimmen. Der gemeinsame Kandidat der Opposition, der 74 Jahre alte Emmanuel Akitani, kam demnach auf 38 Prozent oder knapp 850000 Stimmen. Eine Sprecherin der ECOWAS, die Beobachter entsandt hatte, sprach von einem generell befriedigenden Verlauf der Wahlen. Aber vor allem in Oppositionsvierteln seien am Wahlsonntag Wahllokale überfallen und Stimmzettel geraubt worden. Akitani erklärte sich gestern ungeachtet des offiziellen Ergebnisses zum Präsidenten. »Togoer und Togoerinnen, euer Präsident spricht zu euch, ja euer Präsident, weil wir die Wahl nicht verloren haben, die Wahl vom 24.April. Das solltet ihr wissen und wachsam bleiben«, sagte Akitani vor Journalisten in Lomé.

Schon nach Verkündung des Wahlergebnisses setzten tausende Oppositionelle in allen Teilen der Hauptstadt Lomé Barrikaden aus Reifen und gefällten Bäumen in Brand. Läden vor allem von libanesischen Geschäftsleuten wurden geplündert. Bei heftigen Kämpfen in den Hochburgen der Opposition wurden Brandflaschen geworfen. Die Polizei setzte Tränengas ein. In der Innenstadt gewann das Militär am Mittwochmorgen offenbar die Kontrolle zurück.

Der zum Wahlsieger erklärte 39-jährige Diktatorensohn Faure Gnassingbé bot der Opposition eine Regierung der nationalen Einheit an. Doch die Position des Juniorpartners lehnt Olympio ebenso wie das Wahlergebnis mit dem Verweis auf massive Wahlfälschungen ab.

Ohnehin hatte sich Faure Gnassingbé nur nach massivem Druck der ECOWAS auf Wahlen eingelassen. Nach dem Tod seines Vaters war Gnassingbé vom Militär inthronisiert und die Verfassung vom Parlament auf ihn zugeschnitten worden. Erst als die ECOWAS mit Reise- und Finanzsanktionen gegen den Eyadéma-Clan drohte, ruderte Gnassingbé zurück, übergab den Präsidentenjob pro forma an Abass Bonfah, machte die Verfassungsänderungen rückgängig und kündigte Neuwahlen an.

Trotz ihrer alles andere als demokratischen Vergangenheit wurde die Regierungspartei Sammlung des Togoischen Volkes (RPT) von der ECOWAS mit der Organisation der Wahlen betraut. Spekulationen, dass Frankreich, das einst Eyadéma über Jahrzehnte stützte, die ECOWAS zum Umschwenken auf einen sanfteren Kurs bewegt haben soll, sind zumindest in der Opposition weit verbreitet.

Dass die Opposition nun schnell klein beigibt, ist unwahrscheinlich. Allerdings ist auch unwahrscheinlich, dass sich der entscheidende Machtfaktor, die Armee, auf ihre Seite schlägt. 80 Prozent der Soldaten gehören zur Ethnie der Eyadémas, der Kabiye, und mehr als 20 Prozent der höheren Offiziere stammen gar aus Pia, dem Geburtsort des langjährigen Diktators. Der Schatten des Alten ist lang und lastet schwer auf der Gegenwart und der Zukunft des Landes.

* Aus: Neues Deutschland, 28. April 2005


Zurück zur Togo-Seite

Zurück zur Homepage