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Wahlkampf in Thailand kommt auf Touren

Rückkehr zur Demokratie nach über einem Jahr Militärherrschaft mit offenem Ausgang

Von Thomas Berger *

Mit der Verkündung des Termins für die Parlamentswahlen hat Thailands Wahlkommission jetzt den Startschuss gegeben: Nun beginnt das Wettrennen der Parteien um die beste Ausgangsposition für eine künftige Regierungsbildung.

Es ist entschieden: Der 23. Dezember soll das magische Datum sein, das Thailands endgültige Rückkehr zur Demokratie nach gut einem Jahr Militärherrschaft markiert. An diesem Tag sind die wahlberechtigten Einwohner des südostasiatischen Landes aufgerufen, über die Zusammensetzung des neuen Parlaments abzustimmen. Nachdem vor kurzem der ausgearbeitete Verfassungsentwurf im Referendum mit 58 Prozent eine ausreichende Mehrheit erhalten hatte, sollen nun die Putschisten die Macht wieder in zivile Hände abgeben.

Der Wahlkampf war praktisch schon vor der Terminbekanntgabe angelaufen, jetzt bricht er in aller Härte aus. Es wird ein Spiel mit vielen Unbekannten. Geht es doch beispielsweise darum, ob General Sonthi Boonyaratglin seine vagen Andeutungen wahr macht und eine eigene Partei gründet. Mehrfach hatte der Putschführer vom Vorjahr, der Anfang September als Armeechef in den Ruhestand geht, einen solchen Wechsel in die aktive Politik als Option bezeichnet. Auf ein gewisses Potenzial getreuer Anhänger, die die unblutige Machtübernahme des Militärs bis heute vehement verteidigen, könnte er sich in jedem Fall stützen.

Eines scheint jetzt schon gewiss: Klare Mehrheiten dürfte es bei dieser Wahl ähnlich wie vor 2001 kaum geben. Niemand wird allein die Regierung stellen können, eine Koalition dürfte unvermeidlich sein. Allerdings werden die beiden aussichtsreichsten Parteien wohl kaum ein Bündnis eingehen, auch wenn sie zuletzt zum Teil gemeinsam gegen die Putschisten und für eine schnelle Redemokratisierung gestanden haben. Jenseits dieser Notfallgemeinschaft sind sich Demokraten (DP) und die Anhänger des gestürzten Ex-Premiers Thaksin Shinawatra nämlich spinnefeind.

Die DP verfügt derzeit vielleicht über die beste Ausgangsposition. Während der Regierungszeit des Populisten und Multimilliardärs Thaksin, der nach wie vor im Londoner Exil lebt, war sie zuletzt die einzig verbliebene nennenswerte Opposition im Parlament, das von der Thai Rak Thai (TRT) mit erdrückender Dreiviertelmehrheit beherrscht wurde. Die Tatsache, dass die vormalige Regierungspartei vom Obersten Gericht unlängst zwangsaufgelöst wurde, verschafft den Demokraten einen Vorsprung und macht sie zugleich unter den Bewerbern um die Wählergunst zur bestorganisierten Kraft. Nur an einem klaren Programm mangelt es derzeit noch, doch mit diesem Problem steht die DP nicht allein.

Obgleich die seinerzeit 111 wichtigsten Führungspersönlichkeiten der TRT für fünf Jahre von politischen Ämtern ausgeschlossen sind, bleiben genug Thaksin-Getreue aus der zweiten und dritten Reihe, die sich als legitime Erben der einstigen Regierungspartei verstehen und ebenfalls auf ein gutes Abschneiden bei der Wahl hoffen können. Eine neue Kraft mit dem Namen Volksmacht- Partei hat sich kürzlich registrieren lassen und kann unter anderem Chaturon Chaiseang, den letzten amtierenden TRT-Chef, als Berater vorweisen. Es ist jedoch nicht die einzige Gruppe, die sich auf Thaksins politisches Erbe beruft. Zudem gibt es noch mehrere ehemalige TRT-Fraktionen rund um einflussreiche Regionalpolitiker, die erst die Lage sondieren und sich zum passenden Zeitpunkt einer aussichtsreichen Kraft anschließen wollen.

Das hat in Thailand bereits (unrühmliche) Tradition: So mancher Politveteran hat mit seinem Fußvolk alle paar Jahre die Partei gewechselt. Die Versprechen möglicher Posten in der neuen Ära werden mit Blick auf die kommende Wahl auch jetzt wieder gänzlich neue Allianzen hervorbringen – allerdings auch mit dem unkalkulierbaren Risiko für ein dauerhaftes politisches Aus.

* Aus: Neues Deutschland, 30. August 2007


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