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Thailand nach dem Putsch

Militär geht gegen zwei Gegner vor: Thaksin und muslimische Rebellen

Die Lage in Thailand eine Woche nach dem Militärputsch ist kompliziert und die Berichte über die Vorgänge nach wie vor spärlich. Im Folgenden zwei kleinere Artikel, die zur Aufklärung beitragen mögen.



300 Hörfunksender geschlossen

Thailand: Putschisten wollen »Unruhen vermeiden«. Gewaltwelle im Süden geht weiter

Von Thomas Berger, Bangkok *


Die Putschisten in Thailand haben im Norden des Landes nach eigenen Angaben mehr als 300 gemeindeeigene Hörfunksender geschlossen. Wie ein Sprecher der Militärjunta am Sonntag mitteilte, dient die am Freitag vorgenommene Maßnahme der »Vermeidung von Unruhen und von Verwirrung über die Lage«. Die ländlich geprägten Provinzen des Nordens gelten als Hochburgen des von den Militärs gestürzten bisherigen Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra.

Im Süden Thailands hält die Gewaltwelle auch nach dem Putsch weiter an. Am Sonnabend wurden bei einer Bombenexplosion in der Provinz Pattani vier Polizisten verletzt, die vor einem Moscheebesuch von Kronprinz Vajiralongkorn die Sicherheitsvorkehrungen überprüften.

Der erste Anschlag seit dem Militärputsch hat damit die Hoffnung weitgehend zerstört, daß die Putschisten mit den Untergrundkämpfern zu einer Einigung kommen könnten. Putschführer Sonthi Boonyaratglin, der erste Muslim als Armeechef des mehrheitlich buddhistischen Landes, hatte sich wiederholt für eine Lösung am Verhandlungstisch ausgesprochen.

Die drei an Malaysia grenzenden überwiegend islamischen Provinzen im Süden Thailands Narathiwat, Pattani und Yala werden seit langem durch Separatistenunruhen erschüttert. Lehrer, Juristen und andere Staatsangestellte, Dorfvorsteher und buddhistische Mönche gehören zu den bevorzugten Zielen. Oft werden die Bomben aber einfach nur in der Nähe von Polizeistationen oder irgendwo in den Innenstädten gezündet. Bekenntnisse gibt es nicht, so daß Militär, Polizisten und Geheimdienst es schwer haben, die Anschläge den diversen im Untergrund aktiven separatistisch-islamistischen Gruppierungen eindeutig zuzuschreiben. Seit Januar 2004 sollen etwa 1700 Menschen bei Zusammenstößen, Bombenanschlägen und Rachemorden ums Leben gekommen sein.

In den drei südlichen Provinzen sind etwa 80 Prozent der Bevölkerung Muslime. Insgesamt sind mehr als 90 Prozent der Thailänder Buddhisten.

* Aus: junge Welt, 25. September 2006


Wühlen im Sumpf

Von Thai-Putschisten eingesetzte Antikorruptionsbehörde nimmt Arbeit auf

Von Thomas Berger, Bangkok **


Im Zentrum der thailändischen Hauptstadt Bangkok sind am Montag, knapp eine Woche nach dem Militärputsch, erneut Panzer aufgefahren. Zehn Panzer wurden auf dem Royal Plaza postiert, in dessen Nähe sich der Königspalast und mehrere Ministerien befinden. Vertreter der Putschisten hatten am Wochenende angekündigt, am Mittwoch könnte ein neuer Regierungschef ernannt werden. Dazu hat Putschführer General Sonthi Boonyaratglin Thailands König Bhumipol Adylyadej vier Kandidaten vorgeschlagen. Als Favorit gilt für viele Supachai Panitchpakdi, der frühere Chef der Welthandelsorganisation WTO, der zur Zeit die UN-Handelsbehörde in Genf führt. Weitere Kandidaten sind der vom gestürzten Premier Thaksin Shinawatra abgesetzte Zentralbankchef Chatumongol Sonakul, dessen Amtsnachfolger Pridiyathorn Devakula sowie Ackaratorn Chularat, der angesehene Chef des Obersten Verwaltungsgerichtes. Mit keinem der vier dürfte sich in der sozio-ökonomischen Ausrichtung der Politik außer Verschiebungen in Detailfragen etwas ändern. Der neoliberale Kurs wird auch unter einer neuen Regierung fortgeführt werden.

Am Montag hat die vom Militärrat ernannte Antikorruptionskommission ihre Arbeit offiziell aufgenommen. Die neun Mitglieder, acht Männer und eine Frau, sollen die Vermögensverhältnisse der abgesetzten Minister und insbesondere von Expremier Thaksin untersuchen. »Wer immer sich hat etwas zuschulden kommen lassen, wird sich letztlich vor Gericht verantworten müssen«, kündigte Kommissionsvorsitzender Panthep Glanarongran vor der Presse an. »Wir werden uns unter den 10000 gemeldeten Fällen auf solche Korruptionsaffären konzentrieren, die bald verjähren und an denen Politiker beteiligt sind, die besonders hochrangig sind«. Niemand werde mit ungerechtfertigten Bereicherungen zu seiner Amtszeit davonkommen, so Glanarongran.

Das sehen die beiden englischsprachigen Tageszeitungen The Nation und Bangkok Post nicht ganz so optimistisch. Sie verwiesen darauf, daß zumindest einige der Mitglieder des Gremiums nicht die nötige moralische Autorität besäßen, weil sie selbst eng mit der früheren Regierung verbandelt gewesen seien.

Größter Einzelfall für die Ermittlungen dürfte der Verkauf des Medienkonzerns von Thaksin sein, mit dem dieser einst zum zweitreichsten Mann Thailands aufgestiegen war. Zwar hatte er selbst sich aus der Firma zurückgezogen, doch seine Familie übte bis zum Frühjahr über seine Frau, seinen Schwager und weitere Angehörige direkte Kontrolle aus. Die Veräußerung an ein Konsortium aus Singapur für umgerechnet 1,9 Milliarden Dollar hatte im Februar Massenproteste in Bangkok ausgelöst, bei denen der Rücktritt des Premiers gefordert worden war. Unter anderem dieser Verkaufserlös seines innerhalb weniger Jahre aufgebauten Imperiums, der Shin Corp, versüßt Thaksin derzeit das Londoner Exil. Sein privates Vermögen wird auf rund zwei Milliarden Dollar geschätzt, weitere Reichtümer sind auf seine Frau und die Kinder aufgeteilt.

** Aus: junge Welt, 26. September 2006


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