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Hürden für Yingluck

Regierungsbildung ist erste Herausforderung für künftige Premierministerin von Thailand

Von Thomas Berger *

Nach dem Sieg bei den thailändischen Parlamentswahlen vom 3. Juli versucht Yingluck Shi­nawatra nun, ihr Kabinett zusammenzustellen. Die Abstimmung zu gewinnen war für die künftige Premierministerin womöglich eine einfachere Aufgabe als die Auswahl einer Regierungsmannschaft, die in der Lage ist, die Erwartungen an die Puea Thai Party (PTP) zumindest teilweise zu erfüllen. Selbst für erfahrene Politiker wäre dies schon eine Herausforderung. Doch Yingluck kann sich nicht einmal von Erfahrungen leiten lassen, denn sie ist neu im politischen Geschäft.

In Thailand ist es nach Parlamentswahlen Tradition, daß einflußreiche Parteiführer beim zukünftigen Regierungschef vorbeischauen und im privaten Gespräch Ministerposten herauszuschlagen versuchen – sei es nun für sich selbst oder ein anderes Mitglied der jeweiligen regionalen Fraktion. In den vergangenen Tagen war es aber auffällig ruhig bei der demnächst mächtigsten Frau des Landes. Statt dessen erhält Yinglucks Bruder Thaksin allerhand Besuch. Der 2006 beim unblutigen Militärputsch gestürzte, seither mit kurzer Unterbrechung im Exil lebende und in der Heimat wegen Amtsmißbrauch zu zwei Jahren Haft verurteilte Expremier hält sich derzeit in Dubai auf. Dorthin machte sich so mancher namhafte Vertreter aus der PTP auf den Weg, denn Thaksin ist nach wie vor der tatsächliche Entscheidungsträger, obwohl er offiziell weder Parteichef ist noch ein anderes Amt innehat.

Yingluck ist auf Berater angewiesen, die ihr wenigstens im ersten Amtsjahr zur Seite stehen und sie vor Fehlentscheidungen aus Unkenntnis der Materie und der politischen Prozesse bewahren. Dabei muß sie versuchen, möglichst unabhängig zu agieren, um nicht von Bürgern, Gegenspielern und internen Kritikern als Erfüllungsgehilfin ihres Bruders wahrgenommen zu werden. Daß sie bei wichtigen Entscheidungen Rückfrage bei Thaksin nimmt, gilt als wahrscheinlich, doch darf nicht der Eindruck entstehen, daß dieser die Regierung führt und Yingluck nur seine Marionette ist. Erschwerend kommt hinzu, daß einige erfahrene Parteikader, die als Unterstüzter Yinglucks in Frage kämen, selbst insgeheim das Amt des Premierministers anstreben.

Somchai Wongsawat, der Schwager Thaksins und Yinglucks und selbst eine Weile Premier, wäre so eine Stütze. Allerdings würde damit noch mehr als bisher deutlich, welch starke Rolle der Familienclan an der Parteispitze spielt. Zudem wurde Somchai nach der Auflösung seiner Regierung wegen Wahlbetrugs im Dezember 2008 vom Verfassungsgericht für fünf Jahre von politischen Ämtern ausgeschlossen. Jede Einflußnahme könnte als Verstoß gegen die gerichtliche Auflage interpretiert werden. Auch andere enge Vertraute Yinglucks stehen vor dem gleichen Dilemma: Sie können bestenfalls aus dem Hintergrund agieren.

Um drohenden Amtsenthebungsverfahren zuvorzukommen, dürfen künftige Minister nicht »belastet« sein. Vertreter der sogenannten Rothemden der UDD (Vereinte Front für Demokratie gegen Diktatur), die die Straßenproteste der jüngeren Vergangenheit angeführt hatten, sollen im neuen Kabinett Berücksichtigung finden. UDD-Führer wie Jatuporn Prompan ins Team zu holen, das würde aber auch bedeuten, in einer ständigen Verteidigungshaltung gegenüber der Opposition zu stehen. Sollte von dieser eine Amtsenthebung einzelner Politiker durchgesetzt werden, könnte das den Sturz der ganzen Regierung nach sich ziehen.

* Aus: junge Welt, 28. Juli 2011


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