Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Massenproteste in Bangkok

Thailändische Regierungsgegner wollen Amnestiegesetz verhindern

Von Thomas Berger *

In Thailand sieht sich die Regierung von Premierministerin Yingluck Shinawatra seit vergangener Woche erneuten Protesten ihrer radikalsten Kritiker gegenüber. Bei einer Demonstration im Lumbini-Park in der Hauptstadt Bangkok kamen am Sonntag rund 4000 Menschen zusammen. Sie wollen vor allem ein Amnestiegesetz verhindern, dessen Entwurf am Mittwoch in erster Lesung im Parlament eingebracht werden soll. Die Regierungsgegner sehen darin den Versuch, dem umstrittenen Expremier Thaksin Shinawatra die Heimkehr aus dem Exil zu ermöglichen. Der ältere Bruder der Premierministerin, im September 2006 beim unblutigen Militärputsch gestürzt und vor einer zweijährigen Haftstrafe geflohen, spaltet das südostasiatische Land auch in Abwesenheit noch immer.

In der Vergangenheit hatten vor allem die sogenannten Gelbhemden, die radikalmonarchistischen Anhänger der Volksallianz für Demokratie (PAD), die Proteste gegen das wieder mit klarer Mehrheit regierende Thaksin-Lager angeführt. Momentan spielt die PAD dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Die »Volksarmee zur Überwindung des Thaksinismus«, die die aktuelle Aktion im Herzen Bangkoks anführt, versteht sich als Sammlungsbewegung aller Gruppen landesweit, die sich gegen den ehemaligen Premier, seine als Marionette empfundene Schwester und ihre Getreuen wenden. Neues Symbol der im Lumbini-Park Versammelten sind weiße Masken. Angesichts der Demonstration verließ die Regierungschefin am Sonntag nicht ihre Residenz, vor der zu ihrem Schutz zusätzliche Spezialkräfte der Polizei zusammengezogen worden waren. Zwischenzeitlich waren Gerüchte aufgekommen, Yingluck Shinawatra sowie der Parlamentsvorsitzende und seine beiden Stellvertreter sollten entführt werden, um ein Einbringen des Amnestiegesetzes zu verhindern.

Anderen Spekulationen zufolge stünde gar ein erneuter Militärputsch unmittelbar bevor. Armeechef General Prayudh Chan Ocha und sein Sprecher Oberst Winthai Suwaree dementierten das jedoch umgehend. Um den Gerüchten nicht neue Nahrung zu geben, wurde ausdrücklich darauf verwiesen, daß in den kommenden Wochen in mehreren Landesteilen gemäß mehrjähriger Praxis reguläre Umverlegungen von Truppen und Material anstünden. Daneben habe die Armee auch noch mit der Fluthilfe und mit Vorbereitungen zum Geburtstag der Königin zu tun. Auch wenn die Putschgerüchte haltlos sein sollten: Eine verstärkte Unzufriedenheit mit der Regierung läßt sich nicht ignorieren. Das Wirtschaftswachstum stockt, die versprochene nationale Aussöhnung macht – auch wegen der Blockadehaltung der parlamentarischen wie außerparlamentarischen Opposition – keinerlei Fortschritte. Hinzu kommt der Skandal um das staatliche Programm zur Anhebung des Reispreises. Der Absatz des weltweit führenden Exporteurs des Getreides ist dadurch massiv eingebrochen, während in den Zwischenlagern große Mengen verderben.

Der umstrittene Entwurf des Amnestiegesetzes ist übrigens nicht einmal in Regierungskreisen Konsens. Mit dem Vorstoß würde nämlich insgesamt ein juristischer Schlußstrich unter die Eskalationen der politischen Auseinandersetzungen seit 2006 gezogen. Auch Gewaltakte, die Gegner der jetzt auf den Straßen erneut tonangebenden Pheu-Thai-Partei begangen haben, würden darunterfallen.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 6. August, 2013


Zurück zur Thailand-Seite

Zurück zur Homepage