Thailand endlich mit neuer Regierung
Abhisit Vejjajiva zum Premier gewählt
Nach monatelangen politischen Unruhen hat Thailand eine neue Regierung: Mit den Stimmen von
Überläufern aus der alten Koalition wählte das Parlament am Montag Oppositionsführer Abhisit
Vejjajiva zum neuen Regierungschef.
Bangkok (dpa/ND). Damit ist die Ära des früheren Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra und
seiner Anhänger zunächst zu Ende. Der 2001 gewählte Thaksin war vor zwei Jahren vom Militär
gestürzt worden. Seine Unterstützer hatten dann 2007 erneut die Wahl gewonnen, doch wurden sie
nun durch anhaltende Proteste einer außerparlamentarischen Opposition in die Knie gezwungen.
Anhänger Thaksins in ihren typischen roten T-Shirts protestierten am Montag vor dem Parlament.
Sie warfen Metallgitter in die Einfahrten und versuchten, die Abgeordneten von Abhisits
Demokratischer Partei an der Abfahrt zu hindern. Mehrere Autoscheiben gingen zu Bruch. Thaksin
selbst hatte in einer Grußbotschaft an seine Anhänger am Wochenende von einem
»stillen Staatsstreich« gesprochen, der die Demokratie untergrabe. Wegen Amtsmissbrauchs war er
zu zwei Jahren Haft verurteilt worden und lebt im Exil. Der 44-jährige Abhisit ist der jüngste gewählte
Regierungschef, den Thailand je hatte. Er erhielt 235 Stimmen, sein Gegenkandidat Pracha
Promnok, der von der alten Regierungskoalition nominiert worden war, 198.
* Aus: Neues Deutschland, 16. Dezember 2008
Personalien
Der Jüngste
Er gilt als Gentleman, Saubermann und Herzensbrecher – Eigenschaften, wie sie in der rauen Welt
thailändischer Politik selten zu finden sind. Der gestern vom Parlament in Bangkok zum 27. Premier
des Landes gewählte
Abhisit Vejjajiva ist tatsächlich eine Ausnahmeerscheinung. Der in England
geborene und in Oxford ausgebildete Sohn aus wohlhabendem Haus hatte es nie nötig, seine
Loyalität dem Höchstbietenden zu verkaufen.
Mit 27 Jahren einer der jüngsten Parlamentarier in Thailands Geschichte, sprach er damals vom
»Glauben an die Macht von Politik«. Heute, mit 44 Jahren der jüngste Premier Thailands, führt er die
älteste Partei des Landes an, die Demokraten, die vor allem im Süden und bei der gebildeten
Bangkoker Mittelschicht auf Unterstützung zählen kann.
Den volkreichen Norden des Landes, wo Wahlen entschieden werden, hat Abhisit noch nie richtig
bereist. Auch fehlen dem etwas trocken wirkenden Ökonomen das Charisma und die populistische
Ader des einstigen Premiers Thaksin Shinawatra, der noch immer weite Bevölkerungskreise hinter
sich weiß – obgleich er ins Exil floh, um Gefängnisstrafen zu entgehen.
Das wichtigste Manko Abhisits aber ist, dass er nicht durch demokratische Wahlen ins Amt gelangt
ist. Das Thaksin-Lager beklagt einen »stillen Staatsstreich«, da Abhisit stillschweigend hinter den
gewaltsamen Protestaktionen der letzten Monate stand, die von der Bangkoker Elite getragen
waren, der selbst Armeekreise, Gerichte und Teile des Hofstaats anzugehören schienen. Und
schließlich haben sich die Demokraten der gleichen Politik der Geldkoffer bedient, die Thaksin
immer vorgeworfen wurde: Im Werben um die Stimmen wankelmütiger Abgeordneter sollen vor der
gestrigen Wahl des Regierungschefs laut thailändischen Medien über 1,5 Millionen US-Dollar
angeboten worden sein.
Schafft es Abhisit jedoch, die gravierenden sozialen Probleme im Lande anzugehen und die
Provinzen mit dem angekündigten Konjunkturprogramm zu gewinnen, dann hat er vielleicht eine
Chance. Zumindest versprach er bereits ein freies Gesundheits- und Bildungswesen. Doch meinen
Beobachter, dass der »Patrizier aus Bangkok« kaum die notwendige breite Unterstützung finden
werde.
Daniel Kestenholz, Bangkok
** Aus: Neues Deutschland, 16. Dezember 2008
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