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Bangkoker erleben die autofreie Stadt

Thailands Oppositionsführer Suthep droht Regierungsmitgliedern mit Kidnapping

Von Daniel Kestenholz, Bangkok *

Nach zwei Tagen friedlicher Demonstrationen gegen die Regierung hat der Hauptwidersacher von Thailands Ministerpräsidentin Yingluck für den heutigen Mittwoch eine Eskalation angedroht.

Der thailändische Protestführer Suthep Thaugsuban scheint bald so bedrängt wie seine Erzfeindin, Premierministerin Yingluck Shinawatra. Suthep fehlen die versprochenen »Millionen Demonstranten«. Jetzt schmiedet er, in die Enge gedrängt, immer bizarrere Pläne und will Yingluck und Minister kidnappen. Deren Familienmitgliedern rät er zur Flucht, »bevor der Ernstfall ausbricht«.

Yingluck, deren Deeskalationsstrategie Suthep stets einen Schritt voraus ist, entgegnet kühl, es gehe ihr nicht um Macht, sie habe die Demokratie zu verteidigen. Nicht zuletzt dank Yinglucks Kurs der Nicht-Konfrontation herrscht in Bangkok trotz aller Hassrhetorik von den Protestbühnen noch immer Ruhe.

Die sonst immer geschäftige Metropole im friedlichen Ausnahmezustand hat ihren ganz eigenen Reiz: Nie sah Bangkok weniger Autos auf den Straßen. Wo sonst pausenlos eine Blechlawine rollt, werden gratis Zelte ausgegeben. Vorab aus dem oppositionellen Süden angekarrte Oppositionelle campen auf den belagerten Kreuzungen. Für Autos gibt’s kein Durchkommen.

Wie oft hat Bangkok schon autofreie Sonntage ausgerufen. Niemand hielt sich daran. Bangkoker sind zu bequem, um auf Klimaanlagen auf vier Rädern zu verzichten. Jetzt gibt es sie endlich, die autofreien Zonen, und sie laden zum Flanieren ein. Ein paar zynische Stimmen schlugen Oppositionschef Suthep schon für Umweltpreise vor.

Entlang Teilen der Hauptverkehrsachsen Sukhumvit und Rama 1, wo sonst endlose Autokolonnen vorbeikrauchen, kann jetzt sorglos spaziert werden. Krämer bieten von Snacks über T-Shirts, Nationalfähnchen und Trillerpfeifen mitsamt Ohrenstöpsel alles feil, was das Demonstrantenherz begehrt.

Die Regierungsgegner in ihren autonomen Zonen sind professionell organisiert. Flugs errichteten sie Bühnen, Großküchen und Absperrungen, an denen schwarzgekleidete Schlägertypen den Verkehr umleiten. In den Küchen wird pausenlos gebrutzelt. Essen gibt's gratis. Rund um die Uhr zu protestieren zehrt schließlich aus. Die Regierungsgegner gehören bei Laune gehalten.

Zugegeben, auch viele apolitische Pendler mögen Suthep, weil er ihnen ein paar Tage Urlaub ermöglicht. Zähneknirschend schließen Unternehmer ihre Betriebe. Was den Verkehr mächtig drosselt. Selbst in Hoch- und U-Bahn gibt es derzeit Sitzplätze, und wer mit dem Auto irgendwohin muss, schafft es in der Hälfte der Zeit.

Doch das entspannende Bangkok der Belagerer, die ausharren wollen, bis Regierungschefin Yingluck die Segel streicht, wird Momentaufnahme bleiben. Die Einnahmeausfälle wachsen stündlich. Thailands Wirtschaft stottert schon so. Menschen verlieren Geld.

Noch herrscht in den Protestzonen ein Volksfest. Selbst Touristen schlendern mit Kameras im Anschlag durch das bunte Getümmel. Thailands Währung und Börse zogen am Dienstag auch erstmals seit Wochen wieder an. Das Tempo, mit dem Suthep die Rhetorik aufdreht, ist für Beobachter Zeichen dafür, dass dem Protest die Puste ausgeht. Doch die Armee, die unlängst – angeblich für den thailändischen Kindertag – beeindruckendes Kriegsgerät in die Hauptstadt schaffte, hat dieses noch immer nicht in die Provinzen zurückgebracht.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 15. Januar 2014


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