Thailands Richter sind gefordert
König Bhumipol will das "politische Durcheinander" beendet sehen
Von Thomas Berger*
Thailands Opposition hat zwar den Rücktritt von Regierungschef Thaksin Shinawatra erzwungen,
doch das Land bleibt ein Krisenfall. Selbst nach der zweiten Nachwahl am kommenden Sonnabend
wird sich kein neues Parlament konstituieren können.
Die Lage ist verzwickt. Eigentlich könnten sich Thaksins Gegner freuen, denn der reichste Mann des
Landes hatte nach den Parlamentswahlen am 2. April, die nicht zum erhofften Vertrauensvotum für
den Regierungschef geworden waren, offiziell abgedankt. Den Erfolg wochenlanger Massenproteste
und ihres Wahlboykotts kann die Opposition bisher jedoch nicht auskosten. Die
Regierungsgeschäfte sollte Thaksins vormaliger Stellvertreter Chidchai Vanasatidya führen,
allerdings hat der keine parlamentarische Basis.
Das am 2. April gewählte Parlament darf laut Verfassung nämlich nicht zusammentreten, so lange
es nicht vollständig ist. Etwa ein Dutzend der 400 Sitze sind aber noch frei, weil kein Bewerber im
jeweiligen Wahlkreis eine ausreichende Mehrheit erlangt hatte. Da die Kandidaten der Thaksin-
Partei Thai Rak Thai (Thais lieben Thais – TRT) wegen des Boykotts der Oppposition vielerorts
ohne Konkurrenz angetreten waren, mussten sie wenigstens 20 Prozent aller Stimmen in ihrem
Wahlkreis erreichen. Diese Hürde war in einigen Bezirken der Hauptstadt Bangkok sowie im
islamisch dominierten Süden des Landes zu hoch.
So blieben 40 Mandate nach dem 2. April unbesetzt, eine erste Nachwahl ließ diese Zahl auf 13
zusammenschmelzen. Auch der dritte Wahlgang am kommenden Wochenende wird das Problem
kaum lösen. In den Südprovinzen, wo es seit Anfang 2004 blutige Unruhen gibt, hat die TRT so gut
wie keine Basis und also wenig Chancen, die Hürde zu nehmen.
Die Staatskrise schleppt sich damit vorhersehbar in eine nächste Etappe, denn eigentlich müsste
sich das neue Parlament einen Monat nach der Wahl konstituieren. Was aber unmöglich ist, wenn
nicht alle Sitze vergeben sind.
König Bhumipol, nicht nur Staatsoberhaupt, sondern höchste moralische Autorität im Lande, lehnt
eine direkte Einmischung zur Lösung des »politischen Durcheinanders« ab. Er werde von sich aus
keinen Übergangspremier ernennen, denn das widerspräche der Verfassung, erklärte der Monarch
am Dienstag in einer Ansprache, die im Fernsehen übertragen wurde. Bhumipol, der im Juni sein 60-
jähriges Thronjubiläum feiert, forderte Thailands oberste Richter auf, einen Weg aus der Krise zu
finden. Beobachter werteten dies als Aufruf, die Wahlen vom 2. April für null und nichtig zu erklären
und damit den Weg zu einem völlig neuen Urnengang frei zu machen. Auch die Opposition könnte
solche Wahlen wohl nicht länger boykottieren.
* Aus: Neues Deutschland, 27. April 2006
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