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Thailands Opposition läuft sich warm

Für Montag kündigen die Regierungsgegner die »Stilllegung« der Millionenmetropole Bangkok an

Von Daniel Kestenholz, Bangkok *

Thailands Regierungsgegner wollen die Acht-Millionen-Metropole Bangkok am kommenden Montag völlig lahmlegen. »Shutdown« (Stilllegung) nennen sie ihren Massenprotest auf Englisch.

Am Donnerstag war die Generalprobe: Mehrere Tausend Oppositionsanhänger marschierten durch die Stadt. Ihr Anführer Suthep Thaugsu-ban sammelte in einem Plastiksack Geld von Unterstützern am Straßenrand. Die nach drei Jahren relativer Ruhe wieder aufgeflammten Unruhen führen Thailand an den Rand des Abgrunds.

Durch die Sperrung von sieben Hauptverkehrsachsen in Bangkok, die Blockade von Ministerien und Kappung von Strom- und Wasserzufuhr am kommenden Montag wollen die Regierungsgegner den Druck auf Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra erhöhen und die für den 2. Februar anberaumten vorfristigen Neuwahlen verhindern. Denn diese Wahlen würde Yingluck allen Umfragen zufolge wieder gewinnen. Das aber will Suthep verhindern.

Obwohl die Demonstranten einen friedlichen Protest versprechen, bildet sich bereits ein militanter »Studentenflügel« aus Schlägertypen zusammen, die das letzte Mal wohl vor vielen Jahren eine Schulbank gedrückt haben. In der thailändischen Hauptstadt droht Chaos – und Armeechef Prayuth Chan-ocha macht aus seinen Sympathien inzwischen kein Geheimnis mehr. Als traditioneller Verbündeter der Monarchie und der alten Bangkoker Elite will der General das Eingreifen der Armee nicht länger ausschließen: »Die Tür ist weder offen noch geschlossen«, erklärte er. Thailands Streitkräfte haben seit dem Ende der absoluten Monarchie 1932 nicht weniger als 18 Mal geputscht. Der bisher letzte Putsch im Jahre 2006 trieb die Regierung von Yinglucks Bruder Thaksin Shinawatra aus dem Amt.

Die jetzige Regierungschefin warnte den Armeechef zwar, ein Putsch sei »nutzlos«. Pravuth Chan-ocha aber machte die Regierung schon im Voraus für einen möglichen Ausbruch von Gewalt verantwortlich. Dies, obwohl es Oppositionsführer Suthep Thaugsuban ist, dem jedes Mittel recht zu sein scheint, Yingluck zur Aufgabe und zum Rückzug aus der Politik zu zwingen. »Die Blockade wird mindestens sieben Tage dauern«, kündigte Nitithorn Lamlua an, ein Vertrauter Sutheps. »Jegliche Gewalt wird von den Sicherheitskräften ausgehen, nicht von uns«, stimmte er das Publikum auf das Geschehen ein.

Eigentlich läuft gegen Suthep Thaugsuban ein Haftbefehl, doch der ehemalige Vizepremier bewegt sich wie ein freier Mann, während seine Demonstranten generalstabsmäßig eine Blockade planen, die der Wirtschaft Millionenschäden zufügen und weitere Touristen davon abhalten wird, ins Königreich zu reisen. Vernunft hat indes längst keinen Platz mehr in Thailands Politik. Suthep und sein Gefolge setzen auf eine Hasskampagne gegen den Clan um Thaksin Shinawatra, dem er vorwirft, seiner Schwester aus dem Exil in Dubai das Handeln zu diktieren.

Die Regierung wiederum bietet zwar 14 000 Sicherheitskräfte für Montag auf, stimmt die Bevölkerung jedoch auf massive Staus ein und verweist sie auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Das soll den Unmut über die Provokationen Sutheps schüren, der sich gelegentlich wie ein kleiner Diktator aufspielt. Doch der mehrmals von ihm versprochene »Tag des Sieges« ist bisher noch immer ausgeblieben und die Reihen seiner Anhänger begannen sich schon zu lichten.

Zu Beginn der Proteste war es Mode, mit Trillerpfeifen und Nationalfähnchen durch die Straßen zu ziehen und sich anschließend zum Kaffee zu treffen. Jetzt geht es auch der Bevölkerung ans Portemonnaie. Der Baht, die thailändische Währung, bricht ein und heizt die Inflation an, Airlines streichen wegen des Ausbleibens von Touristen Flüge nach Bangkok und Gegengruppen fordern ein Ende der Proteste. An der Hauptverkehrsachse Viphavadee prangt auf einer riesigen Reklametafel der Schriftzug: »Stoppt Sutheps ›Shutdown‹, er schadet der Wirtschaft schwer!« Doch der Mann, der die Nation noch mehr zu spalten scheint als Thaksin, sieht sich auf einer Mission, die er notfalls bis ins Martyrium durchziehen will.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 10. Januar 2014


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