Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Relative Ruhe vor Königsgeburtstag

Thailändische Polizei setzt nach Gewalteskalation auf Entspannung *

Umarmungstaktik auf thailändisch: Nach heftigen Krawallen lässt die Polizei in Bangkok die Demonstranten einfach gewähren. Das feiern die Regierungsgegner als großen Sieg.

Nach den seit mehreren Tagen anhaltenden gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften in der thailändischen Hauptstadt Bangkok bemüht sich die Polizei um Entspannung. Sie erlaubte am Dienstag Hunderten Anhängern der Opposition, den Regierungssitz im Stadtzentrum zu besetzen, was umgehend erfolgte. Seitens des Nationalen Sicherheitsrats wurde der Strategiewechsel mit dem 86. Geburtstag von König Bhumibol Adulyadej am Donnerstag begründet.

Die Sicherheitskräfte entfernten ihre Absperrungen rund um den Sitz der Regierung von Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra, gegen die es seit Wochen Proteste gibt. Es soll eine ausgelassene Stimmung geherrscht haben, als die Demonstranten auf das Gelände strömten. Nur wenige Soldaten waren dort noch postiert. Die Polizei hatte den Regierungssitz seit dem Wochenende mit Wasserwerfern, Tränengas und Gummigeschossen gegen die Belagerer verteidigt.

Am Dienstag wurde auch die Absperrung vor dem Hauptquartier der Polizei aufgehoben. Die Oppositionsanhänger betraten daraufhin das Gebäude und schüttelten Polizisten die Hände. Die Proteste gegen Yinglucks Regierung waren am Samstag eskaliert, als bei Zusammenstößen in Bangkok mehrere Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt wurden. Es waren die ersten Todesopfer seit dem Beginn der bis dahin überwiegend friedlichen Proteste vor einem Monat.

Der Chef des Nationalen Sicherheitsrats, Paradorn Pattanatabut, sagte am Dienstag, am Geburtstag von König Bhumibol müsse es »ruhig und ordentlich« zugehen. Darüber bestehe »auf beiden Seiten Einigkeit«. Ein ruhiger Verlauf des in Thailand mit großem Aufwand begangenen Festtags wäre »ein gutes Zeichen«, sagte Paradorn. »Nach dem Geburtstag des Königs könnten Gesprächs stattfinden, es braucht Zeit, um das Problem durch Verhandlungen zu lösen«, ergänzte er. Polizeisprecher Kissana Phatsanacharoen erklärte die Taktikwende so: »Wir haben ihnen einen symbolischen Sieg gegeben. »Wir haben Blutvergießen verhindert, das ist das Wichtigste.«

Die Proteste hatten sich an einem von der Regierung befürworteten Amnestiegesetz entzündet, das Yinglucks Bruder, dem früheren Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra, womöglich eine Rückkehr aus dem Exil erlaubt hätte. Dieser war im Jahr 2006 vom Militär entmachtet und später wegen Korruption verurteilt worden. Die Opposition unter Führung von Suthep Thaugsuban fordert den Rücktritt der Regierung.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon äußerte sich angesichts der Unruhen am Montag besorgt. Er rief alle Parteien auf, »größtmögliche Zurückhaltung« zu üben. Alle politischen Differenzen müssten im Dialog und friedlich beigelegt werden, erklärte Ban am Rande der Generalkonferenz der UN-Organisation für industrielle Entwicklung in Lima. Dabei müssten der Respekt der demokratischen Prinzipien, des Rechtsstaats und der Menschenrechte gewahrt werden.

Am Montag hatte Regierungschefin Yingluck mit einem Ultimatum verbundene Forderungen nach einem Rücktritt zurückgewiesen. Zudem erließ ein Gericht wegen des versuchten Sturzes der Regierung einen weiteren Haftbefehl gegen Suthep. Dieser begrüßte die Entspannung am Dienstag als »Teilsieg«. Noch sei das Ziel, die Regierung zu stürzen, aber nicht erreicht. »Wir müssen unseren Kampf fortsetzen«, forderte Suthep.

Die Demonstranten haben weiterhin keines ihrer Ziele erreicht. Suthep verlangt einen Übergangsrat aus Technokraten, der das Land auf unbestimmte Zeit regiert und eine neue Verfassung ausarbeitet. Wer wen ernennen soll, ist aber unklar.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 4. Dezember 2013


Händeschütteln mit der Polizei

Thailand: Atempause in Bangkok nach Taktikänderung der Sicherheitskräfte. Protestanführer wollen weiterkämpfen **

Nach zweitägigen Straßenschlachten mit Dutzenden Verletzten hat Thailands Polizei eine weitere Eskalation der regierungsfeindlichen Proteste mit einer Taktikwende verhindert. Statt in Bangkok den Regierungssitz und die Polizeizentrale weiter mit Tränengas und Wasserwerfern zu verteidigen, öffnete sie am Dienstag die Tore und ließ die Demonstranten ein.

Ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP beobachtete eine ausgelassene Stimmung, als die Demonstranten auf das Gelände strömten. Nur wenige Soldaten waren dort noch postiert. Am gleichen Tag wurde auch die Absperrung vor dem Hauptquartier der Polizei aufgehoben. Die Oppositionsanhänger betraten daraufhin das Gebäude und schüttelten Polizisten die Hände.

Die Anführer der Proteste gegen das demokratisch gewählte Kabinett wollen jedoch trotz der vorläufigen Entspannung weiterkämpfen. »Die Leute denken, wir haben gesiegt, aber die Tyrannen sind immer noch im Parlament und in der Regierung«, sagte der Oppositionspolitiker Suthep Thaugsuban am Dienstag vor Anhängern. Die Regierung von Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra und deren Partei Pheu Thai müßten gestürzt werden, so Suthep. »Wir müssen sie loswerden, bevor wir den vollen Sieg erklären.« Ob die Demonstranten ihm folgen werden, war unklar.

Die Regierung hat einige Tage Zeit gewonnen, denn am Donnerstag feiert der schwer kranke König Bhumibol Adulyadej seinen 86. Geburtstag. Der Tag ist ein Feiertag, an dem Demonstrationen undenkbar sind. Die Regierung hofft, daß die Proteste im Sande verlaufen. Polizeisprecher Kissana Phatsanacharoen erklärte die Taktik­änderung so: »Wir haben ihnen einen symbolischen Sieg gegeben. Wir haben Blutvergießen verhindert, das ist das Wichtigste.« Gegen Suthep liegen mehrere Haftbefehle vor, u.a. wegen Anzettelung einer Revolte. Die Ministerpräsidentin wolle ein Forum mit Akademikern einrichten, um eine Lösung aus der Krise zu finden, sagte ein Regierungssprecher.

** Aus: junge welt, Mittwoch, 4. Dezember 2013


Zurück zur Thailand-Seite

Zurück zur Homepage