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Progressive Ansätze

Thailands Militärjunta stellt Haushalt 2015 vor und plant prägnante Steuerreformen sowie Investitionen in Schienenverkehr

Von Thomas Berger *

Mehr Geld für Bildung, Gesundheit und Verteidigung, Festhalten an wichtigen Infrastrukturprojekten und effizienterer Mitteleinsatz bei verstärkter Kontrolle über die Ausgaben – das sind die Eckdaten des thailändischen Haushaltes, den die Militärjunta in Bangkok jetzt dem Übergangsparlament (NLA) vorgestellt hat. Armeechef Prayuth Chan-ocha ist in der vergangenen Woche zum Premierminister einer Interimsregierung ernannt und am Montag von König Bhumibol Adulyadej offiziell im Amt bestätigt worden. Sein wichtigstes Ziel bleibt ein immerhin auf niedrigem Niveau fortgesetztes Wirtschaftswachstum. Die Militärmachthaber, die im Mai bei einem unblutigen Putsch zur Beendigung der politischen Dauerkrise die Herrschaft in dem südostasiatischen Königreich übernommen haben, peilen für das kommende Jahr einen Wert um die zwei Prozent an. Der Nationale Rat für Frieden und Ordnung (NCPO) gab bekannt, daß im laufenden Jahr ein Wachstum zwischen 1,5 und 2,5 Prozent erreicht werden könnte. Zudem soll die Inflation unterhalb der Drei-Prozent-Marke in Schach gehalten werden.

Das Etatvolumen für 2015 beläuft sich auf 2,57 Billionen Baht, umgerechnet rund 64 Milliarden Euro. Der größte Einzelposten ist mit 502 Milliarden Baht der Bildungssektor, der nun knapp ein Fünftel der Gesamtsumme ausmacht und sich über einen Anstieg der zur Verfügung stehenden Mittel um vier Prozent freuen kann. Auf fast 110 Milliarden Baht, ein Plus um 3,6 Prozent, wächst das öffentliche Gesundheitswesen. Einen deutlicheren Anstieg um 5,3 Prozent verzeichnet der Verteidigungsetat, der immerhin 193,5 Milliarden Baht schwer ist – unmittelbar nach einer weiteren militärischen Machtübernahme dürfte das aber kaum verwundern. So etwas kennen die putscherfahrenen Thais aus der Vergangenheit.

Binnen eines Jahres will die Junta zu normalen politischen Verhältnissen zurückkehren. Bis dahin, so lassen vorsichtige Anzeichen vermuten, könnte das thailändische Steuersystem einer grundlegenden Reform unterzogen und damit in gewissem Rahmen eine Umverteilung zugunsten bisher benachteiligter Bevölkerungsschichten erfolgen. Jahrelang hatte Thailands Politik sich beispielsweise gescheut, eine reguläre Erbschaftssteuer einzuführen – dies scheint nach Meldungen aus der Übergangsadministration nun in den kommenden Monaten bevorzustehen. Nicht nur dafür wird im Finanzministerium offenbar hinter den Kulissen schon mit Hochdruck an einem Gesetzentwurf gefeilt. Ähnlich verhält es sich mit einer Grundsteuer, über die in der Vergangenheit ebenfalls nachgedacht, Pläne aber nie umgesetzt wurden. Jetzt sollen gegenüber einem ersten Vorentwurf die zunächst sehr geringen Steuerbeträge noch einmal deutlich angehoben werden. Mit solchen neuen Steuern will die Militäradministration pro Jahr wenigstens 100 Milliarden Baht (2,5 Milliarden Euro) zusätzlich einnehmen. Mit solchen Erträgen könnte dann ein weiteres Projekt finanziert werden, das sich derzeit in Diskussion befindet – eine Art negative Einkommenssteuer für die untersten Verdienstgruppen. Wer einen bestimmten Gesamtbetrag an Einkünften unterschreitet, hätte demnach Anspruch auf eine Unterstützungszahlung vom Staat.

Bisher können viele wohlhabende Thais markante Steuerzahlungen geschickt vermeiden, große Vermögen und Einkünfte werden nur bedingt angezapft, und die neue Grundsteuer könnte die Spekulation mit bislang ungenutzten Landflächen, die dem Agrarsektor entzogen sind, zumindest eindämmen. Während sich der weniger betuchte Teil der Bevölkerung über etliche Maßnahmen freuen wird, trifft die angekündigte Anhebung der Mehrwertsteuer von 7,5 auf ganze zehn Prozentpunkte prinzipiell alle – und im Vergleich die Geringverdiener sogar etwas mehr als die Reichen. Die Unterstützungszahlungen für Reisbauern, eine Maßnahme der beim Putsch gestürzten Vorgängerregierung der ehemaligen Premierministerin Yingluck Shinawatra, laufen derzeit ebenfalls nur sehr schleppend.

Dafür hält die Militäradministra­tion auf einem anderen Sektor Kurs: Thailands dringend sanierungsbedürftiger Schienenverkehr soll weiterhin in nächster Zeit mit Hochdruck modernisiert und ausgebaut werden. Neue, schnellere Verbindungen werden als dringend notwendig erachtet, um auch im Sinne des Wirtschaftswachstums Transportzeiten zu verkürzen und Kosten zu senken. Bereits in Planung befindliche oder begonnene Projekte für Elektrifizierung oder neue Schnellbahntrassen werden deshalb fortgeführt, die notwendigen Mittel bereitgestellt, heißt es. Da auch die Ausgabenkontrolle in den einzelnen Ministerien und nachgeordneten Behörden intensiviert werden soll, um Korruption und Vergeudung zu minimieren, enthalten Budget und Steuerreform durchaus etliche positive Ansätze. Das Militär will mit seinem Haushalt Vertrauen schaffen – bei der breiten Bevölkerung ebenso wie bei ausländischen Investoren und der internationalen Gemeinschaft.

* Aus: junge Welt, Mittwoch 27. August 2014


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