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Suthep auf Feldzug des Hasses

Zunehmend isolierte Regierungsgegner setzen auf totale Eskalation

Von Daniel Kestenholz, Bangkok *

Die massiven Proteste gegen die Regierung in Thailand schlagen immer mehr in Gewalt um. In der Hauptstadt Bangkok lieferten sich Demonstranten und Polizei am Montag heftige Straßenschlachten.

Während Menschen am Montag in Bangkok größtenteils ihrer Arbeit nachgingen und auf den Straßen der übliche Verkehr herrschte, lieferte ein harter Kern von Regierungsgegnern der Polizei an zwei Schlüsselstellen einen zunehmend erbitterten Kampf. Um den mit Tränengas, Wasserwerfern und Gummigeschossen verteidigten Regierungssitz wurde auch scharf geschossen. Unklar blieb, aus welcher Richtung die Kugeln kamen.

Am Abend trat ein müder, ernüchterter Protestführer Suthep Thaugsuban vor Anhänger und Journalisten. Getrieben von Hass auf den ehemaligen Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra, der das »Hirn der Regierung« sei, lieferte er eine Hassrede ohnegleichen. Er sei kein Mitglied der Partei der Demokraten mehr, was er tue, mache er fürs Volk, bei dem er sich für den Verzicht auf Waffengewalt bedankte – eine Bemerkung, die reichlich Realitätsfremdheit bewies.

Während Suthep sprach, zündete sein militanter Mob Brandsätze gegen die Polizei. Viele der in Schwarz gekleideten, zumeist jungen Burschen hatten schon bei Tageslicht selbstgebastelte Kleinbomben hinter die Polizeibarrikaden geschleudert. Zudem fuhren schwere Maschinen auf, um Betonsperren zu räumen, doch die Barrieren hielten.

Je länger der von den Regierungsgegnern zunehmend aggressiv geführte Konflikt dauert, desto deutlicher erweist sich der angeblich friedliche Protest als Putschmanöver einer kleinen Gruppe, deren Zahl mit jedem Tag zu schwinden scheint. Seine Leute, so Suthep, »kämpfen mit bloßen Händen«. Am Dienstag müsse Bangkoks Polizeiwache eingenommen werden, um die »Lakaien der Tyrannen« zu bezwingen. Dann erklärte er den »totalen Krieg« gegen die Polizei.

Schon dreimal hat der Führer des »Demokratischen Reformkomitees des Volkes« den Tag des Sieges versprochen. Am Montag sollten Beamte zudem mit einem Solidaritätsstreik der Arbeit fernbleiben. Von alldem, was Suthep fordert, trat allerdings bisher nichts ein. Er sucht die Revolution, doch in Bangkok herrscht weitgehend Normalität, und nach der Hassrede dürften sich auch die verbliebenen Anhänger fragen, wem sie da folgen. Eine Nation von 65 Millionen Menschen wird von einem militanten Mob als Geisel gehalten. Der harte Kern der Demonstranten umfasst 20-30 000 Leute, ein paar hundert zählen zum militanten Kreis, der aus dem Hintergrund von Kräften gesteuert und finanziert wird.

Mit einer 15-minütigen Live-Rede hatte sich die bedrängte Regierungschefin Yingluck Shinawatra am Vormittag an die Nation gewandt, ihre Bereitschaft zum Dialog erklärt und sogar einen Rücktritt offeriert, wenn das Frieden bringe. »Alle Türen sind offen«, sagte Yingluck. Doch nicht einmal sie wisse, was genau Suthep wolle. Ihr Rücktritt mit der Auflösung des Parlaments genüge ihm nicht, und auf seine Hauptforderung, das gewählte Parlament durch ein handverlesenes zu ersetzen, könne sie nicht eingehen, weil die Verfassung keine Klausel vorsehe, die das Volk faktisch entmachten würde. »Wahlen sind nicht die fairste Methode, um Volksvertreter zu wählen«, erklärte dazu ein Sprecher von Sutheps »Reformkomitee«.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 3. Dezember 2013


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