Keine Versöhnung in Thailand
"Gelbe" und "Rote" streiten wieder
Von Thomas Berger *
Der Konflikt zwischen »Gelbhemden«
und »Rothemden« in Thailand hat
wieder an Schärfe zugenommen. Auslöser
war ausgerechnet das Vorhaben,
ein Versöhnungsgesetz zu verabschieden.
General a. D. Sonthi Boonyaratglin,
seinerzeit Armeechef, war
treibende Kraft des unblutigen
Putsches, durch den Thailands
damaliger Regierungschef Thaksin
Shinawatra am 19. September
2006 gestürzt wurde. Thaksin lebt
seither – mit einer kurzen Unterbrechung
– im Exil. Bei einer
Rückkehr in die Heimat droht ihm
derzeit sofortige Verhaftung, denn
ein Gericht hatte ihn für schuldig
befunden, als Premier zugunsten
seiner damaligen Ehefrau bei einem
umstrittenen Grundstücksgeschäft
Einfluss genommen zu
haben.
Ausgerechnet der Exgeneral,
inzwischen selbst Politiker und
Chef der Versöhnungskommission,
reichte jetzt den Gesetzentwurf
ein, wonach alle seit dem Putsch
gegen Politiker gefällten Urteile zu
annullieren wären. Davon könnten
Akteure unterschiedlicher Lager
profitieren. Dass aber auch Thaksin
die Tür zur Rückkehr offen
stünde, ist für seine schärfsten
Gegner eine Horrorvorstellung. Im
Parlament und auf der Straße kam
es deshalb zu heftigen Protesten.
Als Parlamentspräsident Somsak
Kiatsuranont zur Abstimmung
aufrufen wollte, wurde er von Abgeordneten
der oppositionellen
Demokratischen Partei (DP) bedrängt,
Vertreter der Regierungsfraktionen
eilten ihm zur Hilfe. Nur
drei Dutzend Polizisten gelang es,
handgreifliche Auseinandersetzungen
zu verhindern.
Für die Gelbhemden der radikalen
Volksallianz für Demokratie
(PAD) sind Zugeständnisse an
Thaksin, dessen jüngere Schwester
Yingluck Shinawatra gegenwärtig
die Regierung führt, unvorstellbar.
PAD-Führer Sondhi
Limtongkul war schon zu Thaksins
Amtszeit der wichtigste Gegenspieler
des damaligen Premiers.
Die DP als größte Oppositionspartei
steht zwar den Gelbhemden
nahe, ihre gemäßigten Vertreter
können sich aber grundsätzlich eine
Rückkehr des vormals mächtigsten
thailändischen Politikers
vorstellen – sofern er nicht auch
noch sein eingezogenes Vermögen
zurückerhält. Das Gericht hatte einen
Großteil seiner Milliarden eingefroren
und später zugunsten der
Staatskasse beschlagnahmt.
Für Unruhe sorgt zudem, dass
111 ranghohe Kader von Thaksins
Regierungspartei Thai Rak Thai
(TRT), die später zwangsaufgelöst
wurde, in die Politik zurückkehren
können. Sie waren von den Richtern
mit einer fünfjährigen Sperre
belegt worden, die jetzt endete.
Etliche der einstigen Funktionäre
haben prompt ihre Mitgliedschaft
in der regierenden Pheu Thai (PT)
beantragt und könnten bei einer
Kabinettsumbildung in Ministerämter
aufrücken. Damit, so fürchten
die Gelbhemden, verfügte der
bei der ärmeren Landbevölkerung
noch immer sehr populäre Thaksin
über noch mehr Vertraute in
Schlüsselpositionen. Yingluck wird
von Gegnern ohnehin vorgeworfen,
sie sei nur eine Marionette ihres
Bruders.
Das Verfassungsgericht, das
schon zwei »rote« Regierungschefs
zu Fall brachte, verbot dem
Parlament inzwischen auf dem
Eilweg, das besagte Gesetz vor der
Prüfung seiner Verfassungsmäßigkeit
zu verabschieden. Die Rothemden
argwöhnen einen Putsch
mit Justizhilfe. Das Gericht, argumentieren
sie, habe kein Recht,
Politikern ihre Arbeit vorzuschreiben.
Dennoch lenkte die Regierung
ein und will zweimonatige
Parlamentsferien ausrufen, auf
dass sich die Gemüter wieder abkühlen.
* Aus: neues deutschland, Dienstag 5. Juni 2012
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